Kirchliche Dienste und Theologie – gemeinsame Verantwortung

An die theologischen Ausbildungsstätten richtet sich immer wieder dieselbe Frage: «Wie viele Studierende habt ihr (noch)?» Als selbstverständlich scheint zu gelten, dass es wenige sind, und wie ein Verhängnis, dass es immer weniger werden. Die katholische Kirchenlandschaft wirkt demgegenüber manchmal geradezu lethargisch. Nun ist die Gesamtzahl der Theologiestudierenden unbestreitbar niedriger als in früheren Zeiten. Wir – die Leitungsverantwortlichen für die drei Theologischen Fakultäten der Deutschschweiz – möchten jedoch einer resignativen Sicht der Situation entgegentreten und eine differenziertere Wahrnehmung der anstehenden Probleme vorlegen.

Zugleich möchten wir auf allen Ebenen kirchlichen Lebens darum werben, dass die gemeinsame Verantwortlichkeit für den Nachwuchs im Theologiestudium und im kirchlichen Dienst erkannt und ergriffen wird. Es braucht eine konstruktive Umgangsweise mit den heutigen Herausforderungen. Denn: Es gibt auch heute Menschen, die sich für die pastoralen Dienste interessieren und sich auf den Weg machen, sich dafür ausbilden zu lassen. Es braucht aber intensivere Bemühungen darum und eine bessere Abstimmung der Ausbildungswege auf die heutige Situation. Zugleich bedarf es einer gesamtkirchlichen Sorge für die Theologischen Fakultäten, die wegen der finanziellen Situation in der Hochschulfinanzierung und nicht zuletzt wegen der öffentlichen Imageprobleme der Kirchen unter einem hohen Legitimationsdruck stehen.

Heterogenität

Die Heterogenität der am kirchlichen Dienst interessierten Menschen ist unübersehbar. Herkunft, Alter und Lebenswege der Theologiestudierenden sind vielfältiger geworden. Es gibt nicht mehr «typische» Anwege, und entsprechend kompliziert sind die Studienverläufe. Umso mehr lastet die Entscheidung für eine solche Ausbildung und die Energie, sie erfolgreich abzuschliessen, individualisiert auf den einzelnen Personen, die je für ihre Situation geeignete Wege suchen müssen. Eine Kirche, die Interesse an solchen Personen hat, sollte stärker fragen, welche Unterstützung sie in dieser Situation anbieten kann.

Die Ausbildungsstätten sind schon seit längerem sehr intensiv gefordert, eine Flexibilisierung der Studienwege, z. B. durch Ermöglichung von Teilzeitstudien, anzubieten. Die Studiendekanate leisten in einer Zeit, in der jede/r ein Sonderfall ist, einiges an Mehrarbeit. Was die Fakultäten selbst jedoch nicht leisten können, ist die finanzielle Unterstützung von Kandidaten und Kandidatinnen, die z. B. für eine Familie zu sorgen haben, durch ein transparentes, unkompliziertes Stipendienwesen. Ebensowenig können die Fakultäten allein ein Umfeld schaffen, das mit ideeller Wertschätzung unterschiedliche Lebenswege stützt. Auch die Ermutigung für spezielle Personengruppen, z. B. für Migrantinnen bzw. Migranten, zu einem kirchlichen Dienst muss im pastoralen Bereich erfolgen. Wir sind in diesen Punkten auf die Kooperation anderer Ebenen angewiesen!

Bei näherem Hinsehen lassen sich drei Gruppen von Interessierten an einer theologischen Ausbildung unterscheiden.

 

Die Zahl derer, die direkt nach der Matura mit dem Theologiestudium beginnen, hat abgenommen – doch es gibt sie weiterhin. Für religiös und kirchlich interessierte Jugendliche ist es aber angesichts der Vielzahl von Möglichkeiten nicht leicht, ihr Interesse als lebensprägende Berufung und berufliche Perspektive zu entdecken und zu entfalten. Hier bräuchte es eigene Begegnungsmöglichkeiten, um die entsprechenden Motivationen zu stärken.

Eine zunehmende Zahl von Interessierten am kirchlichen Dienst hat bereits eine andere Ausbildung absolviert und eine Phase der Berufstätigkeit in einem anderen Metier hinter sich. Dass solche lebenserfahrenen Menschen im kirchlichen Dienst erwünscht sind, müsste in der gesellschaftlichen und kirchlichen Öffentlichkeit noch stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Da der Schritt in eine Zweitausbildung hinein Mut verlangt, tut es gut zu wissen, dass dieser Weg nicht ungewöhnlich ist.

Nicht selten sind Theologiestudierende Personen, die bereits in Pfarreien in der Katechese o. Ä. Teilanstellungen haben und sich dann für eine Weiterqualifikation durch ein Theologiestudium interessieren. Für sie ist es wichtig, dass sie mit den Personalverantwortlichen in den Bistümern klären können, mit welchen realen Chancen und veränderten Aufgaben sie nach ihrer Weiterqualifikation rechnen können. Ebenso wäre es dringlich, dass Pfarreiverantwortliche und Kirchenpflegen solchen Mitarbeitenden, die sich weiter qualifizieren möchten, in der Gestaltung des Arbeitsauftrages entgegenkommen. Diese Personengruppe ist eine wichtige Ressource für fähige und gut ausgebildete Theologinnen und Theologen im kirchlichen Dienst.

Kultur akademischer Ausbildung

Zuweilen scheint sowohl auf diözesanen wie auch auf pfarreilichen Ebenen die Meinung zu herrschen, in einer Zeit des Personalmangels sei eine gute Ausbildung verzichtbar. Interessierte sollen möglichst bald einsetzbar sein; Freiwillige oder Nebenamtliche sollten ohne lange Ausbildungswege auch hauptberuflich in den pastoralen Berufsfeldern einsetzbar sein.

Solchen Tendenzen möchten wir entschieden entgegentreten. Die Kultur einer guten Ausbildung der in der Pastoral hauptamtlich Tätigen sollte und darf (übrigens auch nach vatikanischen Dokumenten) nicht aufs Spiel gesetzt werden, auch nicht bei potenziellen Weihekandidaten. In einer Gesellschaft, in der Bildung ein hoher Wert darstellt, müssen die Seelsorgenden einen breiten Horizont haben und in einer intellektuell befriedigenden Weise Rechenschaft von dem Grund christlicher Hoffnung (1 Petr 3,15) geben können. Für eine seriöse, im Regelfall akademische Ausbildung und für den Prozess der je persönlichen Auseinandersetzung mit dem Glauben muss Zeit sein, bevor jemand dafür auch öffentlich Verantwortung übernimmt.

Wertschätzung der Diversität pastoraler Berufe

Die Theologischen Fakultäten beobachten mit Sorge, dass innerkirchliche Vorgänge, auch in den Schweizer Ortskirchen, einer ansprechenden Berufungspastoral wenig förderlich sind. Innerkirchliche Spannungen, schwierige pastorale Situationen für Priester, Diakone und Pastoralassistent(inn)en, die in der Kirche nicht hinreichend gemeinsam bearbeitet werden, ebenso wie abfällige Redeweisen über den Dienst von Laien einerseits oder über den Dienst von Priestern andererseits machen die pastoralen Dienste für potenzielle Interessenten und Interessentinnen wenig anziehend. In einer Kirche, die pastorale Mitarbeitende sucht, sind Anerkennung und wertschätzende Sprache, Hinhören auf pastorale Erfahrungen und Ernstnehmen der Mitverantwortung, wo nötig, konstruktive Auseinandersetzung zwischen Kirchenleitung und kirchlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dringend geboten.

Strukturelles Desiderat: Systematisierung der Ausbildungswege

Die Deutschschweiz verfügt über unterschiedliche qualitätsvolle Ausbildungswege zu verschiedenen kirchlichen Diensten. Um der Attraktivität dieser Ausbildungen willen müssten sie aber verstärkt aufbauend gestaltet werden. Es braucht ein Ausbildungskonzept, das die verschiedenen Ausbildungswege einander sinnvoll zuordnet, und zwar vom Niveau 3 (ForMOdula) bis hin zu Niveau 6 (Master und Doktorat), inklusive bischöfliche Studienprogramme. Die jeweiligen Einstiegsmöglichkeiten und Übergänge sind zu klären, die Ausbildungen den entsprechenden Berufsbildern und Tätigkeitsfeldern zuzuordnen. Ein transparentes, nachvollziehbares Bildungskonzept ist Grundlage für eine zuverlässige und damit attraktive kirchliche Laufbahnberatung. Dabei sind Profil und Qualitätsanspruch der einzelnen Stufen zu wahren. Dringlich ist insbesondere eine sinnvolle Nachfolgelösung für den dritten Bildungsweg, der 2015 schliesst.

Die Bedeutung wissenschaftlicher Theologie für die Ortskirchen

Die wissenschaftliche Theologie nimmt eine grundlegende Aufgabe im kirchlichen Leben wahr und wird in den katholischen Konzepten der Prinzipienlehre (der Lehre von den loci theologici) als eine der unverzichtbaren Bezeugungsinstanzen genannt. Traditionell gehen die Aufgabe der theologischen Ausbildung und der wissenschaftlichen Reflexion der Theologie zusammen. Eine Ortskirche muss mit Blick sowohl auf den akademischen Nachwuchs wie auch auf die in einer Ortskirche notwendigen Kompetenzen Sorge zu ihren Ausbildungsstätten und zu ihren Orten theologischer Reflexion tragen.

Notwendig ist auf den jeweils zuständigen Ebenen eine politische Lobbyarbeit für die Stärkung der Theologie an den staatlichen Universitäten und die öffentliche Anerkennung kirchlicher Hochschulen. Dafür ist die Integration der akademischen Theologie in hiesige akademische Kontexte unerlässlich. Deswegen ist es für die wissenschaftliche Theologie in der Schweiz mittel- und langfristig wichtig, dass die wünschenswerte gesamtkirchliche Vergleichbarkeit der theologischen Studien mit einer dezentraleren Ausgestaltung und damit Profilierung der Studienangebote wie auch der Fakultätsstrukturen einhergeht. Schon jetzt sollte den Fakultäten, begleitet und unterstützt durch die zuständige Kommission «Sapientia Christiana » der SBK, der nötige Freiraum zur Optimierung der Studienwege ebenso wie zur Bestellung des Lehrkörpers eingeräumt werden.

Damit auch in Zukunft akademischer Nachwuchs für den Dienst der Theologie in der Kirche und am Dialog mit der Gesellschaft gewonnen wird, sind ausgebildete Theologen und Theologinnen, auch solche, die bereits im kirchlichen Dienst tätig sind, explizit zu ermutigen, sich wissenschaftlich weiter zu qualifizieren. Da in der Schweiz insgesamt nicht genügend Assistenzstellen zur Verfügung stehen, sind auch dafür im Zusammenspiel von Pfarreien und die Personalabteilungen der Bistümer ggf. Finanzierungsmöglichkeiten zu schaffen.

 

Die Kirche steht insgesamt in komplexen Umbruchssituationen. Die Theologischen Fakultäten leisten dazu den Beitrag wissenschaftlicher Reflexion und der fundierten Ausbildung derjenigen, die künftig hauptamtlich in der Kirche Verantwortung übernehmen werden. Zur Erfüllung dieses Auftrags sind sie auf die konstruktive Zusammenarbeit mit anderen Ebenen kirchlichen Lebens angewiesen – und dazu möchten wir als Leitungsverantwortliche der Fakultäten einladen.

Für die Theologische Fakultät der Universität Freiburg: Dekan Franz Mali

Für die Theologische Fakultät der Universität Luzern: i. A . des Dekans: Monika Jakobs

Für die Theologische Hochschule Chur: Rektorin Eva-Maria Faber


Franz Mali ist Professor für Patristik, Geschichte der Alten Kirchen und christl.- oriental. Sprachen an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg. Er hegt ein besonderes Interesse für die Ostkirchen.

Prof. Dr. Monika Jakobs ist Lehrstuhlinhaberin für Religionspädagogik und Katechetik an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern und Leiterin des Religionspädadogischen Instituts der Universität Luzern.

Prof. Dr. Eva-Maria Faber, Ordentliche Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie, ist seit 2007 Rektorin der Theologischen Hochschule Chur.