Es sind gute Zeiten für die Jugendpastoral

Zwölf lange Tage wanderten sie durch die sengende Wüstenhitze der Sahara, fernab von Zivilisation und Lärm des Alltags. Martin Iten über die Wirkung von Abenteuer auf die Jugendpastoral.

Im südfranzösischen Biarritz feierten wir eine Messe bei Sonnenaufgang, bevor wir uns auf Surfbrettern in die Wellen des Ozeans stürzten. In Jerusalem, Sydney, Berlin, Turin oder Rio de Janeiro – an so vielen Orten dieser Erde lernten wir wunderbare Menschen kennen und erlebten mit ihnen die eindrücklichsten Dinge. Im Rückblick auf meine Jugendjahre stelle ich fest, dass ich einen Grossteil der abenteuerlichsten und prägendsten Ereignisse meines Lebens innerhalb der katholischen Kirche erfahren habe.

Es waren dies Momente auf Weltjugendtagen und anderen Jugendtreffen, während Adventure-Exerzitien und Fuss-Pilgerreisen. Sie haben mich innerlich gefordert, gefördert und geformt. Solche Ereignisse waren massgeblich dafür verantwortlich, dass ich einen persönlichen Zugang zum Glauben der Kirche – und letztlich zu Gott – gefunden habe. In all den späteren Jahren, in denen ich immer mehr Verantwortung übernahm und selber in der Organisation solcher Anlässe tätig wurde, entstand auch zunehmend ein Bewusstsein dafür, genau diese Dimension dieser Jugendarbeit noch stärker zu betonen: die Dimension des Erlebens.

Mehr Raum für Gottesbegegnung ermöglichen

Junge Menschen wollen Erfahrungen sammeln, Dinge selber ausprobieren, Neues entdecken … Sie sind hungrig nach neuem Wissen, suchen den Dialog und blühen auf in Gemeinschaft und Freundschaft. Ein vermeintlicher Glaube, der nicht lebendig und erfahrbar wird, sondern sich nur intellektuell und theoretisch zeigt oder gar in einer individuellen Beliebigkeit ohne Christus-Zentrierung dargeboten wird, hat in der Lebensrealität solch junger Menschen wenig Attraktivität und keine Überlebenschancen. Er ist zu unkonkret, zu wenig handgreiflich, auch nicht alltagstauglich.

Gott ist erlebbar. Um ihm begegnen zu können, braucht es freilich keine Reisen an die Enden der Welt und keine abenteuerlustige Pilgerindustrie. Und doch sind solche Angebote und Anlässe für die Jugendpastoral tolle Möglichkeiten, etwas ins Rollen zu bringen, Inspirationen zu ermöglichen und Jugendlichen in ihrer persönlichen Suche nach Antworten auf die grossen Fragen des Lebens voranschreiten zu lassen. Genau dann, wenn sich ein junges Herz aus einem oberflächlichen Alltagstrott herauswindet und anfängt, sich zu bewegen, kann sich auch eine Gottes-erfahrung ereignen und eine persönliche Gottes-beziehung festigen. In diesem Raum einer Gottesbegegnung kann die notwendige «Geburt» des Übergangs vom körperlichen zum geistlichen Leben1 einen Anfang finden. Dass Gott sich in besonderer und mystischer Weise im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet und in den Sakramenten der Kirche «erlebbar» und zugänglich macht, ist dabei ein grosses Geheimnis, das von immer mehr Jugendlichen unserer Zeit neu entdeckt wird2 – auch in der Schweiz.

Die Erfahrung der Weltkirche

Solche Erfahrungen festigen auch die Tatsache, dass die Kirche jungen Menschen Heimat sein kann und will. Ein heimischer Ort, in dem sich Jugendliche angenommen wissen und sich aktiv einbringen können. Es ist zu beobachten, dass besonders jene Jugendpastoral wächst und immer weitere Kreise zieht, in der den Jugendlichen auch Partizipationsmöglichkeiten und Verantwortlichkeiten zugänglich gemacht werden. Es sind dann junge Menschen selber, die ihren Gleichaltrigen den Glauben weitergeben und das christliche Zeugnis verkünden.3

In der Deutschschweiz zeigt sich dies in vorbildlicher Weise in der Jugendpastoral vieler Bewegungen, Initiativen, Gemeinschaften, Orden und Migrantengemeinden.4 Diese Jugendpastoral trägt sehr unterschiedliche Ansätze und Schwerpunkte. Es gibt aber ein oft wiederkehrendes und verbindendes Merkmal: die Welt-Kirchlichkeit. Die Gemeinschaft im Glauben mit den Brüdern und Schwestern der gesamten katholischen Weltkirche – und ihre Verbundenheit mit dem Papsttum –, so wie sich dies besonders auf Weltjugendtagen zeigt. Die Erfahrung, dass der gleiche Glauben in dynamischer Weise sowohl in Asien, in Nordamerika oder Afrika gelebt wird, bewegt und bekräftigt besonders junge Menschen, für die die Welt durch die digitalen Möglichkeiten sowieso zum Dorf geworden ist, sehr. Dass durch die Einwanderung nun auch viele katholische Kulturen in der Schweiz heimisch geworden sind, scheint besonders für die Jugendpastoral ein immenses Potenzial zu sein. Die Vielfalt und Weite der Weltkirche ist plötzlich in der Ortskirche erfahrbar.

In der katholischen Kirche findet sich Schönheit, Wahrheit und Güte. Diese Schätze nun der heutigen jungen Generation zugänglich und «erlebbar» zu machen, muss unsere missionarische Sehnsucht sein. Es sind gute Zeiten für die Jugendpastoral.

1 Vorbereitungsdokument zur Jugendsynode, Kapitel 2

2 «Warum junge Leute Beichte und Anbetung mögen», Überlegungen zur Generation Y von Beat Altenbach SJ auf katholisch.de

3 Ansprache von Papst Johannes Paul II. an die Schweizer Jugendlichen, 5. Juni 2004

4 Besonders erwähnt sollen hier werden: Schönstatt, Fokolar, Bibelgruppen Immanuel, Adoray, Gemeinschaft der Seligpreisungen, Gemeinschaft Chemin Neuf, Benediktiner von Disentis und Einsiedeln, Dominikanerinnen von Cazis, Franziskaner, Jesuiten, Opus Dei, diverse Migrantengemeinden.

Martin Iten

Martin Iten ist Präsident a.i. ARGE Weltjugendtag und verantwortlich für Fisherman.FM und Melchior Magazin