«Die Liebe drängt uns...» - Die Freude und die Freiheit des Evangeliums

Die Liebe drängt uns …" (vgl. 2 Kor 5,14) – die Freude und die Freiheit des Evangeliums, so lautete der Titel des Scalabrini-Festes, das vom 1. bis zum 3. Mai 2015 in Solothurn stattfand. Über 550 Teilnehmende verschiedener Herkunft, 39 Nationalitäten, Familien, Jugendliche, Kinder, Einzelpersonen fanden sich dazu im Internationalen Bildungszentrum G. B. Scalabrini (IBZ) in Solothurn ein. Seit zwanzig Jahren werden diese internationalen Feste durchgeführt, im Frühjahr in Solothurn und im Herbst in Stuttgart. Sie versammeln Menschen aller Altersgruppen, Einheimische, Migranten und Flüchtlinge. Gemeinsam verbringen sie ein Wochenende, vertiefen und tauschen sich aus zu Themen des Glaubens und des Lebens, der Universalität der Kirche, der Vielfalt in Communio. Aufgrund der Taufe gehören wir Christus an, deswegen gibt es, wie der Apostel Paulus sagt, "nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie (…); denn ihr alle seid ‹einer› in Christus Jesus" (Gal 3,28). Durch ihn werden wir zu einer grenzenlosen Liebe befähigt, einer Liebe, die lernt, jeden anzunehmen: sei es den Fremden in unserer Gesellschaft, sei es den anderen in unserer Alltagsbeziehung.

Neue Perspektiven nötig

Dieser zentrale Aspekt unseres christlichen Glaubens braucht heute neue theologische und biblische Perspektiven, aber ebenso einen philosophischen und anthropologischen Blickwinkel, um dem heutigen Pluralismus verantwortlich begegnen zu können und um auf die dramatische Herausforderung, aber auch auf die Chancen gegenwärtiger Migrationsbewegungen adäquat antworten zu können. Als Christinnen und Christen sind wir dazu aufgerufen, unseren Beitrag zu leisten für eine Globalisierung der Solidarität im Hinblick auf eine gerechtere und friedvollere Welt.

Auch während des diesjährigen Festes wurde ein Thema fokussiert, das zur Kernbotschaft des Evangeliums gehört, welches jeden Menschen zur Freiheit und zu einem freudvollen Leben führen will. Innerhalb eines Forums hielt Prof. Dr. Jörg Splett (deutscher Religionsphilosoph und Anthropologe) einen Vortrag, um dann auf die Fragen der jungen Leute einzugehen, die stellvertretend für alle Teilnehmenden auf dem Podium waren. Sein Schlüsselwort war "Liebe", ein heute fast inflationär gebrauchtes und oft auch in verschiedenen Kontexten verstandenes Wort. In der christlichen Anthropologie wird der Mensch ausgehend vom dreieinen Gott gedacht, die Liebe ist dabei nicht nur ein Wunsch, nicht nur die Folge einer ausgewogenen Selbstliebe, die sich dann langsam auf den anderen hin öffnet, sondern sie ist ein unergründliches Geschenk, das uns zuvorkommt. Gott, der Gemeinschaft von Vater, Sohn und Geist ist, schuf den Menschen aus selbstloser und unendlicher Liebe. Er schenkte uns die Freiheit, damit wir mit Liebe auf seine Liebe antworten können, indem wir seine leidenschaftliche Nähe zu jedem Menschen teilen.

Ja zur Nachfolge Jesu im Säkularinstitut der Scalabrini-Missionarinnen

Die tiefgehenden Gedanken von Prof. Splett bereiteten uns vor auf den Höhepunkt des diesjährigen Festes: die Eucharistiefeier am 2. Mai in der Kathedrale von Solothurn. Zusammen mit dem Basler Bischof Dr. Felix Gmür konzelebrierten P. Gabriel Bortolamai (Stuttgart) und P. Pedro Cerantola (Bern) von den Scalabrini-Missionaren sowie Saverio Viola (Solothurn) und Lukasz Szczygielsk (Fribourg) von der italienischen bzw. polnischen Gemeinde. Während der Feier legten Giulia Civitelli (Rom, Italien) und Róża Mika (Lublin, Polen) die Gelübde der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams ab, ihr Ja zur Nachfolge Jesu in der Gemeinschaft der Missionarie Secolari Scalabriniane.

Ihre persönlichen Gebete sprachen von ihrem Weg und ihrer Suche. So sprach Giulia: "Schenke mir, Herr, ein einfaches Herz, ein gastfreundliches und verfügbares; ein Herz, das leidenschaftlich nach deinem Willen sucht, nach deiner Gerechtigkeit und deinem Frieden hungert und dürstet, vor allem nach einem Leben in Gemeinschaftlichkeit (…). Ich danke dir für diese konkrete Gemeinschaft, die mich aufnimmt, sie ist ein kleiner und wertvoller Teil des Leibes Christi. Ich danke dir für den Weg, den sie in ihrer Geschichte zurückgelegt hat, für die Einheit in der Vielfalt, die du uns zu leben geschenkt hast. Sie kann durch deine Gnade zu Salz und Ferment deines Evangeliums werden, während wir als Migrantinnen auf dem Weg sind, eingegliedert in eine Menschheit, die selbst unterwegs ist."

Und Róża: "Mit allem, was ich bin, sage ich Ja zu deiner grenzenlosen Liebe als Gekreuzigter und Auferstandener. Und dies im Vertrauen in deinen Heiligen Geist, der wirkt und der mich verwandelt auf dem Weg des Lebens, als Tochter im Sohn, Schritt für Schritt. So lange, bis ich den erbarmungsvollen Blick Gottes erkennen und durch mein Leben ausdrücken kann (…). Zusammen mit Maria möchte ich dir immer mehr Raum schenken, sodass du jeden Tag in unser Leben kommst und deine überfliessende Liebe alle Menschen erreiche, die Nahen und die Fernen, die Leidenden und die Verfolgten, diejenigen, die nach einer besseren Zukunft suchen, die vor einer Entscheidung stehen und die ihr Leben verschenken …"

Um das Erlebte mit dem eigenen Leben zu verbinden, gab es während des Festes verschiedene Möglichkeiten zum Dialog, zu Austausch und Gebet. Aber es fehlte auch nicht an Ausflügen in die Umgebung, Film, Kinder- und Jugendprogramm, Musik und Rhythmen aus aller Welt, einem bunten Abend mit jungen Künstlern. Alles wurde immer durch neun Simultanübersetzungen begleitet, darunter Tigrinha (Eritrea) und Arabisch für die zahlreichen Freunde aus dem Irak, aus Syrien und Eritrea, die als Flüchtlinge in Deutschland und der Schweiz leben.

Das Scalabrini-Fest 2015 ist nun vorbei, aber es wirkt weiter in den Alltag hinein, in die vielen kleinen Ja-an-die-Liebe. Tag für Tag. 

 

 

Luisa Deponti (Bild: zVg)

Luisa Deponti

Luisa Deponti gehört zum Säkularinstitut der Scalabrini-Missionarinnen und ist im Studienzentrum für Migrationsfragen (CSERPE) in Basel tätig