Kritische Reflexion für das Umweltmanagement

Die Klimajugend strebt gerade mit mehreren Aktionen an Schulen und Hochschulen eine Wiederbelebung der Bewegung an. Science Rebellion macht Schlagzeilen, weil Schweizer Forscherinnen durch zivilen Ungehorsam auffallen. 

Die Herausforderungen des Klima- und Umweltschutzes haben trotz Pandemie und Ukraine-Krieg nichts an ihrer Dringlichkeit verloren. Nur sind diese Anliegen (wieder einmal) etwas aus dem Blick geraten. Protest-Aktionen mögen da helfen, die beständige Ausbildung und Forschung zu diesen Themen ist leiser aber unabdingbar. Denn die Umsetzung der Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft braucht Beharrlichkeit und Fachwissen.

Seit der Schaffung des Lehrstuhls für Environmental Humanities an der Universität Freiburg i.Ü. im Jahr 2018 sind wichtige Strukturen entwickelt worden, damit die grundständige Ausbildung junger Menschen und die umweltgeisteswissenschaftliche Forschung junger Talente für das zukünftige Klima- und Umweltmanagement vorwärtsschreiten kann. Diese Entwicklungen sind etwas leiser als die politischen Aktionen der Klimajugend oder von Sci-ence Rebellion, damit aber kaum weniger wichtig.

Interdisziplinäre Bildung mit geisteswissenschaftlichem Fokus

Zentrales Gewicht haben in der Ausbildung an der Universität Freiburg die Umweltgeistes-wissenschaften. Als eine der wenigen Universitäten europaweit bietet sie ein umweltwissenschaftliches Studium mit speziellem Fokus auf Umweltgeisteswissenschaften und Ethik an. Dieser einzigartige Fokus war nur mit der Schaffung der Professur für Environmental Humanities und einem eigenen Institut, dem UniFR_ESH Institut, möglich. Als geschäftsleitende Stelle koordiniert der Lehrstuhl sämtliche Lehre in Umweltwissenschaften an der Universität.

Seit 2018 wurden die bereits seit 2004 bestehenden Nebenfachstudiengänge im Bachelor klarer strukturiert und explizit mit einem geisteswissenschaftlichen Schwerpunkt ausgestattet. Dabei sind diese Studiengänge klar auf Interdisziplinarität ausgerichtet. Die Studierenden eignen sich ihr Fachwissen mit den jeweiligen Spezialistinnen und Spezialisten an. Ethik als Spezialdisziplin eignet sich dabei besonders als Methode, um Brücken zwischen den verschiedenen Disziplinen zu bauen. Nachhaltigkeitsentscheidungen und deren Umsetzung beinhalten immer auch ethische Fragestellungen.

Dieses bewährte Konzept konnte im Herbst 2020 in einen neuen Masterstudiengang überführt werden. Dieser verfügt ebenfalls über einen speziellen Fokus in Umweltgeisteswissenschaften und Ethik. Darüber hinaus besuchen die Studierenden nachhaltigkeitsrelevante Kurse in Biologie, Geowissenschaften, Umweltrecht und -ökonomie sowie je nach Wunsch in der Theologie oder in weiteren Geisteswissenschaften. Auf die bereits laufenden interdisziplinären Masterthesen freuen wir uns ganz besonders, denn jede Arbeit zeigt auf ihre Art die Bedeutung ethischer Analyse. Eine der ersten dieser Arbeiten gewann 2022 den Ethik-Preis des Hochschulrates der Universität Freiburg.

Philosophische Forschung für die Praxis

Qualitativ hochstehende und überzeugende Lehre ist nur möglich, wenn die Lehrenden in der Forschung und Praxis auf höchstem Niveau arbeiten. Entsprechend hat das UniFR_ESH Institut in den vergangenen Jahren an einer Reihe von Forschungsvorhaben mitgewirkt und Gelder eingeworben, um eigene, praxisrelevante Forschung zu betreiben – und das mit ansprechendem Erfolg.

Für die ethische Entscheidungsfindung in der Praxis entwickeln wir zurzeit ein Modell, das Praktikerinnen und Praktiker bei der Analyse und Entscheidung konfliktträchtiger Fälle unterstützt. Wir orientieren uns dabei an bekannten Modellen in der Medizinethik. Solche Fragen betreffen z. B. Konflikte zwischen der Gewinnung erneuerbarer Energie mittels Windkraft und dem Erhalt eines natürlichen Landschaftsbildes. Zukünftig ist geplant, diese Forschungstätigkeit auch auf institutionelle Strukturen für das Management ethischer Expertise zu erweitern.

All dies wäre nicht möglich, ohne die Schaffung des neuen Lehrstuhls für Environmental Humanities. Wir sind überzeugt davon, dass ein geisteswissenschaftlicher Zugang zu Umweltherausforderungen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung ist. Sei dies durch praxisrelevante Forschung oder durch die Ausbildung junger Menschen mit entsprechend erweiterten umweltwissenschaftlichen Kompetenzen.

Ivo Wallimann-Helmer

 

Seit 1949 unterstützen die Katholikinnen und Katholiken der Schweiz die Universität Freiburg/CH mit der Kollekte am Hochschulsonntag, der jeweils am 1. Adventssonntag gefeiert wird. Mit diesen Spenden wurden auch im Jahr 2022 die beiden Schwerpunkte «Ethik» und «Umweltgeisteswissenschaften» finanziert. Weitere Informationen zum Hochschulsonntag finden Sie unter www.unifr.ch/hsr/de/hochschulsonntag.


Ivo Wallimann-Helmer

Ivo Wallimann-Helmer ist seit 2018 Professor für Umweltgeisteswissenschaften an der Universität Freiburg i.Ü. und Direktor des UniFR_ESH Instituts.