Königlich und zerbrechlich

Biblische Menschenbilder

An der Jahrestagung 2013 der Vereinigung katholischer Spital- und Krankenseelsorgerinnen und -seelsorger stand die Auseinandersetzung mit biblischen Menschenbildern im Vordergrund. Der Tagungsreferent, André Flury, promovierter Alttestamentler und seit acht Jahren in der Spitalseelsorge in Bern tätig, wusste diese Bilder mit viel Fantasie vorzustellen. Die biblischen und die in der Gesellschaft präsenten Bilder prägen uns, unser Denken und Fühlen und unseren Umgang mit Menschen. André Flury stellte diese Bilder in den Zusammenhang mit der Kunst aus verschiedenen Jahrhunderten. Aktuell liess er sich inspirieren durch die Menschenplastiken von Ron Mueck. Der australische Künstler erinnert mit seinen Werken und seinem Schaffen an die Schilderungen aus dem biblischen Buch Genesis: die Erschaffung des Menschen aus Gottes Hand. In den ersten zwei Kapiteln wird dieser Vorgang recht plastisch beschrieben. Schliesslich steht der Mensch da, als gelungenes Werk, als der Mensch, der sehr gut, «ur-gut», «urgesegnet » ist. Historisch ist die Entstehung des biblischen Buches Genesis in der Zeit im babylonischen Exil angesiedelt. Das Ebenbild Gottes in Gen 1,27 orientiert sich an einer altorientalischen Königsideologie: königlich, aber trotzdem zerbrechlich. Der als gut geschaffene Mensch ist trotz allem seiner Zeit ausgesetzt. In der Schilderung von Genesis 3 steht nichts von Sünde, von Sündenfall. Es steht aber, dass die Menschen sich plötzlich ihrer Nacktheit bewusst werden. «Gott machte ihnen Röcke» (Gen 3,21). Dieses Erleben vermittelt ihnen, dass sie behütet sind. Mit Kain und Abel kommt erstmals die Sünde ins Spiel: Es ist von Neid, von Mord und Blutvergiessen die Rede.

Mit der Erschaffung des Menschen, dem im Buche Genesis geschilderten Umgang der ersten Menschen untereinander, der Sintflut, Turmbau, mit Abraham, werden uns die Sinnfragen des Lebens vor Augen gestellt: die menschlichen Erfahrungen von Geburt, Tod, Krankwerden, Gesundwerden, diese Fragen beschäftigte und beschäftigt die Menschen. Mit dem Buche Exodus kommen neue Themen dazu: die Geburt und die Rettung des Mose durch die Hebammen. Mose, der dann schliesslich die Gewalt gegen sein Volk nicht ertragen kann. Seine Suche nach Identität, die ihn heimatlos macht. Wer bin ich und wer ist Gott, diese Frage möchte Mose am Sinai beantwortet haben. Aber Gott, der «Ich bin der ich bin da», lässt sich nicht an die Hand nehmen.

«… dass du seiner gedenkst?» Die Frage aus Psalm 8 stellt Gott und Mensch in eine Begegnung. Der Tagungsreferent zeigt anhand verschiedener Psalmen die Merkmale biblischer Anthropologie auf. Ein weiteres Beispiel ist der Mensch Hiob, der in seinem Leiden von Freunden besucht wird. Sie sagen nichts, bleiben aber sieben Tage und Nächte, setzen sich zu ihm auf die Erde und halten mit ihm Trauer und Schmerz aus. Die geschilderten Menschen stellen Gott Fragen und stellen nicht Gott in Frage. Fragen stellen und von da aus klagen, das ist die Kernaussage der Psalmen. Es sind Menschen, die Leid kennen, die angefeindet sind, die Fragen stellen, klagen, bitten, sich erinnern – und – danken. Wie die Menschen aus biblischen Zeiten erleben Menschen heute Freude, Leid und Trauer. Sie begegnen uns in der Seelsorge, sowohl in Spitälern, in Heimen, aber auch Tag für Tag auf der Strasse.

Generalversammlung

Anlässlich der Jahrestagung im Mattli/Morschach fand die Generalversammlung der Vereinigung statt. Lucia Hauser eröffnet die GV mit dem Gedenken an Marlene Inauen. Die Zürcher Spitalseelsorgerin ist im März 2013 in Grenoble verunglückt. Nach langjähriger Mitarbeit im Vorstand war sie Ehrenmitglied der Vereinigung kath. Spitalseelsorge. Verabschiedet wurden Tatjana Disteli, Zürich, und Guido Hangartner, Winterthur. Neu gewählt wurden an ihrer Stelle Karin Klemm, Baden, und Lea Siegmann, St. Gallen. Durch die Theologische Hochschule Chur ist die römisch-katholische Kirche nun vernetzt mit der Programmleitung von CPT Schweiz. Der Churer Professor Manfred Belok hat neu Einsitz in der Kommission für Aus- und Weiterbildung aws, die in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund und der Uni Bern Weiterbildungen und Masterstudium in cpt (Clinical Pastoral Training) und Pastoralpsychologie anbietet. Damit ist für die Aus- und Weiterbildung der katholischen Spitalseelsorgerinnen und -seelsorger eine gute Anschlussmöglichkeit geboten. Die Informationen sind unter www.aws-seelsorge.ch abrufbar. Palliative Care war das Gesprächsthema einer Delegation des Vorstandes mit einer Delegation der DOK. Die vom Vorstand formulierten Zielvorstellungen konnten in der Kürze der Zeit noch nicht diskutiert werden. Auch die Frage, wie Vernetzung, Koordination und Informationsaustausch im Bereich Palliative Care zwischen den kirchlichen Strukturen und internen und externen Entscheidungsträgern aussehen könnte, wurde noch nicht behandelt. Der Vorstand bleibt mit der DOK im Gespräch.

Informationen über die Vereinigung Spitalseelsorge sind auf der Homepage www.spitalseelsorge.ch abrufbar.

 

Elisabeth Aeberli

Elisabeth Aeberli

Elisabeth Aeberli ist nach ihrer Pensionierung weiterhin in Teilzeit als Seelsorgerin tätig im Spital und Pflegezentrum Menziken.