Kirchenratspräsident

Mein Engagement für die Kirchgemeinde ist familiär vorbestimmt. Schon meine Mutter war während Jahren Kirchenrätin in unserer kleinen Kirchgemeinde Feusisberg, die heute etwa 900 Katholikinnen und Katholiken umfasst.

So wurde ich schon mit 25 Jahren für eine Tätigkeit im Kirchenrat angefragt. Das war 1989 und seither bin ich mit ein paar Jahren Unterbrechung zuerst als Kirchenratsschreiber und dann als Präsident bis heute tätig. Ich versuche in meiner Tätigkeit Zachäus, der als Oberzöllner meinem Beruf als Rechtsanwalt vielleicht etwas nahekommt, zu folgen. Als Jesus Zachäus auf dem Baum sah, forderte er ihn auf, schnell herunterzukommen. Zachäus stieg schnell herunter und nahm Jesus mit Freuden als Gast auf. So versuche ich meine Aufgaben schnell, freudig und gern zu erfüllen. Dies gelingt mir manchmal und manchmal natürlich auch nicht.

Grundsätzlich erscheint mir bei der Ausübung des Amtes eines Kirchenrates wichtig, die Verantwortlichkeit und Funktion zu beachten. Der Kirchenrat ist ein staatskirchenrechtliches Gremium, welches mit den Steuergeldern die Pfarrei und das Pfarreileben unterstützen muss, aber nicht darüber bestimmen soll. Etwas platt ausgedrückt, ist die Kirchgemeinde der «Sponserclub» der Pfarrei. Meines Erachtens ergeben sich aus einer Vermischung der Verantwortlichkeiten der kirchlichen und staatskirchlichen Aufgaben oft unnötige Probleme.

Vor grossen Veränderungen

Herausfordernd ist, dass das katholische «Milieu» auch in unserem kleinen Dorf einer rasanten Veränderung unterworfen ist. War vor Jahren die Pfarrei auch noch der gesellschaftliche Sammelpunkt für beinahe das ganze Dorf, macht heute nur noch eine Minderheit aktiv in der Pfarrei mit. Dies mag man bedauern und nach Möglichkeit zu ändern versuchen; letztlich erscheint mir dies aber eine aktuelle – nur schwer beinflussbare – Zeiterscheinung zu sein. Diese Entwicklung wird nicht zuletzt auch im rein finanziellen Bereich zu gewaltigen Veränderungen führen, die Strukturanpassungen notwendig erscheinen lassen. Unsere künftige Kirche wird dann wohl mit weniger personellen und finanziellen Ressourcen auskommen müssen, mehr auf unbezahlte freiwillige Mitarbeit aufbauen und damit auch eine andere Aussenwirkung erzeugen können. Papst Franziskus meint dies wohl, wenn er wiederholt von einer von Bescheidenheit, Armut und Ver trauen geprägten Kirche spricht (vgl. Predigt vom 15. Dezember 2015).

Überhöhte Erwartungen

Als Manko in unserer Gesellschaft und auch in unserer Kirche empfinde ich die mangelnde Fehlerkultur. Alles muss perfekt sein, die Beziehung, die Kinder, das Auto, der Beruf, die Ferien und auch unsere Kirche. Aus dieser überhöhten Erwartungshaltung heraus ergibt sich oft ein grosses Frustrationspotenzial, weil wir Menschen ja nie perfekt und vollkommen sein können. In diesem Zusammenhang kommt mir eine tröstende und zuversichtliche Aussage des hl. Papstes Johannes Paul II in den Sinn, die er 1984 in Einsiedeln an uns – damals – Jugendliche gerichtet hat: «Habt Geduld mit der Kirche! Die Kirche ist immer auch eine Gemeinschaft von schwachen und fehlerhaften Menschen. Und ich möchte hinzufügen: Das ist zugleich unser aller Glück. Denn in einer Kirche von nur Vollkommenen hätten wir wohl selber keinen Platz mehr.»

 

Thomas Fritsche

Thomas Fritsche, Jahrgang 1964, verheiratet, zwei Kinder, Rechtsanwalt, Kirchenratspräsident Kirchgemeinde Feusisberg.