Katechese mit Profil

Der Lernort Pfarrei birgt für die Kirche Potenzial. Wer sich der Grenzen und Herausforderungen bewusst ist, kann Räume eröffnen, die zur Beheimatung im Glauben und in der Gemeinschaft beitragen.

Das Zielfeldschema (Grafik) - zu finden im Gesamtkontext des LeRUKa "Konfessioneller Religionsunterrichtund Katechese - Lehrplan für die katholische Kirche in der Deutschschweiz" (s. Bonuslink).

 

Der Begriff «Katechese» wird in der Schweiz mehrdeutig und oftmals mit dem konfessionellen «Religionsunterricht» synonym verwendet. Entsprechend lohnt sich eine Verständigung über den Begriff, bevor es um die Konzeption und konkrete Ausgestaltung geht. Dabei ist besonders der Unterschied zu Deutschland und Österreich zu berücksichtigen. Anders als dort definiert die Deutschschweizerische Ordinarien- konferenz im «Leitbild Katechese im Kulturwandel» von 2009 die Katechese im engeren Sinn als «Lehr- und Lernsituationen zur Glaubensunterweisung» und führt aus, dass «der mancherorts erteilte Religionsunterricht an der Schule» ein Teil dieser Katechese ist, ohne mit dieser identisch zu sein.

Das Zielfeldschema im LeRUKa*, dem von den Bischöfen der Deutschschweiz 2017 erlassenen Rahmenlehrplan für den konfessionellen Reli- gionsunterricht und die Katechese in der Deutschschweiz, konkretisiert dies und setzt die Katechese mit dem Ziel der «Beheimatung im Glauben und in der Gemeinschaft» in Bezug zum konfessionellen Religionsunterricht mit den Zielen der «Orientierung in Religion» und der «Förderung eines mündigen Christseins».

Entsprechend gilt es in der Schweiz zu unterscheiden zwischen der Katechese als Überbegriff über die Lernorte Schule und Pfarrei hinweg und der Bezeichnung für den Lernort Pfarrei in Ergänzung zum Lernort Schule. In den Kantonen, in denen die Kirche ausschliesslich den Lernort Pfarrei hat, ist Katechese die angemessene fachliche Bezeichnung, auch wenn sie gemäss LeRUKa die Bildungsziele des konfessionellen Reli- gionsunterrichts mit abdecken muss. Wie die Katechese in der Pfarrei schliesslich genannt wird, ist zunächst einmal unwichtig, solange nicht missverständlicherweise von Religionsunterricht die Rede ist.

Chancen am Lernort Pfarrei

Der steigende Druck auf die Präsenz an den Schulen führt zu Verlustängsten der Kirche vor Ort. Diese sind teils berechtigt, bedenkt man das Potenzial der Kirche am Lernort Schule, wie Samuela Schmid in ihrem Beitrag ausführt (siehe S. 410–411). Dennoch sehen sich viele Pfarreien zunehmend aus verschiedenen Gründen damit konfrontiert, den Lernort Schule verlassen zu müssen. Hier lohnt sich ein Blick auf das Mögliche am Lernort Pfarrei, statt sich der lähmenden Verlustangst hinzugeben. In den meisten Kantonen mit einer Präsenz an den Schulen ist das Potenzial des Lernorts Pfarrei bei Weitem nicht ausgeschöpft. Während im konfessionellen Religionsunterricht an Schulen Performanz und Kompetenzorientierung teils unter künstlichen Bedingungen stattfinden und kritisch hinterfragt werden, bietet sich in der Pfarrei eine aktive Teilnahme und Teilhabe an. Eine pfarreilich organisierte Katechese ist, wenn sie sich an den kirchlichen Grundvollzügen orientiert, aus sich heraus performativ und auf Kompetenzerwerb ausgerichtet. Die kirchlichen Grundvollzüge bieten eine sinnvolle Bündelung der zu erwerbenden Kompetenzen.

Einer der grössten Vorteile der neuen Situation liegt in der Unabhängigkeit vom Schulbetrieb. Ort und Zeit der Angebote können thematisch passend bestimmt werden. In vielen Pfarreien findet derzeit eine erkennbare Abkehr von «schulischen» Zeitgefässen zu 45 und 90 Minuten zu Gunsten längerer Einheiten, die mehr Möglichkeiten der Gestaltung bieten, statt. Dabei kommen alle Varianten zwischen 120 Minuten und einem Lager in Betracht, zu unterschiedlichen Zeiten und an Tagen zwischen Montag und Sonntag. Auch bei der Auswahl der Orte können katechetisch Tätige aus dem Vollen schöpfen: Pfarreiheim, Friedhof, Spital, Wald, See, Berg, Spielplatz, Kirche usw. sind nur einige Beispiele.

Die Verknüpfung mit dem kirchlichen Leben vor Ort und der Einbezug unterschiedlicher Personen vereinfachen sich. Partizipation am Leben der Pfarrei ist innerhalb der Schule schwer zu realisieren. Eine auf Beheimatung setzende Katechese findet hingegen durch die Einbettung ins Pfarreileben zahlreiche Möglichkeiten der Anknüpfung. Dies bedeutet auch ein Aufbrechen der Jahrgangsstufen hin zu einer generationenverbindenden Katechese.

Nicht zuletzt stellen die Mitarbeitenden der Pfarreien eine Entlastung fest, die mit der Freiwilligkeit der Teilnahme an der Katechese einhergeht. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind eingeladen. Sie kommen freiwillig. Dies hat sowohl positiven Einfluss auf die Disziplin als auch auf die Motivation. Einladungen werden positiver wahrgenommen als Verpflichtungen.

Herausforderungen am Lernort Pfarrei

Die zuvor genannte Freiwilligkeit ist für viele Mitarbeitende zugleich eine der grössten Herausforderungen. Wenn Abmeldungen keine Konsequenzen haben, sind sie auf einen hohen Mo- tivationsgrad der Kinder, Jugendlichen und Eltern angewiesen. Fehlende Verbindlichkeit und der Aufwand im Handling von Absenzen tragen zum Verdruss der Mitarbeitenden bei. Gruppenprozesse werden erschwert und Projekte, die sich über mehrere Anlässe hinziehen, geraten zuweilen an ihre Grenzen. In dieser Situation versuchen einige Pfarreien die Sakramente wieder als Lock- und Druckmittel einzusetzen.

Jenseits der Schule ist der Aufwand zur Vor- und Nachbereitung gross. Netzwerke müssen gepflegt werden, für viele Ideen wären Zusatzqualifikationen wünschenswert. Gäste wollen betreut werden und Absprachen mit ihnen sind oft aufwendig. Zugleich erfordert die Arbeit am Rande des Schulunterrichts eine hohe zeitliche Flexibilität der Mitarbeitenden. Hohe Fluktuationen beim Kirchenpersonal erschweren den Beziehungsaufbau. Viele Mitarbeitende im kirchlichen Dienst haben neben Religionsunterricht und Katechese diverse andere Aufgaben. Nicht alle verfügen zudem über die gewünschten (religions-)pädagogischen Qualifikationen.

Eine weitere Herausforderung stellen ungeeignete Räumlichkeiten für Lehr-Lern-Prozesse in den Pfarreien dar. Nur wenige bieten eine ähnlich gute Infrastruktur wie Schulen, auch im Hinblick auf die digitale Ausstattung. Der Aufwand zum Einrichten ist gross. Knappes Budget und skeptische Gremien erschweren die Gestaltungsmöglichkeiten jenseits der Schule zusätzlich.

Bei der Katechese im Kontext Pfarrei besteht die Gefahr, dass der Sozialisationsaspekt zu sehr überwiegt und der Bildungsauftrag vernachlässigt wird. Besonders in den Kantonen, in denen es keinen konfessionellen Religionsunterricht an den Schulen gibt. Organisiert sich die Kirche jenseits der Schule, fällt auch eine gewisse Kontrolle durch Schulbehörden und das Kollegium weg. Die Transparenz nimmt ab und die Einhaltung pädagogischer Standards bleibt auf die Kontrolle durch kirchliche Instanzen beschränkt.

Ein neues Konzept ist gefragt

Ein klar erkennbares katechetisches Profil am Lernort Pfarrei, das auf Glaubensvollzüge setzt, ist wichtig für die Akzeptanz bei den Pfarreiangehörigen und für die Realisierung des Auftrags, der mit dem LeRUKa einhergeht. Unabhängig davon, ob die Kirche an der Schule präsent ist. Es reicht nicht aus, in der Pfarrei «Schule zu spielen» und zu versuchen, den Religionsunterricht 1:1 in die Pfarrei zu übertragen. Dies bedeutet, dass es für die Katechese ein Konzept braucht, das die Ziele definiert, die Umsetzung beschreibt und ausweist, wie die Qualität gesichert werden kann. Der LeRUKa liefert für die Konzeption die Grundlage und zeigt auf, was Kinder und Jugendliche im religiösen Bereich können sollen. Die aktuell entstehenden und auf www.reli.ch aufgeschalteten «Aufgabensets» veranschaulichen, wie eine konkrete, nachhaltige und zeitgemässe Umsetzung erfolgen kann.

Die Entwicklung der Katechese ist dabei eingebunden in den grösseren Kontext der Entwicklung der Pastoral insgesamt. Entsprechend müssen alle hierfür relevanten Personen und Gremien in den Prozess einbezogen werden. Zu diesem Prozess gehört auch eine Verhältnisbestimmung zur Kirchlichen Jugendarbeit. Für all diese Überlegungen sind Pastoralräume und Seelsorgeeinheiten sinnvolle und hilfreiche Konzeptionsgrössen: klein genug, um auf die regionalen Besonderheiten einzugehen, und gross genug, um mit den personellen Ressourcen sinnvoll umzugehen.

Hoffnungsvolle Perspektiven

Jenseits der Schule bietet sich der Kirche die Chance, mit einer klar profilierten Katechese den Menschen im Glauben und in der Gemeinschaft eine Heimat anzubieten. Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden darin gefördert, ihr Christsein kompetent zu leben, sich einzubringen und aktiv Kirche mit zu sein.

David Wakefield


David Wakefield

David Wakefield (Jg. 1982) ist Studienleiter am RPI der Universität Luzern und leitet das Fachzentrum Katechese der Deutschschweiz. Bis Ende 2019 war er Mitglied der Redaktionskommission der SKZ.