Jugendsynode 2018 aus Sicht von Jungwacht Blauring

Freier Himmel

Ein gutes Jahr vor der Jugendsynode in Rom ist der Teppich an Themen, Meinungsumfragen, hoffnungsvollen oder resignierten Voten ausgerollt. Im offiziellen Vorbereitungsdokument (=VD) lässt sich durchaus Potenzial für heilsame Selbstkritik und mutige Veränderung erkennen. Aus Sicht von Jungwacht Blauring (Jubla), dem grössten katholischen Kinder- und Jugendverband der Schweiz, zeigt sich Vertrautes aus der Diskussion über den Grundsatz «Glauben leben».1

Wovon wir ausgehen

Die Welt der Jugendlichen ist voller Heiligtümer»2: Aus mystagogischer und theologischer Grundperspektive geht die Jubla wie das VD davon aus, dass Gott im Leben jeder/s Jugendlichen bereits wirksam ist.3 Das beruhigt, denn: Gotteserfahrung muss von der Jugendpastoral nicht krampfhaft von aussen «eingepflanzt» werden. Gefragt sind Impulse, die innerlich angelegte spirituelle Adern pulsieren und so spürbar werden lassen – und ein Umfeld, in dem Jugendliche sich in Geborgenheit entfalten und ihren Fragen nachgehen können. Zweite Beruhigung: Obwohl die religiöse Sprachhemmung und institutionelle Distanz einer Mehrheit der Jugendlichen eine Herausforderung ist, bleiben ihre Sehnsüchte und Fragen – und damit ihre potenzielle Neugier.

Wo wir sind und wie wir sprechen

Wie die «Welt der Jugendlichen»4 genau aussieht, bleibt uns Erwachsenen vorenthalten. Wir können lediglich versuchen, uns als «Zaungäste» adäquat zu bewegen. Zwingende Voraussetzung dafür ist eine Sprache, die Jugendlichen zugänglich ist: Eine die frei ist von Unverständlichem und für sie Abstossendem. Theologische Fach-, liturgische Hoch-, allzu explizit religiöse, moralisierende oder esoterische Sprache sind für eine Mehrheit problematisch.5

Es hat mit Anstand zu tun: Wer würde ein Haus betreten und eine den Gastgebenden unvertraute Sprache sprechen? Es muss übersetzt werden, wenn nötig mit Händen und Füssen – also in Zeichenhandlungen. Dass der Kern einer Botschaft auch bei grosser Kreativität nicht verloren geht, dürfen wir mit dem VD hoffen.6 Wie das VD feststellt, ist die aktuell grösste Notwendigkeit die «Präsenz im neuen Areopag der digitalen Welt»7, dort wo Leben und Meinungsbildung stattfinden. Das schreit nach Formveränderung. Die Textlänge des vorliegenden Beitrages zum Beispiel wäre für Jugendliche ein Aufmerksamkeitskiller.

Was wir ermöglichen

Die wichtigste Funktion der «Welt der Jugendlichen» ist die Erfahrung von Selbstwirksamkeit8: Gelegenheiten, in denen sie erleben, dass ihr Dasein und Tun Auswirkung auf die Welt haben – sie also Subjekt sind.

Die Jubla bietet dazu unzählige Möglichkeiten in fast allen Lebensbereichen: von sozialen, sportlichen, musischen, kreativen oder naturnahen Aktivitäten bis hin zur Leitungsverantwortung. Zu dieser Selbstentfaltung gehört auch die spirituelle Dimension: «Die Subjektwerdung vor Gott.»9

Worauf wir bauen

Diese Erkenntnis von Weltmitgestaltung, die bleibend grossen Fragen und das Bedürfnis nach tragfähigen Werten identifizieren das VD und Papst Franziskus als mögliche Zugänge zu positiver Gottes- und Kirchenerfahrung.10 Auch in der Jubla ist sie zentrale Motivationsquelle wider ethische Abstumpfung von Ego- und Konsumismus. Wertgemeinschaft ist keine flache Reduktion auf Diesseitigkeit, sondern chancenreiche Anknüpfungsmöglichkeit für Fragen nach Sinn, Transzendenz und der eigenen «Berufung».

Was wir tun können

Obwohl wir Jugendlichen und dem Heiligen Geist vieles zutrauen müssen, damit Angelegtes sich entfalten kann, zeigen Jublaerfahrung und VD die Unverzichtbarkeit authentischer Begleitpersonen11: Vorbilder und Reibungsflächen bilden die Grundfarben, aus welchen sich der junge Mensch sein eigenes Glaubensgemälde mischt.

Jubla-Präsides12 und -Peers sollen persönliche Glaubensüberzeugungen ins Spiel bringen und als solche deklarieren können – freilich ohne Anspruch, in Reinform weiterverwendet zu werden. Jugendliche wählen automatisch Quellen, die sie als verlässlich und tragfähig erleben. Voraussetzung ist eine positive Beziehung zur Begleitperson – im spirituellen Bereich eher Fragegemeinschaft denn Lehr-Lern-Verhältnis.13

Was wir hoffen

Motivieren wir alle Jugendlichen – nicht nur die Begeisterten – sich an der Meinungsumfrage zu beteiligen. Nehmen wir diesen Einblick in «ihre Welt» ernst und übersetzen ihre Voten nicht voreilig zurück in «unsere» Sprache. Ziehen wir echte Konsequenzen daraus, auch wenn sie schmerzhaft scheinen: Der Kern der Botschaft hat schon manche Übersetzung überstanden – und kommt vielleicht so (als «Glut unter der Asche»?) erst recht wieder zum Vorschein. Denn: «Durch die Jugendlichen kann die Kirche die Stimme des Herrn vernehmen, der auch heute noch spricht.»14 

1 Vgl. Jungwacht Blauring: Teil der Kirche, in: SKZ 185 (2017) 76–78 u. 94,99.

2 M. Charta – Grundl. für eine gelingende kirchl. Jugendarbeit in der deutschspr. Schweiz, 2.6.

3 VD, Einl.

4 Vgl. M. Charta 2.1

5 Vgl. Dominik Schenker: Organisierte Freiheit, Zürich 2017, 59–82.

6 VD III.1: «Die Jugendlichen zu begleiten, macht es erforderlich, aus den eigenen vorgefertigten Schemata auszusteigen und ihnen da zu begegnen, wo sie sind (...) die empfangene Verkündigung in Gesten und Worte zu übersetzen (...).»

7 VD III.3

8 Vgl. VD I.3

9 M. Charta 1

10 Vgl. VD III.3/4, sowie: Franziskus’ Begleitbrief an Jugendliche

11 vgl. VD I.2 und III.2, sowie M. Charta 2.3

12 jubla.ch/praeses

13 VD III.1: «Rufen heisst, Fragen zu stellen, auf die es keine vorgefertigten Antworten gibt.»

14 VD: Einl.  

Valentin Beck

Valentin Beck, MTh und MA Religionslehre, ist Bundespräses von Jungwacht Blauring Schweiz und im Kleinpensum als Religionspädagoge auf der Oberstufe tätig.