Jesuit zwischen vielfältiger Welt und erfülltem Augenblick

Niklaus Brantschen präsentiert zu seinem 80sten Geburtstag einen Cocktail aus Meditationsbuch und Autobiographie, der sowohl motivierend wirkt als auch nachdenklich stimmt.1

Gibt es so etwas wie ein Leben zwischen den Welten, wie der Titel es andeutet? Niklaus Brantschen ist als Jesuit keinem bestimmten Ort verpflichtet. Die «stabilitas loci» wird in der Ordensregel des Ignatius zurückgestuft gegenüber einem dynamischen Verständnis von spiritueller Präsenz im Alltag. In diesem Sinne geht es den Jesuiten um die Kurzformel «contemplativus in actione». Brantschen gibt in seinem neuen Buch «Zwischen den Welten daheim» ein sehr gutes Beispiel für dieses moderne Verständnis der ignatianischen Spiritualität.

«Man kann Gott überall finden – selbst im Gebet», formuliert dies Brantschen in einer seiner typischen Zuspitzungen. Dieser Aphorismus vollzieht einen Perspektivenwechsel: vom mönchischen Ideal der Kontemplation zu einer dynamisch verstandenen Form. Mystik soll demzufolge eine weltoffene Haltung zeigen. In der Arbeit geht es darum, die kontemplative Haltung nicht zu verlieren. Und durch die Exerzitien soll immer auch eine Hinwendung zur Welt ermöglicht werden.

«Auf den Geschmack des Lebens kommen»

Das Buch entstand einerseits im Engadin, in einem Dorf, das der Kultur des Walliser Bergdorfs Randa in den Vispertälern, des Geburtsorts des Autors, verwandt ist. Andererseits zog sich der Jesuitenpater auch auf die Insel Mallorca zurück, um sein autobiographisch geprägtes Buch zu schreiben. An verschiedenen Stellen lässt Brantschen durchblicken, wie sehr ihn die konkreten Orte dazu angeregt haben, den Weg in den Schreibmodus zu finden. Grundlage bildeten dabei zahlreiche Tagebücher, die bis in die 1970er-Jahre zurückreichen.

So legt Brantschen seinen persönlichen Weg frei, von der Ausbildung zum Jesuiten in Lyon über die Zeit im Orden in der Schweiz und seinen Weg in den Osten zum japanischen Zen. Im Buch vermittelt sich die doppelte Identität als Jesuitenpater und als Zen-Meister sehr konkret.

Besonders lesenswert ist dazu das «Intermezzo: Geschmack am Leben finden» (103–111), das ein erstes Fazit zieht. Was macht die Jesuiten aus und wie verortet sich Brantschen in dieser ignatianischen Identität? Es geht um die Unterscheidung der Geister. Es ist das «Wie», die Art der Vorgehensweise, die dabei entscheidend ist. «Jesuiten haben kein Kloster … Jesuiten haben keine im Voraus bestimmten Berufe … Jesuiten haben im Allgemeinen keine Angst vor fremden Religionen und Kulturen», um nur drei von diesen Merkmalen zu nennen.

Vermittler zwischen Ost und West

So ist es nicht erstaunlich, dass Brantschen zu einem Vermittler zwischen östlicher und westlicher Spiritualität geworden ist. Mit dem Aufbau des Lassalle-Hauses in Bad Schönbrunn hat er voll auf diese Karte gesetzt. Das Haus der Jesuiten im Kanton Zug hat sich seit den 1980er-Jahren sehr gut entwickelt. Noch heute, mit 80 Jahren, ist Niklaus Brantschen in dessen Leitung engagiert.

Wie ist es möglich, bis ins hohe Alter eine solche aktive Haltung des Voranschreitens zu bewahren? Im Buch gibt es Hinweise darauf. Ein Kapitel über Meditation betitelt Brantschen: «Mit langem Atem». Das Kapitel widmet sich der «Erfahrung der Präsenz, des erfüllten Augenblicks» (117). Brantschen vermittelt präzis und sprachlich elaboriert einige Merkmale spiritueller Praxis.

Ganz im Sinne des Zen betont Brantschen, dass Innerlichkeit kein Selbstzweck ist, sondern sich äussern will. Es gehe darum, sich den Aufgaben zu stellen und sich auf dem Marktplatz des Lebens zu bewähren. Das hat Brantschen von seinem Zen-Meister Yamada Rôshi gelernt. Und diese Einsicht vermittelt er auch in seinem neuen Werk. Allerdings versteht er sich hierbei nicht als Guru, sondern als Lehrer, wie seine Selbstreflexion über die Tätigkeit als spiritueller Lehrer zeigt (135–145). Er geht dabei auch auf seine Beziehung zu Pater Hugo M. Enomiya-Lassalle und zur Zen-Lehrerin und Psychologin Pia Gyger ein.

Brantschen betont aber auch, dass ein isoliertes Leben nicht denkbar ist. So engagiert er sich für den blauen Planeten, für Frieden und Verständnis zwischen Religionen und Kulturen. Brantschen präsentiert ein Motivationsbuch im besten Sinne des Wortes. So scheut er sich nicht, die parodierende Schlussrede von Charly Chaplin aus dem Film «Der grosse Diktator» zu zitieren: «Vor Klugheit und Wissen kommt Toleranz und Güte! Ohne Menschlichkeit und Nächstenliebe ist unser Dasein nicht lebenswert!» Es sind genau diese Querverweise und Verbindungen, die das Buch lesenswert machen. Wortspiele und Aphorismen gehören ebenso zum Programm wie tiefschürfende Verweise auf Philosophie, Theologie und Mystik.

 

1 Niklaus Brantschen: Zwischen den Welten daheim. Brückenbauer zwischen Zen und Christentum, Ostfildern 2017, ISBN 978-3-8436-0965-4.

Pater Niklaus Brantschen SJ

wurde am 25. Oktober 1937 in Randa (Wallis) geboren. Er ist Jesuit und Zen-Meister. Der Gründer und langjährige Leiter des Lassalle-Hauses in Bad Schönbrunn (Schweiz) war bis 2002 auch Leiter des Lassalle- Instituts für «Zen – Ethik – Leadership». Brantschen ist ein gefragter Referent und Autor von Büchern über Zen, Ethik und Lebensgestaltung. Mit einer Vernissage zu seinem neuen Buch «Zwischen den Welten daheim. Brückenbauer zwischen Zen und Christentum» feiert er seinen 80. Geburtstag.

Charles Martig

Geschäftsführer und Bischöflicher Filmbeauftragter