Leserbrief

Zum Artikel «Kirchenaustritte – Ursachen und Anlässe» von Arnd Bünker (SKZ 06/2021)

Welche Bedeutung den Kirchenaustritten zugemessen wird, hängt u. a. davon ab, welche Bedeutung der Kirche zugemessen wird. Es gibt das Schlagwort: «Jesus hat das Reich Gottes verkündet, gekommen ist aber die Kirche». An dieser allzu vereinfachenden Feststellung ist meiner Meinung nach etwas Richtiges. Dazu drei Hinweise: Ganz zu Beginn der Kirche bedeutete die Taufe eine Herausnahme aus dem heidnischen Kontext und eine Unterstellung in den Machtbereich Jesu Christi. Bei den apostolischen Vätern verschob sich der Charakter der Taufe zu einem gesetzlich verstandenen Eintrittsritus in die Kirche. Zur Zeit dieser Väter wurde der Bischof in dem Sinn mit Jesus Christus identifiziert, dass man sagte: Wo der Bischof ist, da ist Jesus Christus. In dieser Zeit wurde das Brot in der Eucharistie zu etwas Eigenwirksamen, wenn es als Heilmittel der Unsterblichkeit verstanden wurde.

Das Kirche-Sein und die Vollzüge der Kirche wurden ab da langsam etwas in sich Abgeschlossenes, die Unmittelbarkeit des Verhältnisses zu Gott und zum auferstandenen Christus wurde sehr schwach. Das war nicht die Schuld der Christinnen und Christen der dritten oder vierten Generation, sondern eher eine Folge der menschlichen Erbschuld, d. h. einer Abgeschlossenheit des Menschen gegenüber Gott. In unserer Zeit, die eine Wendezeit zu sein scheint, erwacht ein neues Verlangen und Suchen nach Unmittelbarkeit, das sich z. B. in der Praxis fernöstlicher Meditationspraxis zeigt. Zu dieser Suche steht eine Kirche, die sich als Vermittlerin zwischen Gott und Mensch versteht, quer. Wie das erwähnte Schlagwort andeutet, vollzieht sich der Glaube nicht in kirchlichem Leben, sondern ist ein existenzieller Lebensvollzug, der sich u. a. in kirchlichem Leben ausdrückt. Dass etwa die Mitglieder der Kirche nicht schon seit Jahrzehnten durch ein einfaches Leben in der existenziellen Nachfolge Jesu Wegbereiterinnen und Wegbereiter für eine zukunftsfähige Lebensweise sind, zeugt meines Erachtens von der Abgehobenheit des allzu verkirchlichten Glaubenslebens.

Wendelin Fleischli, Wassen UR, per E-Mail