Kirchenbau als Zeichen gegen Terror

In der neu entstehenden Hauptstadt Ägyptens kommt die grösste Moschee neben die grösste Kathedrale des Landes zu stehen. – Ein Zeichen friedlicher Koexistenz?

Die grösste Kathedrale Ägyptens im Bau (Bild: Wagih Amin)

Im Beisein von Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi feierten Ägyptens koptische Christen mit ihrem Papst Tawadros II. am 7. Januar erstmals die Weihnachtsmesse in ihrer neuen Kathedrale. Die noch im Bau befindliche Kathedrale trägt den Namen Christi Geburt. Im Dezember 2016 hatte ein terroristischer Anschlag auf eine Nebenkirche der koptischen Markus-Kathedrale in Kairo 25 Tote unter den Gottesdienstbesuchern gefordert. Damals, während seiner Weihnachtsrede, versprach das ägyptische Staatsoberhaupt den Bau der neuen Kathedrale und das Engagement seiner Regierung, alle seit den Unruhen von 2013 zerstörten Kirchen wieder aufzubauen. Islamisten machten die Kopten für den Sturz des islamischen Präsidenten Mursi mitverantwortlich und übten seitdem viele Anschläge auf Kirchen aus.

Enormes Sicherheitsaufgebot

230 000 Sicherheitsbeamte bewachten die diesjährigen Weihnachtsgottesdienste der Christen in Ägypten. Denn im Jahr 2012 waren bei einem Massaker an Weihnachten in Kairo viele Kopten von Islamisten ermordet worden; 2016 wurden drei Tage vor Weihnachten 21 koptische Gastarbeiter in Libyen von Kämpfern des «Islamischen Staates» grausam umgebracht. Für diese Märtyrer, deren Leichen erst vor wenigen Wochen gefunden wurden, ordnete Präsident al-Sisi den Bau einer eigenen Märtyrerkirche in ihrem Heimatort in Oberägypten an. Die Kirche konnte jedoch wegen Kompetenzgerangel der zuständigen Behörden noch nicht gebaut werden.

Die Kopten gehören zu den Hauptstützen der Macht des ägyptischen Staatspräsidenten. Sie repräsentieren etwa zehn Prozent der 94 Millionen Ägypter und stellen sieben Prozent der Abgeordneten im ägyptischen Parlament – so viel wie noch nie in der Geschichte des modernen Ägypten. Allerdings nicht alle Kopten stehen vorbehaltlos hinter ihrem Präsidenten; viele werfen ihm mangelnde Durchsetzungskraft sowohl bezüglich der Sicherheitslage als auch hinsichtlich der Diskriminierung im öffentlichen Leben vor. Terroranschläge, vor allem auf der Sinai-Halbinsel, richten sich regelmässig gegen diese Christen. Trotz oder vielleicht auch wegen der verschlechterten Sicherheitslage hat sich das religiöse Leben der Kopten weiter intensiviert; die Seminarien und Klöster sind im Ursprungsland des christlichen Mönchswesens so voll wie nie zuvor.

Grösste Kirche, grösste Moschee

Die im ägyptischen Verwaltungsbezirk «New Capital» entstehende Kirche wird die grösste Kirche im Nahen Osten sein. Sie soll 9000 Gläubige aufnehmen können, 4000 mehr als die Markus-Kathedrale von Kairo, die bis jetzt als die grösste Kathedrale in Afrika und dem Nahen Osten galt. Neben der Kathedrale wird die grösste Moschee des Landes gebaut. In der neuen Stadt, die ex nihilo errichtet wird, werden sich auch die Regierungsämter, die Botschaften und das Hauptquartier der politischen Institutionen des Landes konzentrieren. Um das mit 25 Millionen Einwohnern hoffnungslos übervölkerte Kairo zu entlasten, sieht der städtebauliche Plan auch den Bau von Wohnungen für bis zu sieben Millionen Menschen vor.

«Sisity» als Zeichen des Aufbruchs

Das neue Hauptstadtprojekt Ägyptens gilt als «Aufbruch in ein Zeitalter, das mit dem alten Ägypten mithalten kann». Wie schon Pharao Echnaton sich im 14. Jahrhundert vor Christus im oberägyptischen Amarna eine neue, pompöse Hauptstadt bauen liess, so auch Alexander der Grosse im 3. Jahrhundert vor Christus. Er nannte seine Stadt an der Nilmündung Alexandria. Die Muslime, die Ägypten im 7. Jahrhundert eroberten, warteten mehr als 300 Jahre, bis sie mit Kairo im Nildelta ihre neue Hauptstadt bauten, die mit der al-Azhar-Universität zum Zentrum des gebildeten Islams wurde. Präsident al-Sisi hat nicht weniger hochtrabende Ziele. Seine Vision einer neuen Hauptstadt, die auch eine neue Zeitepoche einleiten soll, stellte er im März 2015 auf einer internationalen Wirtschaftskonferenz in Sharm El Sheikh auf dem Sinai vor. Mitten in der Wüste soll bis zum Jahr 2022 eine moderne, vollklimatisierte, grün bepflanzte Megacity entstehen, in einer Region, in der in den letzten Jahren ganze Millionenstädte wie Aleppo, Mossul, Sirte oder Homs in Trümmer und Asche gelegt wurden. Vorbilder für das Projekt, das 7 Millionen Einwohnern ein neues Zuhause geben soll, sollen US-amerikanische Retorten-Grossstädte sein wie Houston, San Francisco oder Seattle. Ein offizieller Name für die neue ägyptische Hauptstadt steht bisher noch nicht fest. «Sisity», eine Wortkreation aus Sisi und City, nennen die Menschen bislang diese neue Stadt.

Symbol religiöser Koexistenz

Nicht viele Ägypter wagen offen ihre Kritik am Regime und an seinem Megaprojekt zu äussern. Westliche und arabische Investoren, Baufirmen und Dienstleister freuen sich, aber es sind vor allem chinesische Firmen, die an dem Projekt arbeiten. 45 Milliarden Dollar werden für «Sisity» investiert. Die nötige Energieversorgung wird die Sonne spenden. Fast 100 Quadratkilometer Solaranlagen sind geplant. Und mehr als 1000 neue Moscheen und Kirchen sollen die Bewohner und Besucher spirituell versorgen. Al-Sisi möchte diese Nachbarschaft als «Symbol der Koexistenz» der Religionen im neuen Ägypten verstehen. Dass die religiöse Zukunft Ägyptens nicht nur islamisch sein soll, wie z. B. in SaudiArabien oder am Persischen Golf, wo ebenfalls neue Megastädte in der Wüste entstehen, darauf legt Präsident al-Sisi mit dem Bau der neuen Kathedrale grossen Wert. Für die 200 000 katholischen Christen ist allerdings noch keine Kirche in der neuen Hauptstadt vorgesehen, und Papst Franziskus hat bei seinem Besuch in Ägypten im Mai letzten Jahres die neue Hauptstadt nicht besucht.

Die Kopten gelten als Ureinwohner des Landes und bilden die grösste christliche Gemeinschaft im Nahen Osten. Vor hundert Jahren stellten die Christen noch 20 Prozent der Bevölkerung des Nahen Ostens, heute sind es nur noch 5 Prozent. Dass es überhaupt noch so viele sind, ist vor allem den Kopten in Ägypten zu verdanken, denn sie konnten ihren Bevölkerungsanteil in den letzten 100 Jahren fast konstant halten. In der angeblich so westlichen Türkei ist der Anteil der Christen in derselben Zeit von 30 auf 0,1 Prozent gesunken. Diese Zahlen sagen alles über die Lage der Christen in ihren Ursprungsländern.


Bodo Bost


Bodo Bost

Bodo Bost studierte Theologie in Strassburg und Islamkunde in Saarbrücken. Seit 1999 ist er Pastoralreferent im Erzbistum Luxemburg und seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Public Responsibility an der kircheneigenen Hochschule «Luxembourg School of Religion & Society».