«Mehr eine Freude als eine Herausforderung»

Mike Qerkini schreibt seit einigen Jahren Ikonen. Ihn interessiert aber die Bildtheologie insgesamt; durch seine Dissertation und als Leiter der Ikonen-Schule versucht er, diese den Menschen näherzubringen.

«Der Bräutigam der Kirche» von Mike Qerkini.

 

SKZ: Was sind eigentlich Ikonen?
Mike Qerkini: Eine bildtheoretische Definition ist schwierig. Jede wissenschaftliche Disziplin definiert das Bildphänomen anders. Die christlichen Bilder lassen sich am besten über ihre Funktion begreiflich machen: Sie wollen das unsichtbare Evangelium durch sichtbare Materie verkünden. Primär sind Ikonen christliche Bilder, die in einem funktionalen Zusammenhang mit dem gefeierten Glauben, der Liturgie oder dem Gebet stehen.

Wie sind Sie zum Ikonenschreiben gekommen?
Ich wollte als Student eine «Originalikone». Dafür ist das passende Budget nötig. So habe ich gedacht: Der Heilige Geist wird mir zeigen, wie ich mir selbst eine Ikone machen kann. Gesagt, getan. Im Freundeskreis liess ich mir 2016 die ersten Schritte beibringen und schliesslich bin ich zur Professionalisierung in einen Ikonenkurs gegangen. Ab 2017 ist das Ikonenschreiben zum Alltag geworden: Ich habe selbst Ikonen hergestellt, zahlreiche Ikonenkurse durchgeführt und 2021 die Leitung der Ikonen-Schule übernommen.

Was fasziniert Sie am Ikonenschreiben?
Als Student hatte ich kein Gefäss, um meine theologischen Erkenntnisse spirituell zu verarbeiten. Das Ikonenschreiben eröffnete mir eine in den Himmel ziehende Wirklichkeit. Ich konnte dem Unaussprechlichen eine mit den Sinnen wahrnehmbare Sprache geben: Ich sehe die Schönheit der Farben, höre die sakrale Musik, spreche das Wort Gottes im Gebet aus, schmecke das eucharistische Brot und rieche den himmlischen Weihrauch oder den Chrisam. Dadurch komme ich wie die Protagonisten im Johannesevangelium über die Sinneswahrnehmung zum Glauben an den Sohn Gottes. Faszinierend!

Welche Ikone hat Sie am stärksten (heraus-)gefordert?
Grundsätzlich habe ich vor jedem Glaubensmysterium Respekt. Ikonen sind eine Schriftauslegung. Weil ich in der kirchlichen Tradition stehe und ich das Evangelium als Richtschnur habe, ist jede Ikone mehr eine Freude als eine Herausforderung.

Als angehender Liturgiewissenschaftler verfassen Sie eine Dissertation zur Bildtheologie. Verraten Sie uns, um was es dabei geht?
Meine liturgiewissenschaftliche Studie orientiert sich an der alttestamentlichen Bildtheologie, die den Menschen als Statue Gottes bezeichnet. Rezeptionsgeschichtlich wurde die alttestamentliche Bildthematik nahezu ausschliesslich im Horizont des Bilderverbots als Proprium Israels eingeordnet. Meine Bildstudie vermag die festgefahrenen biblischen Vorstellungen zu revidieren. Auch die neutestamentlichen Erkenntnisse führen zur Neukontextualisierung gewisser bildtheologischer Ansichten. Hinzu kommen jüngere Erkenntnisse aus der Bildwissenschaft, die meine Studie ergänzen und die christliche Bildtheologie erweitern. Mehr darf ich leider zurzeit nicht verraten.

Sie haben auch eine Ikonen-Schule gegründet. Was ist ihr Ziel?
Die Ikonen-Schule ist das praktische Ergebnis meiner Lizenziatsarbeit, in der ich über die liturgiewissenschaftliche Bedeutung ausgewählter Bildtheorien geschrieben habe. Der Verein engagiert sich allerdings vorwiegend praktisch durch Ikonenkurse und Bildungsangebote. Vor allem bezweckt er die Förderung der östlichen und westlichen klassischen wie auch modernen Ikonographie, der östlichen und westlichen Bildtheologie und besonders der liturgischen, römisch-katholischen Bildtheologie. Wir möchten zur schweizerischen Anlaufstelle für bildtheologische Fragen werden und eine Vernetzung zum Thema Ikonen, christliche Bilder und christliche Kunst in Sakralräumen ermöglichen. Die Nachfragen kommen unterdessen von Orthodoxen wie Reformierten, von staatlichen Stellen und auch von Personen aus dem Ausland. Nicht selten sprechen wir auch Menschen ohne christlichen Glaubenshintergrund an.

Interview: Rosmarie Schärer

 

Informationen zur Ikonen-Schule unter www.ikonen-schule.ch


Mike Qerkini

Mike Qerkini (Jg. 1986) studierte zunächst Religionspädagogik am RPI in Luzern, danach Theologie in Luzern und Chur. 2019 wurde er zum Priester geweiht. Er gibt seit mehreren Jahren Kurse im Ikonenschreiben.