Juden, Christen und Muslime gegen Hass

Im Zuge des Gaza-Krieges kam es zu einem wachsenden virulenten Antisemitismus und zu Hasstiraden, Gewaltaufrufen und persönlichen verbalen Übergriffen gegen Juden und jüdische Einrichtungen in ganz Europa. Auch die Schweiz war betroffen. Herbert Winter, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG), berichtete, dass sich die Anzahl der gemeldeten antisemitischen Vorfälle mehr als verdoppelte – die sozialen Medien nicht eingerechnet. «Alte antisemitische Vorurteile bezüglich der ‹Weltverschwörung der Juden› werden hervorgeholt», so Winter. Der Rat der Religionen und die Evangelisch- Jüdische Gesprächskommission publizierten darauf Stellungnahmen. Sie verurteilten Hassaufrufe und Gewalt und forderten die Justiz und Politik auf, tätig zu werden. Die Jüdisch/Römisch-katholische Gesprächskommission der Schweiz reagierte mit «Entsetzen und Besorgnis» auf die «antijüdischen Äusserungen, Übergriffe und Gewaltausbrüche».

Erste gemeinsame Erklärung

Als Reaktion auf den Antisemitismus publizierten der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG), die Plattform der Liberalen Juden der Schweiz (PLJS) sowie die Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS) und die Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS) erstmals eine gemeinsame Erklärung. Nicole Poëll, Präsidentin der PLJS, und Dr. Hisham Maizar, Präsident der FIDS, betonen, man habe ohne lange Vorbereitung diese Erklärung publizieren können. Maizar spricht von einem «schnellen Entschluss». Poëll ist «stolz darauf und überrascht, dass dies möglich war». Man habe zuerst eine gemeinsame Sprache finden müssen. «Worte werden teilweise unterschiedlich interpretiert und verstanden. Es war aber wichtig, dass der Text für Muslime wie Juden stimmt» (vgl. www.swissjews.ch/de/metanavigation/medien/sig_in_der_presse/index.php).

Die jüdischen und muslimischen Dachverbände betonen in ihrer Erklärung, dass «Muslime und Juden unterschiedliche Ansichten über den israelisch-palästinensischen Konflikt haben (…). Dennoch herrscht zwischen uns in vielen Punkten auch Übereinstimmung. Der Tod von Zivilisten macht uns alle traurig. Der Missbrauch von Zivilisten und ziviler Einrichtungen ist inakzeptabel und widerspricht unseren religiösen Auffassungen», so die Verantwortlichen. Jede und jeder habe das Recht, politische Meinungen zu äussern. Dagegen gebe es «keine Entschuldigung für Rassismus, Antisemitismus, Gewalt oder andere Formen der Einschüchterung (…), wenn solche Ansichten in den Medien, auf der Strasse oder im Internet verbreitet werden», betonen Juden wie Muslime. Man sehe sich heute einer neuen Qualität von Gewalt gegenüber – dies sei der traurige Anlass für diese wichtige gemeinsame Publikation. Die Erklärung verstehen Muslime wie Juden als «ersten Schritt, dem weitere folgen werden und müssen». Es müsse weiter Vertrauen aufgebaut werden, so Hisham Maizar.

Christiane Faschon

Christiane Faschon

Christiane Faschon ist dipl. Religionspädagogin, Fachjournalistin (BR) und Dozentin.