Kraft, Licht und grosse Versprechen

Der Kölner Dom ist ein weltberühmtes Bauwerk im Stil der spätmittelalterlichen Gotik und gehört seit 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Das Projekt silentMOD lud zu einer einmaligen Neubetrachtung ein.

Uraufführung der SilentMOD-Installation im Kölner Dom mit Licht- und Laserinstallationen und untermalt mit elektronischer Musik. (Bild: Oliver Wachenfeld)

 

Etwa 50'000 Menschen folgten der Einladung zu einem aussergewöhnlichen, jugendpastoralen Event. Das Projekt hiess silentMOD. Ziel war es, den Kölner Dom während der jährlich stattfindenden Computerspiele-Messe «gamescom» magnetisch zu inszenieren.

Der Kölner Dom, dieses gewaltige und beeindruckende Bauwerk mitten in der Innenstadt, das manchen so vertraut scheint, sollte anders aussehen, anders klingen, sich anders anfühlen. Der Titel brachte zwei Dimensionen dieses Events zusammen. MOD leitete sich von «Modification» (Veränderung) ab, einem Begriff aus der Computerspielewelt, der besagt, dass die Inhalte von Nutzern erweitert oder verändert werden sollen. Und «silent» stand für den Ruhemodus, das Stand-by am PC, als Hilfe zur Konzentration bzw. Fokussierung auf das Wesentliche, also einen Zustand kraftvoller Ruhe.

Laser im Dienst der Verkündigung

Aus der künstlerischen und theologisch-spiri- tuellen Perspektive war das Konzept von silentMOD einfach und prägnant. Es ging nicht darum, dem Dom etwas hinzuzufügen, sondern die vorhandenen Kraftlinien des Domes zu verstärken. Die Mystik des kirchlichen Raumes wurde neu erschlossen, indem die Ausdruckswelten der Gamer mit dem architektonischen Zeugnis synchronisiert wurden. Das vom Projektteam erarbeitete Konzept zeigte den Dom von 22 Uhr bis 2 Uhr nachts in erweiterter Gestalt: mit Laserlicht im Innenraum, einer 3D-Mapping-Installation auf dem Westportal, einer eigens für das Event komponierten elektronischen Musik, drei choreografierten Industrie-Robotern auf der Altarinsel und einem eigenen Duft. Der Raum und die Oberflächen des Gebäudes wurden also modifiziert, um aus Gamer-Perspektive auf die zeitlose Botschaft des Domes zu fokussieren. Die gesamte Inszenierung gipfelte in einer Choreografie der Roboterarme, die mit Laserstrahlen den Kirchenraum absuchten, und in einem elektronisch pulsierenden Musikhöhepunkt auf Christus am Kreuz in der Apsis verweisend.

So wurde die steingewordene Geschichte der Sternendeuter1 auf der Suche nach Christus wortlos und trotzdem sinnlich-emotional zugänglich. Licht, Ton, Duft, Raum und Haptik2 waren aber nicht blosse Illustration, Illumination oder Dekoration, sondern jedes Detail und das Konzept im Ganzen waren Verkündigung. Zu den sichtbaren Instrumenten der Inszenierung kamen auch persönliche Worte. So standen den Besuchern etwa 50 jugendliche Volunteers und 20 Seelsorgeprofis, die vom Projektteam geschult wurden, als präsente Ansprechpartner zur Verfügung.

Inszenierte Gottsuche

Die Rückmeldung der Besucher bestätigte uns darin, dass silentMOD ein genau passender Typ von Glaubenssprache war: profiliert, aber höflich; modern, aber nicht selbstausliefernd; sprechend, aber aus dem Zuhören heraus. Der Dom mittendrin wurde ein Teil der Eventkultur einer modernen Stadt und gab dabei seine Botschaft gerade nicht auf, sondern ein. Die Gottessuche so zu inszenieren und sich in ihr diskret verorten zu können, wirkte auf viele – übrigens auch auf potente Förderer aus der nichtkirchlichen, wirtschaftlichen Welt.

Das Projektteam erfuhr immer wieder und auch von unverhoffter Seite eine bemerkenswerte Bereitschaft, das Projekt zu unterstützen. Es bestätigte sich stetig, dass auf eine kleine Bewegung auf die Menschen in ihren Lebenswelten und Ausdruckssprachen ein viel grösseres Entgegenkommen folgt.

Unser Fazit: Wir haben allen Grund, uns als Christen ruhig auch grosse Dinge zuzutrauen. Und was Kirche als Schatz von Weisheit und Deutung anzubieten hat, ist nach wie vor relevant. Kirche hat grosse Personen, starke Biografien und nicht zuletzt auch beeindruckende Bauten. All dies müssen wir auf der Bühne des Selbstbewusstseins präsentieren können und nicht in einer Seitengasse der Gesellschaft verstecken.

Matthias Sellmann und
Michael Swiatkowski

 

1 Im Kölner Dom werden seit 1164 die Gebeine der Heiligen Drei Könige aufbewahrt.

2 Die Lehre vom Tastsinn.

* Prof. Dr. Matthias Sellmann (Jg. 1966) ist Gründer und Direktor des Zentrums für angewandte Pastoralforschung (ZAP) und Professor für Pastoraltheologie an der Ruhr-Universität in Bochum (D).

** Michael Swiatkowski (Jg. 1980) ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kompetenzzentrum «Digitale religiöse Kommunikation» am Zentrum für angewandte Pastoralforschung (ZAP) und war Projektleiter des Events silentMOD.

Informationen zum Projekt unter www.silentmod.de