Kardinal Karl-Josef Rauber und seine römische Sant’Antonio-Titelkirche

"Monsignor Rauber war der beste Nuntius, den die Schweiz je hatte." Mit diesen Lobesworten wird der emeritierte Churer Weihbischof Peter Henrici zitiert – weil der aus Franken stammende gewiefte Kirchendiplomat Karl-Josef Rauber in den 1990er- Jahren im Auftrag des Vatikans den heiklen Fall Haas wenigstens für die Schweiz lösen konnte. Konkret: Rauber bewirkte, dass der damalige Churer Bischof Wolfgang Haas, der durch seine Haltung das Bistum polarisierte, wegversetzt und Oberhirte von Liechtenstein wurde. Weihbischof Henrici war denn auch hocherfreut, dass Papst Franziskus Anfang 2015 den inzwischen emeritierten Nuntius zum Kardinal ernannte – mit Zuweisung von Sant’Antonio a Circonvallazione Appia als Titelkirche.

Über den Termin der "Besitzergreifung" dieser Kirche durch Kardinal Rauber hatte der Pfarrer des Gotteshauses, Pater Paolo Bertapelle, schon bei dem üblichen Höflichkeitsbesuch beim neu ernannten Pupurträger im Februar kurz gesprochen. Schnell wurde der 13. Juni, der Festtag des hl. Antonius von Padua, in Erwägung gezogen. Gedacht, getan: Am soeben vergangenen 13. Juni erfolgte nun die Inbesitzname im Beisein mehrerer Vertreter des vatikanischen Staatssekretariats, des Vikariats der Diözese Rom sowie vieler Pfarreimitglieder. "Herzlich willkommen, Eminenz", begrüsste Pater Bertapelle den betagten "titolare", dem man seine Emotion deutlich anmerkte. Kardinal Rauber dankte für die freundliche Aufnahme und ging in seiner kurzen Predigt auf den Evangelientext der Hochzeit von Kaana ein, erwies aber auch seine Reverenz für den Schutzpatron dieses Gotteshauses, den hl. Antonius von Padua.

Durch die feierliche Inbesitznahme der Titelkirche fiel ein Schlaglicht auf diese der deutschsprachigen Öffentlichkeit bisher unbekannte Kirche und Pfarrei im Osten Roms – und überdies auf die Kongregation der Rogationisten vom Herzen Jesu. Der später heiliggesprochene sizilianische Priester Annibale Maria di Francia (1851–1927) ist der Gründer dieser religiösen Gemeinschaft. Er kümmerte sich um Bedürftige, gründete Waisenhäuser und schuf dann den Frauenorden mit dem (übersetzten) Titel "Töchter des göttlichen Eifers" sowie die Rogationisten. Er nahm dabei Bezug auf das lateinische Wort "Rogate" der Bibelpassage in Lukas 10,2: "Die Ernte ist gross, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn, Arbeiter für seine Ernte auszusenden." Da Don Annibale seine religiöse Männergemeinschaft zusätzlich nach dem Herzen Jesu benannte, wurde sie unter dem Kürzel RCI bekannt.

Die Kongregation mit dem Fokus auf Armenhilfe und Evangelisierung breitete sich aus. Sie ist heute ausser in Europa auch in Amerika, Afrika und Asien präsent. In ihrer römischen Zentrale heisst es: "Wir zählen derzeit 543 Ordensmänner, darunter 309 Priester, der Rest Studenten." Der schon erwähnte Frauenorden "Töchter des göttlichen Eifers" gilt als weiblicher Zweig der Rogationisten. Und just dieser ist kurioserweise für die Kirche Sant’Antonio a Circonvallazione Appia relevant. Denn der 1934 errichtete Sakralbau war jahrzehntelang die Kultstätte dieser Schwestern. Erst 1988 wurde Sant’Antonio als Pfarrkirche bestimmt und den Rogationisten anvertraut. Also einem Orden, der Sant´Antonio von Padua (1195–1231) besonders in Ehren hält.

Und die Pfarrei? Auf ihrem Territorium wohnen etwa 5000 Menschen. Schätzungsweise 600 Gläubige kommen zu den hl. Messen oder beteiligen sich in anderer Weise am intensiven Pfarreileben. Ein Höhepunkt in der Geschichte von Sant’Antonio war der Besuch von Papst Johannes Paul II. im Januar 1996. Seit 2011 ist Pater Bertapelle hier Seelsorger. Er stammt aus Padua, was ja (wie er der SKZ gegenüber scherzend anmerkte) "bestens zu unserem Schutzpatron Sant’Antonio passt". Anfang 2015 dann die überraschende Bekanntgabe durch den Papst: Zu den 20 nominierten neuen Kardinälen zählte als einziger aus dem deutschsprachigen Raum Karl-Josef Rauber. Der damals schon 80-jährige und deshalb nicht mehr konklaveberechtigte Würdenträger erfuhr die Nominierung in seinem Altersitz im deutschen Rottenburg-Ergenzingen, wo er als Seelsorger in einem Schönstatt- Zentrum wirkt.

Neben dem Hauptportal des Gotteshauses hängen nun, wie bei Titelkirchen üblich, zwei Wappen: das des Papstes – und jenes von Kardinal Rauber, das die lateinischen Worte: "Caritas Christi urget nos" enthält, auf Deutsch: "Die Liebe Christi spornt uns an." 

 

 

Bernhard Müller-Hülsebusch

Bernhard Müller-Hülsebusch

Dr. Bernhard Müller-Hülsebusch, seit vielen Jahren Korrespondent von deutschen und schweizerischen Medien in Rom und Buchautor, beschäftigt sich vor allem mit Themen rund um den Vatikan