Komplexer als dargestellt

Fr. Peter Spichtig op nimmt Bezug auf «Geborgen in der Tiefe des Glaubens» (SKZ 17/2019) und bringt erstaunliche Details der Baugeschichte ans Licht.

Die Krypta St. Luzi im Zustand von 1991 bis 2018. Gestaltung: Alois Spichtig (Abdeckung von Wandnische und bisheriger Altarmensa, Altar, Tabernakel, Leuchten und Kruzifix neu. Nicht auf dem Bild: Labyrinth-Relief, Bänke). (Bild: Alois Spichtig)

 

In der Rubrik «Mein Kraftort» bringt Rosmarie Schärer der Leserschaft die romanische Hallenkrypta der Kirche des Priesterseminars St. Luzi in Chur nahe. Dass dieser historisch bedeutende, eindrückliche und doch wenig bekannte Ort ins Bewusstsein gehoben wird, ist erfreulich. Die Darstellung der zeitgeschichtlichen Veränderungen der Krypta könnte dabei jedoch Anlass zu Missverständnissen bieten, was nach einer Klärung ruft.


Das Mosaik, das seit der «rückgängig gemachten» letzten Restaurierung nun wieder «erstrahlt», und der «ursprüngliche Tabernakel» sind nicht etwa, wie der Artikel suggerieren könnte, uralt. Sie wurden auch nicht «zugemauert». Die Gestaltung des «Wandaltars» stammt aus der Zeit der letzten Innenrestaurierung, also von 1951/52, und wurde vom selben Künstler realisiert, der auch den Kreuzweg oben in der Kirche schuf: Felix Baumhauer. Mosaik und Tabernakel der Krypta wurden im Zuge des Neugestaltungsprozesses der späten 1980er-Jahre mit Zustimmung der kantonalen und der eidgenössischen Denkmalpflege durch eine weiss verputze Holzplatte bloss (reversibel) verdeckt. Man folgte damit dem Vorschlag des Künstlers Alois Spichtig, der mit seiner Gestaltung bemüht war, in sensibler Rücksichtnahme auf die archaische Raumatmosphäre eine Situation zur stimmigen Feier der erneuerten Liturgie zu schaffen. Dazu gehörte ein freistehender, fest mit dem Boden verbundener Blockaltar. Auf die Mensa des bisherigen «Wandaltares» kamen ein oktogonaler Tabernakel und passend dazu geschaffene Kerzenleuchter aus Bronze zu stehen. Darüber hing ein grosses Bronze-Kruzifix, das den ganzen Bezirk expressiv bezeichnete. Auch die Bänke wurden neu angefertigt. Es resultierte eine Beruhigung und Aufwertung des Raumes, was auch die Denkmalpflege attestierte. In die Schlussphase dieses Gestaltungsprozesses wurde der neue Bischof Wolfgang Haas aus nachvollziehbaren Gründen nicht aktiv eingebunden, was den damaligen Generalvikar und späteren Bischof Vitus Huonder veranlasste, dieses Projekt als «unter dem Zeichen der Illegitimität» stehend zu betrachten. Im Sommer 2018 liess der Bischof diese 1991 fertiggestellte Raumgestaltung «rückgängig machen». Er ordnete die materielle Zerstörung (!) des Altares an, der während 27 Jahren den Mittelpunkt der zur Eucharistiefeier versammelten Seminar- und Hochschulgemeinschaft bildete (vgl. AEM 49). Der Lehrkörper der THC wurde darüber nicht in Kenntnis gesetzt, geschweige denn, dass es irgendeine Art von öffentlicher Kommunikation oder eines Profanierungsritus gegeben hätte (Die «Südostschweiz» berichtete darüber zweiseitig am 22.9.2018). Der Verbleib der weiteren Kunstwerke ist (auch auf Nachfrage bei Mgr. Huonder im Interesse der Erben des Künstlers) unklar. Mir ist neuzeitlich, von Kriegs- und Revolutionswirren abgesehen, keine vergleichbare Vergewaltigung eines Sakralraums und seiner ordentlichen Nutzer bekannt.


Freilich kann in einem einseitigen Artikel die komplexe Baugeschichte dieses historisch herausragenden Sakralraums nicht vollständig dargestellt werden. Die Umstände der – unschönen – jüngsten Episode dieser Geschichte aber einfach zu unterschlagen, lässt doch Fragen offen.


Fr. Peter Spichtig op,
Co-Leiter Liturgisches Institut, Freiburg i. Ue.

 

Antwort von Rosmarie Schärer: Der Artikel über meinen Kraftort war eine persönliche Beschreibung der Krypta und sollte nie den Eindruck erwecken, eine umfassende kunstgeschichtliche Darstellung der Baugeschichte der Krypta zu sein. Ich möchte – als Bewohnerin des Seminars St. Luzi – auf einige Punkte eingehen:

  1. Der Altar wurde ordentlich profaniert. Die Altarplatte wird im Seminar aufbewahrt, die Reliquien wurden an die ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben. Einzig der Unterbau, eine einfache Konstruktion aus Ziegelsteinen, wurde zerstört.
  2. Die weiteren Kunstwerke werden ebenfalls im Seminar aufbewahrt.
  3. Die Hochschulgottesdienste finden seit Jahren im Oratorium oder in der Kirche St. Luzi statt, nur ganz selten in der Krypta. Deren Altar bildet somit nicht den «Mittelpunkt der zur Eucharistiefeier versammelten Seminar- und Hochschulgemeinschaft».
  4. Die «ordentlichen Nutzer» – die Seminargemeinschaft und die Besucher des öffentlichen Gottesdienstes – fühlen sich nicht «vergewaltigt», sondern schätzen mehrheitlich die jetzige liturgische Gestaltung.