Keine falschen Erwartungen schüren

Die Förderung der Synodalität durch Papst Franziskus weckt an der Basis Hoffnungen. Ist eine stärker synodale Kirche kirchenrechtlich erwünscht? Bietet c. 127 CIC einen Schlüssel für Reformen?

Papst Franziskus beschwört die synodale Kirche, die deutschen Bischöfe den synodalen Weg. Synodalität ist in aller Munde und weckt die Sehnsucht nach verbindlicher Beratung und Beteiligung aller Gläubigen an wichtigen Entscheidungen der Kirche in Lehre und Disziplin. Viele reformorientierte katholische Christen erhoffen sich von synodalen Prozessen in formaler Sicht wirkliche Beteiligung im Sinne von Demokratie, bei der Mehrheiten Veränderungen bewirken können, und inhaltlich, dass Ergebnisse von Synoden für die bischöflichen Entscheidungsträger bindend sind, gerade, wenn sie eine bisherige Lehre in Frage stellen und inhaltlich verändern. Doch sind diese Erwartungen kirchenrechtlich abgesichert und erwünscht?

Beschlusskompetenz mit Überprüfung

Kirchenrechtlich ist bei synodalen Institutionen und Prozessen zu unterscheiden, wer miteinander berät und entscheidet. Berät das Bischofskollegium auf einem Ökumenischen Konzil (cc. 338−341 CIC) oder auf einer Bischofssynode (cc. 342−348 CIC), ist es allein Sache des Papstes, zu solchen Synoden einzuladen, die Tagesordnung und Geschäftsordnung festzulegen und die verabschiedeten Dekrete zu bestätigen. Bisher machte kein Papst von der Möglichkeit Gebrauch, der Bischofssynode Beschlusskompetenz zuzuweisen (c. 343 CIC). Der Papst ist immer Herr des Verfahrens, und ein Fall wie auf dem Konstanzer Konzil, wo sich das Konzil angesichts von drei miteinander konkurrierenden Päpsten über das Papstamt stellte, um die existenzbedrohende Krise der Kirche zu meistern, soll es nach den Beschlüssen des Ersten und Zweiten Vatikanischen Konzils nicht mehr geben.

1998 sprach Papst Johannes Paul II. auch den Bischofskonferenzen im Motu proprio Apostolos suos eine gewisse Lehrautorität zu. Entscheiden die Bischöfe einer Bischofskonferenz einstimmig in einer Lehrangelegenheit, dann ist dieser Beschluss bindend. Ist dieser Beschluss nicht einstimmig und mit Zweidrittelmehrheit gefasst, bedarf es der römischen Bestätigung. Das kirchliche Gesetzbuch weist den Bischofskonferenzen in einer ganzen Reihe von rechtspraktischen Bereichen Beschlusskompetenz zu, wobei diese Beschlüsse durch die Bischofskongregation in Rom rekognisziert werden müssen. Mit diesen Sicherungsmassnahmen sorgt der päpstliche Gesetzgeber dafür, dass es keine nationalen Alleingänge gibt, die aus seiner Sicht die Einheit der Kirche gefährden. Theoretisch sieht der Codex auch sog. Plenarkonzilien (c. 439 CIC) und Provinzkonzilien (c. 440 CIC) vor, bei denen im ersten Fall die Bischöfe einer Bischofskonferenz auf nationaler Ebene beraten und im zweiten Fall die Bischöfe einer Metropolie, d. h. ein Erzbistum mit seinen Suffraganbistümern. Die Ergebnisse dieser Nationalsynoden sind ebenfalls Rom zur Überprüfung vorzulegen. Es sind reine Klerikerversammlungen, bei denen in der Regel Bischöfe und einige andere Priester teilnehmen.

Enger Themenspielraum

Auf der Ebene der Diözesen sollen Diözesansynoden (cc. 460−468 CIC) stattfinden. Hier berät sich der Diözesanbischof mit Gläubigen seiner Diözese über die sein Bistum tangierenden Fragen. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat mit der Diözesansynode (2013–2016) über weitreichende Änderungen im System der Pfarreien beraten und setzt nun die Beschlüsse der Synode um. Der Diözesanbischof ist Herr des Verfahrens, legt also Themen, Geschäftsordnung und Zusammensetzung der Diözesansynode fest und muss die Beschlüsse der Synode bestätigen, damit sie in Rechtskraft treten können. Papst Johannes Paul II. erliess in seinem langen Pontifikat Regelungen, die es Diözesansynoden verbieten, Themen zu beraten, die nur auf universalkirchlicher Ebene zu entscheiden sind. Als ein Beispiel hierfür wurde die Frage der Weihe von Frauen zu Diakoninnen und Priesterinnen aufgelistet. Der Diözesanbischof ist kirchenrechtlich verpflichtet, solche Themenwünsche erst gar nicht auf die Beratungsagenda der Diözesansynode zu nehmen. Der Handlungs- und Themenspielraum für Diözesansynoden ist somit sehr eingeschränkt und auf Themen der Diözese enggeführt. Während in Ländern wie Italien und Frankreich regelmässig solche Synoden durchgeführt werden, sind sie im deutschsprachigen Raum eher die Ausnahme. Eine Reihe von Bischöfen wählte in jüngerer Zeit andere unverbindliche Beratungsformen wie Pastoralgespräche oder Diözesanforen, um der römisch indi- zierten Themenbeschränkung aus dem Weg zu gehen und den Eindruck zu erwecken, das Volk Gottes in ihren Diözesen könne frei über alle Themen sprechen. Die engagierten Gläubigen mussten im Nachgang solcher Gesprächsprozesse aber enttäuscht feststellen, dass sie keine Verbindlichkeit mit sich brachten und eher wie Placebos wirkten.

Synodale Organe auf Ebene der Bistümer sind auch die fakultativ vorgesehenen Diözesanpastoralräte (c. 511 CIC), die den Diözesanbischof beraten, aber nichts entscheiden können. Ihnen gehören Gläubige aus allen Ständen der Kirche an und sie beraten über Themen, die das pastorale Wirken der Diözese betreffen. Auch hier ist der Diözesanbischof Herr des Verfahrens. Dies gilt auch für den Priesterrat und das sog. Konsultorenkollegium, dessen Aufgaben im deutschsprachigen Raum in der Regel von den Domkapiteln wahrgenommen werden.

Ein geistlicher Prozess

Der kirchenrechtliche Befund ist ernüchternd und bewahrt vor falschen Erwartungen, was die Forderung nach einer synodalen Kirche angeht. Synodalität ist nicht zu verwechseln mit demokratischen Entscheidungsprozessen, wenngleich Elemente wie Beratung und Abstimmungen durchaus in ihr vorkommen können. Denn am Ende obliegt es der zuständigen bischöflichen oder päpstlichen Autorität, über die Konsequenzen aus den Beratungsergebnissen allein zu befinden. Zudem sollte ein wichtiges Moment theologisch nicht unterschätzt werden: Synodale Beratungen sind geistliche Prozesse. Sie beginnen und enden mit gemeinsamen Liedern und Gebeten zum Heiligen Geist, der zu wahrer Einsicht und Einmütigkeit führen soll. Die in der Herabrufung des Heiligen Geistes bezeugte Einmütigkeit findet in freimütiger Rede und im Ringen um Konsens als Grundlage amtlicher Entscheidung ihre Entsprechung.

Unter diesem Vorzeichen gibt es vielleicht doch Reformmöglichkeiten, die kirchenrechtlich umsetzbar sind. Zumindest der Diözesanbischof kann sich nach c. 127 CIC freiwillig, bevor er wichtige Entscheidungen für seine Diözese trifft, an die Zustimmung oder auch «nur» den Rat eines Kreises von Personen binden. Ohne diese Zustimmung oder diesen Rat wären die von ihm gesetzten Rechtakte unwirksam. Im Bistum Limburg, in dem ich lange Jahre arbeiten durfte, sieht die Synodalordnung vor, dass in der Regel einmal im Monat der Bischof mit dem Diözesansynodalrat alle wichtigen, das Bistum betreffenden Angelegenheiten berät. Dieser Rat gibt in Form einer Abstimmung dem Bischof eine Empfehlung. Folgt der Bischof diesem Rat nicht, so ist er verpflichtet, bei der nächsten Sitzung die Gründe zu benennen, aus denen er der Empfehlung nicht gefolgt ist. Der amtierende Bischof Georg Bätzing kündigte anlässlich der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Synodalordnung an, sich zukünftig an die Empfehlungen des Rates zu binden – mit Ausnahme von Entscheidungen, wo die Lehre der Kirche oder grundlegende Aspekte der Disziplin gefährdet wären. Eine Hintertür hält er sich also offen. Und dennoch: Mit c. 127 CIC ist es einem Diözesanbischof möglich, sich an die qualifizierte Beratung und Entscheidung eines aus Frauen und Männern bestehenden Gremiums zu binden.

Auf universalkirchlicher Ebene brachte hierfür noch kein Papst den Mut auf, zumindest dem mit Mehrheit erfolgten Ratschlag seiner Mitbrüder im Bischofsamt zwingend zu folgen – auch nicht Franziskus! Zu sehr dominiert das vom Ersten und (!) Zweiten Vatikanischen Konzil lehramtlich festgelegte Bild vom Papst als einem universalkirchlichen absoluten Monarchen, der einen unbegrenzten Jurisdiktionsprimat und einen nur merklich weniger eingeschränkten Lehrprimat besitzt. In Zukunft wird innerkirchliche Ökumene und die mit den anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften aber nur gelingen, wenn – wie es die Päpste Johannes Paul II. und Franziskus ausdrücklich gefordert haben – eine andere Form der Ausübung des Papstamtes gefunden wird. Innerkatholische Hoffnungen beflügelt, dass Franziskus in seinem Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland keine Themen verboten und keine autoritativen Weisungen erteilt hat.

Thomas Schüller


Thomas Schüller

Prof. Dr. Thomas Schüller (Jg. 1961) ist Direktor des Instituts für kanonisches Recht und zugleich seit 2009 ordentlicher Professor an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.
(Bild: Lars Berg/KNA)