Kirchliche Stiftungen: Forderung nach Transparenz

In ihrer Motion fordert Nationalrätin Doris Fiala1, dass der Bundesrat die Kriterien der Beaufsichtigung bei kirchlichen/religiösen Stiftungen präzisieren solle, insbesondere zu Stiftungszweck, Unabhängigkeitsvorschriften, Beizug einer Revisionsstelle oder Transparenzvorschriften. «Sollte der Bundesrat dies als unmöglich erachten, hat er kirchliche/religiöse Stiftungen künftig unter staatliche Aufsicht zu stellen.»

Bei den von der Motion anvisierten Stiftungen handelt es sich um privatrechtliche kirchliche Stiftungen gemäss Art. 87 ZGB. Davon zu unterscheiden sind öffentlich-rechtliche kirchliche Stiftungen, für die gemäss Art. 59 Abs. 1 ZGB öffentliches Recht vorbehalten bleibt. Nun unterscheiden sich kirchliche Stiftungen nach Art. 87 ZGB seit der Einführung des ZGB von allgemeinen Stiftungen im Wesentlichen darin, dass sie von der Pflicht befreit staatlichen Aufsichtsbehörde unterstellt sind; für die Erlangung der Rechtspersönlichkeit kein Handelsregistereintrag erforderlich war. Bekanntlich wurde letztere Bestimmung jüngst gestrichen, so dass künftig alle privatrechtlichen kirchlichen Stiftungen ins Handelsregister eingetragen werden müssen.2

Was macht die kirchliche Zwecksetzung aus?

Über diese Eigenheiten hinaus definiert das ZGB das Konzept der kirchlichen Stiftungen nicht genauer. Längst haben sich allerdings eine weitgehend konsistente Lehre und Praxis zu den wesentlichen Fragen hierzu entwickelt. Eine Stiftung kann nur dann als kirchliche Stiftung bezeichnet werden, wenn sie eine organische Verbindung zu einer Religionsgemeinschaft und eine kirchliche Zwecksetzung aufweist.

Über die Frage, was eine kirchliche Zwecksetzung ausmacht, mögen in der Lehre verschiedene Auffassungen vertreten werden. Meist wird aber vorausgesetzt, dass «nur Zwecke, die – mittelbar oder unmittelbar – dem Glauben an Gott dienen (Gottesdienst mit seinen personellen und sachlichen Grundlagen; kirchliche Lehre usw.) als kirchlich gelten sollen, und zwar ausdrücklich unter Ausschluss von sozialen und karitativen Werken, die durch die Kirchen geschaffen oder verwaltet werden, wie Krankenpflege, allgemeine Erziehungsarbeit usw.»3

In der Prüfung, ob eine zum Eintrag ins Handelsregister angemeldete Stiftung einen kirchlichen Zweck aufweist und dementsprechend als kirchliche Stiftung eingetragen werden kann, können sich heute die Handelsregister auf ausreichende Materialien abstützen, ohne dass der Gesetzgeber hier präzisierend eingreifen müsste.

Organische Verbindung zu Religionsgemeinschaft

Bei dieser Anforderung ist besonders darauf hinzuweisen, dass es nie der Wille des Gesetzgebers war, kirchliche Stiftungen gänzlich ohne Aufsicht sich selbst zu überlassen. Der Gesetzgeber stellt kirchliche Stiftungen unter die autonome Aufsicht der betreffenden Religionsgemeinschaft. «Wann immer in diesem Zusammenhang Zweifel bestehen, ob eine wirksame autonome Aufsicht gesichert ist, steht es m. E. den staatlichen Stiftungsaufsichtsbehörden zu, der betreffenden Stiftung bis auf weiteres die Qualifikation als kirchliche zu versagen und die staatliche Aufsicht (…) anzuordnen.»4

Mit der Pflicht der Eintragung kirchlicher Stiftungen ins Handelsregister ist nun auch in der Praxis die staatliche Möglichkeit gegeben zu prüfen, ob eine autonome, funktionierende Stiftungsaufsicht existiert, und ansonsten die Stiftung der staatlichen Aufsicht zu unterstellen. Eine wesentliche Forderung der Motion Fiala ist damit bereits erfüllt. Zu diesem juristischen Befund hier einige weitere Gedanken.

Revision und Transparenz

Auch wenn von Gesetzes wegen nicht gefordert, sehen gemäss Generalvikar Martin Grichting die Statuten kirchlicher Stiftungen im Bistum Chur die Prüfung der Stiftungsrechnung durch Revisoren vor.5 Dies ist auch im Bistum St. Gallen gängige Praxis. Es ist davon auszugehen, dass bei einem ansehnlichen Teil kirchlicher Stiftungen eine externe Revision gewährleistet ist. Oftmals weisen kirchliche Stiftungen zudem in Organisation, Verwaltung und Aufsicht eine grosse Nähe zu Kirchgemeinden oder Landeskirchen und deren Behörden auf, wodurch nicht bloss eine Revision, sondern auch zusätzliche Transparenz und Kontrolle bereits erreicht ist.

Kirchliche Aufsicht – staatliche Aufsicht?

Ein Vorteil der Beaufsichtigung kirchlicher Stiftungen durch eine autonome Stiftungsaufsicht der Religionsgemeinschaft selber besteht im fachlichen Wissen. Die Stiftungsaufsicht muss nämlich nicht einzig die zweckgemässe Verwendung der Gelder prüfen, sondern gerade bei älteren Stiftungen in der katholischen Kirche auch beispielsweise Fragen zur Erfüllbarkeit eines Stiftungszwecks oder zur genügenden Organisation der Stiftung beurteilen.

Bei einer Unterstellung unter die staatliche Aufsicht wäre diese letztlich auf die Auskünfte der Kirche angewiesen, um sachlich richtige Aufsichtsentscheide zu treffen. Der Motion Fiala geht es um Transparenz und Risikoprävention. Dabei scheint die Motion davon auszugehen, dass dies durch Unterstellung der Stiftungen unter die staatliche Stiftungsaufsicht grundsätzlich besser gewährleistet ist als durch eine Aufsicht durch die Religionsgemeinschaft selber. Für die jährliche und laufende Kontrolle ist hier mit Blick auf die vorhandenen Ressourcen der staatlichen Stiftungsaufsicht im Verhältnis zur Anzahl der zu beaufsichtigenden Stiftungen zumindest ein Fragezeichen zu setzen. Die Motion bleibt auch den Beweis zum Vorwurf schuldig, dem zivilen Recht werde durch die Nichtunterstellung unter die staatliche Stiftungsaufsicht in der Praxis oft nicht nachgelebt.

Selbstverständlich ist jede religiöse Stiftungsaufsicht zur professionellen Arbeit und Funktionsweise aufgefordert. Die Übergangsfrist zur Eintragung kirchlicher Stiftungen ins Handelsregister muss dazu genutzt werden, gerade bei alten kirchlichen Stiftungen entsprechende Klärungen hinsichtlich Stiftungszweck (handelt es sich überhaupt um eine kirchliche Stiftung?), Stiftungsorganisation oder Natur der Stiftung (öffentlich-rechtlich / privat rechtlich) herbeizuführen. Zudem werden gängige Governance-Kriterien bei einer religiösen Stiftungsaufsicht gerade wegen der Nähe zu den Stiftungen umso wichtiger sein. Diese Anstrengungen müssen die Religionsgemeinschaften im eigenen Interesse selber leisten, nicht zuletzt um Vorwürfen mangelhafter Rechtsanwendung oder Vetternwirtschaft entgegentreten zu können.

Warum der Fokus auf kirchliche Stiftungen?

Schliesslich stellt sich die Frage, weshalb die Motion für Transparenz im religiösen Bereich auf die privatrechtlichen kirchlichen Stiftungen fokussiert. Viel weniger Transparenz und Kontrolle ist beispielsweise für Vereine gewährleistet, die häufigste Organisationsform privatrechtlich organisierter Religionsgemeinschaften. Sollte der Verweis auf Terrorismusfinanzierung als Hintergrund dieser Motion stimmen6, schiesst die Motion am Ziel vorbei. Der Staat (in dem Fall auf der Ebene der Kantone) wäre besser beraten, in finanzielle Transparenz religiöser Organisationen, beispielsweise über das Mittel einer einfachen Anerkennung von Religionsgemeinschaften durch Kantone, zu investieren.

 

Claudius Luterbacher

Claudius Luterbacher

Dr. theol., lic. iur. can. Claudius Luterbacher ist Kanzler und Diözesanökonom im Bistum St. Gallen.