Mehr als nur Basiswissen

Zur liturgischen Kompetenz von Religionspädagog(inn)en

Im Zuge der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils wurden «Laien», vor allem Katechetinnen und Katecheten, vermehrt als Hilfskräfte für die Gestaltung von Schülermessen eingesetzt. Eine folgerichtige Entwicklung war es deshalb, angehende Katecheten am damaligen Katechetischen Institut (KIL) auch für liturgische Aufgaben auszubilden. Heute gehört zum Berufsbild des Religionspädagogen, der Religionspädagogin das Vorbereiten, Mitgestalten und gegebenenfalls Leiten von Kleinkinderfeiern, Schüler-, Jugend- und Familiengottesdiensten, Andachten und Tagzeitenliturgien in neuerer Form selbstverständlich dazu. Meist liegt auch die Hauptverantwortung für Erstkommunion und Firmung in der Hand religionspädagogisch ausgebildeter Fachleute. Fraglos erfordern diese anspruchsvollen Aufgaben eine entsprechend solide theoretische wie praktische Ausbildung. Es ist weit mehr als nur «Basiswissen», das mit Blick auf liturgisches Feiern sowie weitere Tätigkeiten im Bereich Liturgie am Religionspädagogischen Institut Luzern (RPI) vermittelt wird. Religionspädagoginnen und -pädagogen bewegen sich mit eigenem Profil in den kirchlichen Aufgabenfeldern und tragen durch den Erwerb vielfältiger Kompetenzen, nicht zuletzt einer eigentlichen Vernetzungskompetenz, Wesentliches zum Gelingen des liturgischen Lebens der Kirche bei.

Notwendige Unterscheidung von Liturgie und Katechese

Grundlegend für die Übernahme von Verantwortung im liturgischen Bereich ist die professionelle Differenzierung von Liturgie, schulischem Religionsunterricht und Katechese. Es ist zu unterscheiden, ob Glaube als Lerngegenstand vermittelt, oder aber als «heiliges Spiel» inszeniert und gefeiert wird. Weder sind Gottesdienste eine besondere Variante katechetischer Lernarrangements, noch dürfen liturgische Elemente im Unterricht didaktisch verzweckt werden. Jede liturgische Feier ist im Selbstverständnis der Kirche «in vorzüglichem Sinn heilige Handlung, deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche an Rang und Mass erreicht», in ihr wird «die Heiligung des Menschen bezeichnet und in je eigener Weise bewirkt» (SC 7). Dass diese konziliare Hervorhebung von Liturgie nicht gegen, sondern im Gesamt der kirchlichen Grundvollzüge Verkündigung, Liturgie, Diakonie (und Koinonia) verstanden und gelebt werden muss, steht ausser Frage. Sachverständiges religionspädagogisches Handeln unterscheidet die entsprechenden Anforderungen und stellt gleichzeitig wertvolle Verbindungen her.

Von liturgischer Seite her wird eine seit Jahren verbreitete Praxis von «katechetischen Gottesdiensten» kritisch beurteilt. Es ist sinnvoll und wichtig, Gottesdienste «der Fassungskraft der Gläubigen» (SC 34) – seien sie nun 4- oder 84-jährig – anzupassen.1 Problematisch war und ist jedoch, wenn liturgietheologische Anforderungen übergangen werden: Statt gefeiert wird belehrt und moralisiert. Das Wort Gottes bzw. das Feiergeheimnis gerät aus dem Zentrum und wird durch ein «Thema» oder eine «Geschichte» ersetzt, rituelle Gesetzmässigkeiten werden unterlaufen und «Symbole» unsachgemäss eingesetzt. Wie es (trotz und mit viel gutem Willen) zu dieser für das liturgische Feiern nachteiligen Entwicklung kommen konnte, ist nicht monokausal zu beantworten. Ein nüchterner Blick in die Praxis zeigt schlicht: Die notwendige «spirituelle Wende»2 in der (Kinder-) Liturgie ist noch nicht vollzogen.

Ars celebrandi – die Kunst des Feierns

Wie kann Liturgie als Begegnung von Gott und Mensch sowie von Menschen untereinander in rituell verdichteter Weise gelingen? Wie ist der Raum zu gestalten, damit Gott am Menschen heiligend und heilvoll wirken kann und der Mensch in existenzieller Weise darauf zu antworten vermag?

Liturgiewissenschaftlich wird aktuell über neuere Ansätze liturgischer Mystagogie und liturgischer Bildung nachgedacht.3 Grundsätzlich wirkt der Gottesdienst selbst mystagogisch, indem er die Gegenwart Gottes und die Mysterien des Glaubens feiert. Jede Liturgie ist Hinführung zu Gott und wandelt unser eigenes Leben geheimnisvoll in das Leben Gottes hinein. Damit dies für die Mitfeiernden spür-und erfahrbar werden kann, bedarf es einer «kunstvoll», d. h. mit Wissen und Erfahrung, mit Vorstellungsvermögen, Intuition und Empathie gestalteten Feier, und damit einer ars celebrandi. Immer geht es dabei darum, dass Liturgie sowohl «gottvoll» (Paul M. Zulehner) als auch «menschenfähig» sein kann.

Unterschiedliche Elemente und Faktoren tragen zu einer mystagogischen Liturgie bei: das Verstehen des Wesens von Liturgie, das Wissen um die Vielfalt möglicher Feierformen, ihrer Elemente und Gebete, der sachgemässe Einsatz von liturgischen Diensten, von Zeichenhandlungen und Symbolen, Liedern und Musik, das Verstehen ritueller Gesetzmässigkeiten bzw. innerer Strukturgesetze sowie die eigene liturgische Rollenkompetenz. Als Kommunikationsgeschehen bedarf Liturgie einer sorgfältigen verbalen wie nonverbalen Sprache; auch dies ist eine erlernbare Kunst. Darüber hinaus gehört zu einer verantwortlich gestalteten Liturgie das Ernstnehmen der Lebenssituationen der Mitfeiernden ebenso wie das Wissen um komplexe gesellschaftliche und kirchliche Herausforderungen. Liturgie steht grundsätzlich in einem gewissen Spannungsfeld von Liturgietheologie, liturgischem Recht und pastoraltheologischen Anforderungen. Nicht selten wird der Gottesdienst, besonders die Eucharistiefeier, praktisch zu einer Art «Stellvertreter-Kampfplatz» für kirchenpolitische Themen. Unstimmigkeiten im Seelsorgeteam wirken sich ebenfalls nachteilig auf ein würdiges Feiern aus. Dies alles erfordert einen umsichtigen Blick für die Zusammenhänge, in denen Liturgie steht, und ein entsprechendes Handeln.

Liturgische Bildung

An liturgischer Bildung führt heute kein Weg vorbei. Der unübersehbare Traditionsabbruch im Bereich gelebter christlicher Glaubenspraxis führt dazu, dass viele Kinder wie auch Erwachsene einer «Kultur des Gottesdienstes»4 verständnislos gegenüberstehen. Bereits das Zweite Vatikanische Konzil betonte die Notwendigkeit liturgischer Bildung zur Förderung einer vertieften und authentischen Glaubenspraxis (vgl. SC 14 und 19) und förderte entsprechende pastoralliturgische Bestrebungen (vgl. SC 43–46).5

Religionspädagogik als Wissenschaft der Gestaltung religiöser Bildungsprozesse hat mit Blick auf liturgische Bildung vielfältige Lernorte im Blick: Schule, Katechese, Ministrantenpastoral, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung. Liturgische Bildung als Teil von Katechese unterstützt das Mitfeiern- Können. Schon kleine Kinder sind «liturgiefähig». Ganz elementar werden menschliche Fähigkeiten wie Gemeinschaft pflegen, spielen, zuhören, danken, teilen und feiern bewusst gefördert und altersgemäss Glaubensinhalte sowie spezifische liturgische Fähigkeiten vermittelt. Einfache Gebete und liturgische Formen, die nicht nur als «Vorübungen» zu verstehen sind, gehören ebenfalls zum katechetischen Lernfeld. Sinnvollerweise finden diese in der Pfarrkirche und an weiteren geeigneten Orten statt, nicht (nur) im Unterrichtsraum. Gemeindekatechetisches Handeln hat aber nicht nur Kinder, sondern ebenso Jugendliche und Erwachsene im Blick. So gehört beispielsweise liturgische Bildung, die ein tieferes geistliches Verstehen von Liturgie ermöglicht, zum Gesamtkonzept einer verantworteten Ministrantenpastoral. Dass liturgische Bildung in entsprechender didaktisch-methodischer Form für den Bereich der Erwachsenenbildung anregend und fruchtbar sein kann, zeigen Erfahrungen von Pfarreien, die sich auf dieses eher ungewohnte Bildungsthema eingelassen haben.

Für liturgische Bildung am Lernort Schule sind bestimmte Faktoren besonders zu berücksichtigen. Ein wichtiges Stichwort dazu ist das Ernstnehmen von Heterogenität, beispielsweise was liturgische Vorerfahrungen von Schülerinnen und Schülern angeht. Ein Erfordernis schulischer Bildung ist die sachgemässe Formulierung von Zielen. «Die Kinder nehmen oft und gerne an der sonntäglichen Messfeier teil», ist beispielsweise kein solches Ziel. Ob Kinder und ihre Eltern am Gottesdienst der Gemeinde teilnehmen, liegt letztlich in der Verantwortung einer familienfreundlichen Pastoral und hängt wesentlich von der Ausstrahlungskraft der vor Ort gefeierten Liturgien ab.

Vernetzungskompetenzen im Dienst von Liturgie

Religionspädagoginnen und -pädagogen sind durch ihre vielfältigen Arbeitsbereiche zunächst einmal gut «vernetzt»: mit Kindern, Jugendlichen und Eltern über Schule, Katechese und kirchliche Jugendarbeit, mit Erwachsenen im Bereich der Erwachsenenbildung. Sie teilen mit diesen Menschen Alltag und wissen über langjährige Kontakte um deren Bedürfnisse, auch religiöse und rituelle. Diese gelebten Beziehungen sind für das gottesdienstliche Feiern, gewissermassen im «Vorfeld» von Liturgie, von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Am Beispiel von Jugendlichen lässt sich dies verdeutlichen: Keine Pfarrei kann Jugendgottesdienste einführen, ohne dass bereits tragfähige Beziehungen zu den Jugendlichen bestehen. Wird ein Jugendgottesdienst per Pastoralplanung einfach verordnet, bleibt der Erfolg aus. Gelingen kann ein solches Projekt, wenn eine Beziehungsbasis besteht, z. B. über einen erfolgreichen Firmkurs. Der Gottesdienst – vielleicht zunächst aber ein anderes Gefäss für spirituelles Erleben – wird mit Jugendlichen zusammen partizipativ, allenfalls auch ökumenisch, entwickelt. Dies aber bedingt Kompetenzen im Fachbereich kirchliche Jugendarbeit. Davon auszugehen, dass «Jugendliche dies ja gar nicht wollen» oder kein Interesse an Spiritualität hätten, widerspricht Ergebnissen entsprechender Studien. Nicht von ungefähr ist in der kirchlichen Jugendarbeit heute Mystagogie ein grosses Thema. Dort, wo es gelingt, mit Jugendlichen Jugendliturgien, und entsprechend mit Eltern Kleinkinderfeiern oder Familiengottesdienste zu gestalten, gilt aber auch: Die ehrenamtlich Mitarbeitenden haben ein Anrecht auf inhaltliche Begleitung und organisatorische Unterstützung.

Vernetzungskompetenzen im eigentlichen Sinn erbringen Religionspädagogen und -pädagoginnen dort, wo theologische Inhalte mit religionspädagogischem Knowhow verbunden und praktisch umgesetzt werden. Bekannte Beispiele dafür sind die Initiationssakramente Erstkommunion und Firmung. Hier finden Sakramententheologie, Liturgiewissenschaft, Gemeindekatechese und Jugendarbeit zusammen. Mit Blick auf die sakramentale Initiation, die es vorzubereiten gilt, wird die Sakramentenkatechese geplant und durchgeführt. Dies findet durchaus nach verschiedenen theologischen wie lebensweltlichen Gesichtspunkten statt. Die Sakramentenfeier selbst ist aber nicht Katechese. Sie ist auch nicht beispielsweise «der Abschluss des Firmwegs», in welcher in erster Linie der Firmweg rekapituliert wird. Die Feier gestaltet sich bewusst nach liturgietheologischen Gesichtspunkten und ist gerade deshalb als Feier erlebbar.6

Als aktuelles Beispiel für Vernetzungskompetenz sei die neue Herausforderung durch Pastoralräume bzw. Seelsorgeeinheiten genannt: Wie soll hier künftig Liturgie gefeiert werden?7 Dabei geht es nicht nur um sonntägliche Gottesdienste, sondern auch um Liturgien an Hochfesten: Welche Gottesdienste finden beispielsweise an Heiligabend für Kinder und Familien statt, und wo? Auch bei der Ausarbeitung von neuen liturgischen Konzepten ist es sinnvoll, liturgie- und pastoraltheologische Anforderungen mit religionspädagogischer Unterstützung und Methoden beispielsweise der soziokulturellen Animation (Projektarbeit usw.) anzugehen.

Qualitätssicherung in der Liturgie

Zur religionspädagogischen Tätigkeit gehört, entsprechend den Erfordernissen zeitgemässer Pädagogik, das kritische Auswerten der eigenen Arbeit. Unterricht wird mit Lernzielen und Faktoren zur Zielüberprüfung geplant, anschliessend wird die Zielerreichung reflektiert.

 Auch im Bereich liturgischen Feierns ist kritische Selbstvergewisserung unerlässlich: Gottesdienste können und sollen ebenfalls auf ihre Qualität hin befragt werden. Entsprechend den Anforderungen an die oben genannte ars celebrandi gibt es dafür Kriterien. Tatsächlich findet sich die Sorge um Qualitätssicherung in vielen Bereichen heutigen Lebens; wie es scheint, ist dies aber noch kein Standard hinsichtlich der Liturgie. Qualitätssicherung fängt bei kleinen Dingen an («Sind unsere Fürbitten formal und inhaltlich sinnvoll gestaltet?») bis hin zu grossen Fragen wie: Welche Liturgien bieten wir eigentlich an und für wen? Weshalb finden viele Menschen mit spirituellen Sehnsüchten und religiösen Bedürfnissen den Weg nicht in unsere Gottesdienste?

 Alle, die hauptamtlich liturgisch tätig sind in der Pfarrei, Pfarrer und Diakon, Gemeindeleiterin und Pastoralassistent, Religionspädagogin und Katechet, teilen sich die Verantwortung für die liturgische Zusammenarbeit und die ständige Bereitschaft zur Reflexion. Nicht selten fehlt das Bewusstsein dafür, und eingeschliffene Traditionen oder belastete Beziehungen tun das ihre dazu. Eine konstruktive Alternative dazu wäre ein bewusstes Aufbauen und Stärken einer Gottesdienst- und Feedback-Kultur, die eine Auseinandersetzung darüber einschliesst, was für die Beteiligten selbst «gute» Liturgie ist. Erfahrungsgemäss bringen ein offener Austausch und gegenseitige konstruktive Rückmeldungen schon viel Verbesserung für die Ausstrahlung des liturgischen Angebots einer Pfarrei. Weitere Fragen wären: Wer nimmt an welchen liturgischen Weiterbildungen teil, und wie kann dieses Wissen anschliessend wirksam werden? Bekommen wir von uns nahestehenden, aber auch kirchenfernen Pfarreiangehörigen ehrliche Feedbacks? Wie könnten wir diese aktiv einholen, evtl. sogar Interessierte beiziehen? Wer aus unserem Team hat ein besonderes liturgisches, rituelles oder sprachliches Talent, und wie können die anderen davon profitieren?

Religionspädagoginnen und -pädagogen werden dazu ausgebildet, liturgisch Mitverantwortung zu übernehmen. Sie haben einen eigenen Standort innerhalb der kirchlichen Mitarbeitenden und bringen spezifische Kompetenzen ein – auch für die Liturgie in ihren vielfältigen Bezügen.

1 Vgl. Gottesdienst mit Kindern. Direktorium für Kindermessen. Überlegungen und Anregungen zur Messfeier. München 102011 (überarbeitete Neuauflage; bes. Direktorium Nr. 2; 3; 13).

2 Christiane Bundschuh- Schramm: Gottesdienste für und mit Kindern. Für eine spirituelle Wende in der Kinderliturgie, in: Anzeiger für die Seelsorger 116 (2007), Heft 1, 34–37.

3 Vgl. beispielsweise Winfried Haunerland / Alexander Saberschinsky (Hrsg.): Liturgie und Mystagogie. Trier 2007.

4 Andreas Odenthal: Menschenwelt und Gottesdienst, in: Katechetische Blätter 129 (2004), 409–414, hier 413.

5 Vgl. das Dokument der SBK: Liturgische Bildung in den Diözesen der Schweiz: Zielsetzungen und Zuständigkeiten, vom 4. Juni 2007, veröffentlicht in: SKZ 176 (2007), Nr. 26, 455–457.

6 Vgl. dazu etwa: Nicola Ottiger: Der Erstkommuniongottesdienst. Liturgietheologische Überlegungen und Hilfestellungen, in: Netzwerk Katechese (Hrsg.): Auf dem Weg zur Eucharistie. Eine Arbeitshilfe. Luzern 2014, 22–43.

7 Grundsätzlich zur Problemstellung: Alexander Saberschinsky: Wandel und Umbrüche. Gottesdienstfeier zwischen liturgietheologischem Anspruch und pastoralen Strukturreformen, in: Gottesdienst 43 (2009), 169–171.

Nicola Ottiger

Interviewpartnerin: Nicola Ottiger

Dr. Nicola Ottiger ist Dozentin für Dogmatik, Liturgiewissenschaft und Fundamentaltheologie am Religionspädagogischen Institut RPI der Theologischen Fakultät der Universität Luzern.