Konversionen trotz Repression

40 Jahre nach der Revolution und der Errichtung des islamischen Gottesstaates im Iran leeren sich die Moscheen und füllen sich die evangelikalen Hauskirchen.

Seit Beginn des Gottesstaates im Iran spriessen illegale christliche Hauskirchen evangelikaler Prägung wie Pilze aus dem Boden, aber vor allem unter den iranischen Flüchtlingen im Westen wird der Anteil der Konvertiten zum Christentum immer grösser. Viele dieser iranischen Konvertiten erlitten Gewalt und Folter im Namen des Islam. Die Abkehr vom Islam und die Hinwendung zum Christentum sind für sie deshalb oft mit einer Befreiung verbunden.

Wachsendes Christentum

Vierzig Jahre nach der islamischen Revolution im Iran erleben gerade die gebildeten und kritischen Bevölkerungsschichten den Islam als zunehmend korrupt und repressiv. Davon kann das Christentum profitieren. «Die christliche Kirche im Iran ist zwar klein, aber sie wächst schnell. Es ist schwierig, zu sagen, wie viele Iraner tatsächlich Christen sind, weil der grösste Teil der christlichen Kirche zu einem Dasein im Untergrund gezwungen ist. Aber es kann mit Sicherheit gesagt werden, dass seit der islamischen Revolu- tion von 1979 viel mehr Menschen Christen geworden sind als in den ganzen 1300 Jahren, seit der Islam nach Persien gekommen ist», so heisst es auf der Homepage der persischsprachigen christlichen Gemeinde Winterthur. Heute sollen im Iran bis zu 1 Mio. Christen mit muslimischem Hintergrund leben. Die Schweizer Flüchtlingshilfe geht in einem Papier von 2018 sogar von bis zu 3 Mio. Persern aus, die zum Christentum konvertiert sein könnten.*

Das schnelle Wachstum des Christentums im Iran führt dazu, dass einige muslimische Führer die Strategien des Staates, um den Einfluss des Christentums einzudämmen, als gescheitert ansehen. Das berichtete vor Kurzem die christliche  iranische Nachrichtenagentur Mohabat. Demnach äusserte sich einer der führenden islamischen Gelehrten im Land, Ayatollah Alavi Boroujerdi, besorgt darüber, dass sogar in der Millionenmetropole Ghom, dem religiösen und geistigen Zentrum des schiitischen Islam, sich vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, trotz vehementer islamischer Indoktrinierung durch Schule und Öffentlichkeit, in christlichen Hauskirchen träfen. Obwohl der Druck von Familien und Gemeinschaften auf christliche Konvertiten gross ist, ist die Gesellschaft dennoch viel weniger fanatisch als ihre Führung. Die Hardliner innerhalb der iranischen Führung stehen dem Christentum wie allen religiösen Minderheiten eher feindlich gegenüber und machen vor allem den Christen mit muslimischem Hintergrund das Leben schwer. Die traditionellen Gemeinschaften armenischer und assyrischer Christen werden hingegen von der Regierung als das «wahre und traditionelle Christentum» dargestellt, um andere Christen, insbesondere solche, die früher Muslime waren, als «falsche» Christen bezeichnen zu können. Die Christen aus den traditionellen Kirchen dürfen in ihrer jeweiligen Muttersprache Gottesdienst feiern, ihnen ist es jedoch verboten, in der Landessprache Farsi Gottesdienst zu halten und zu predigen. Obwohl sie formell anerkannt und gesetzlich geschützt sind und drei eigene Vertreter ins Parlament entsenden dürfen, werden auch die anerkannten assyrischen und armenischen Christen als Bürger zweiter Klasse behandelt.

Iraner im Exil

In den USA wurden von den im Lande lebenden 2 Mio. Iranern bereits ein Viertel Christen. Ähnlich ist es unter den Flüchtlingen aus dem Iran in Europa. Die Kirche von England feierte Anfang März erstmals in ihrer Geschichte einen Gottesdienst in der persischen Nationalsprache Farsi in der Kathedrale von Wakefield. Die Messfeier mit rund 450 Teilnehmern war «Ausdruck der zunehmenden Zahl von Glaubensübertritten iranischer Migranten», meldete Radio Vatikan. In den Kirchen Europas herrscht Verwirrung, wie auf Menschen zugegangen werden soll, die sich entschieden haben, dem Islam abzusagen, um mit Christus in ihrem Leben einen neuen Anfang zu machen, zumal diese Massenabkehr vom Islam mit einer verstärkten muslimischen Zuwanderung aus denselben Regionen zusammenfällt. Manche europäische Christen unterstellen ihnen, dass viele nur die Taufe wollen, um leichter eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, andere bezeichnen gerade diese Christen als Bewährungsprobe eines echten christlich-islamischen Dialogs.

Bodo Bost

 

* Offiziell gehören 90 Prozent der 80 Mio. Einwohner des Iran zum schiitischen Zweig des Islams, 8 Prozent sind Sunniten. Die offizielle Zahl der traditionellen armenischen und assyrischen Christen im Lande liegt bei 360'000. Eine genaue Zahl über die in der Untergrundkirche lebenden Christen gibt es nicht.


Bodo Bost

Bodo Bost studierte Theologie in Strassburg und Islamkunde in Saarbrücken. Seit 1999 ist er Pastoralreferent im Erzbistum Luxemburg und seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Public Responsibility an der kircheneigenen Hochschule «Luxembourg School of Religion & Society».

 

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