Mehr Ranft - mehr soziale Verantwortung!

Das Theaterstück «Der Eremit» von Paul Steinmann bringt Niklaus von Flüe in einer fingierten Theaterprobe auf die Bühne. Es entstand im Auftrag des Fastenopfers.

Als 1981 Fastenopfer erstmals das Meditationsbild des Niklaus von Flüe als Hungertuch verbreitete, war dies ein spiritueller Beitrag zur theologischen Begründung des sozial-ethischen Engagements des Hilfswerks. In den Fastenkampagnen der Pfarreien wurde das sofort verstanden, die Bestellzahlen dieses Bildes waren enorm. Sie führten dazu, dass seither die wertvollen Reproduktionen sowohl des kleinen wie grossen Meditationsbildes vergriffen sind.

Dieses Interesse für ein Bild, das soziales Engagement mit spiritueller Tradition verbindet, ist nicht neu. In einer Chronik von 1488 ist uns ein Pilgertraktat erhalten. Schon in diesem ist ein schriftliches Zeugnis überliefert, das die soziale Fragestellung für einen damaligen Pilger belegt, der das Meditationsbild des Bruder Klaus gekannt hatte.

Fastenopfer erinnert an Pilgertraktat

Fastenopfer will im diesjährigen Gedenkjahr «Mehr Ranft» zum 600. Geburtstag von Niklaus von Flüe an diesen Pilgertraktat erinnern. Dieser Pilger – möglicherweise Heinrich von Gundelfingen, Kaplan und Professor aus der Gegend von Freiburg i. Br. – begegnet Bruder Klaus und beschreibt, was er mit ihm besprochen hat. Er lässt seinen Bericht sowohl in Augsburg wie auch in Nürnberg drucken. Dank diesem neuen sozialen Medium der damaligen Zeit gibt es ein authentisches Zeugnis, das uns sehr nah an die doch immer wieder rätselhafte Persönlichkeit dieses Eremiten heranführt.

Dabei fällt auf, dass der Pilger das bekannte Radbild nicht isoliert betrachtet (wie es heute oft als Signet für trinitarische Gottesmystik verwendet wird), sondern den Bezug zur Bibel und zur Praxis nicht ausblendet. Die Werke der Barmherzigkeit werden im Pilgertraktat ausführlich angemahnt. Es kann in christlicher Tradition keine Mystik geben, die sich nicht an vergangenen religiösen Erfahrungen, der Bibel und konkreten humanitären Aufgaben orientiert. Deshalb ist das Radbild auf dem Sachsler Meditationsbild in biblische Szenen eingebunden und enthält in jedem Medaillon deutlich die Symbole für die Werke der Barmherzigkeit. Gerade diese Werke waren für unseren Pilger von grosser Bedeutung, denn er scheint doch von franziskanischer Spiritualität beeinflusst.

«Der Eremit» – Begegnung mit Niklaus von Flüe

Man kann diesen Pilgertraktat auf dem Internet im Original finden. Fastenopfer aber hat Paul Steinmann (Text) und Dieter Ockenfels (Regie) beauftragt, diesen Pilgertrakt anlässlich des 600. Geburtstags von Bruder Klaus 2017 in eine anschauliche Theaterfassung umzusetzen. Entstanden ist das Theaterstück «Der Eremit. Eine Begegnung mit Niklaus von Flüe». Das Stück bringt den Eremiten Niklaus von Flüe in einer fingierten Theaterprobe auf die Bühne und will den Pilgertraktat dramatisieren. Dadurch wird eine Auseinandersetzung mit Bruder Klaus auf verschiedenen Ebenen möglich: Da ist zuerst der Pilger aus dem 15. Jahrhundert mit seinen damaligen Fragestellungen. Da sind aber auch der Eremit und seine Frau Dorothea. Schliesslich sind es die Schauspielenden selbst, die sich einbringen: sowohl als Theaterleute, aber auch als Menschen mit ihren Problemen. Dabei ist unterhaltsam erlebbar, wie die Zeitdimension für die existentiellen Fragen keine Rolle mehr spielt. Was wichtig ist, ist weiterhin aktuell, was vorbei ist, ist vorbei. Aber die Figuren des Theaters wirken im Miterleben der Zuschauenden in die Zukunft.

Mehr als eine Probe

Die Theaterleute machen es sich nicht leicht: Muss ein wohlsituierter Schauspieler zuerst eine Abmagerungskur machen, wenn er Niklaus von Flüe spielen will? Kann er seine Probleme im Umkleideraum zurücklassen? Haben die Einsichten des Eremiten noch Sprengkraft für die weltweite Ungleichheit? Wie kann man einen Heiligen verehren, der ganz auf Nahrung verzichtet, angesichts der Problematik der Ernährungssicherheit für alle Menschen heute? Und haben religiöse Aussagen eine Relevanz, wenn für Bruder Klaus Brot, also etwas Materielles, zur Anwesenheit von Gottes Gnade und Liebe wird? Bruder Klaus sagt: Denn in jedem Brot ist verborgen die G(e)nade Gottes, des Allmächtigen, sonst könnt der Mensch nit natürlich leben.

Und wie anstössig ist es heute, wenn ein Mann seine Frau um spiritueller Authentizität willen verlässt? Oder umgekehrt, die Frau den Mann? Auf jeden Fall tritt auch Dorothea mit einem ungewohnten Vorschlag auf … Im Theater ist mehr möglich, als in der Chronik der historischen Ereignisse. Und deshalb gehen wir ja auch hin: damit wir einen neuen Blick auf die Welt erhalten, sowohl auf «Mehr Ranft» wie auch auf mehr soziale Verantwortung. So sei der Theaterbesuch wärmstens empfohlen.

https://fastenopfer.ch/aktiv-werden/pfarreien/bruder-klaus/

 

Toni Bernet-Strahm

Toni Bernet-Strahm

Dr. theol. Toni Bernet-Strahm war Leiter Romero-Haus Luzern und von 1980 bis 1999 Bereichsleiter Kommunikation und Bildung sowie Mitglied der Geschäftsleitung des Fastenopfers.