Es ist durchaus möglich, die beiden vordergründig gegensätzlichen Ansichten in Einklang zu bringen. Der Katholische Konfessionsteil des Kantons St. Gallen verfügt beispielsweise über ein Anlagevermögen von rund 45 Mio. Franken. Dabei bilden die Liegenschaften des Finanzvermögens die mit Abstand wichtigste Anlagekategorie. Die daraus erzielten Mietzinseinnahmen sind ein wichtiger Pfeiler der jährlichen Ertragsrechnung. Langjährige Mietverhältnisse sind in der Regel durch günstige Mietzinse geprägt, was einem sozialen Ausgleich entspricht.
Sozial und ökologisch nachhaltige Anlagen
Die Anlagestrategie für die anderen Anlagekategorien (Obligationen, Darlehen, Aktien) richtet sich nach dem eigenen Anlagereglement, welches vorgibt, dass bei Investitionen die ESG-Kriterien zu beachten sind.1 Dies bedeutet, dass nur Anlagen getätigt werden, die nachhaltigen Umweltanforderungen (Klima, Ressourcen usw.) gerecht werden, die auch die sozialen Aspekte (Rechte von Mitarbeitenden, Gesundheit usw.) berücksichtigen und die schliesslich anständigem Verhalten (Governance) entsprechen. Diese Anlagegrundsätze, die auch von der Pensionskasse der Katholischen Kirche St. Gallen beachtet werden, orientieren sich damit auch an der päpstlichen Enzyklika «Laudato si'».
Zu Recht kann man sich natürlich die Frage stellen, ob es z. B. der Umwelt wirklich nützt, wenn sich die Finanzmärkte und damit die Anleger der Nachhaltigkeit verpflichten. Oder ob vielfach nur ein sogenanntes «Greenwashing» betrieben wird, d. h. man hängt sich ein grünes Mäntelchen um, obwohl darunter nichts Grünes ist. Die Schwierigkeit besteht darin, wie man Nachhaltigkeit definiert und dann auch misst. Mit der zunehmenden Entwicklung nachhaltiger Anlagen in den letzten Jahren haben sich auch die Kriterien – sowohl negative Ausschluss- wie auch positive Zulassungskriterien – weiter herausgebildet. Als Anleger darf man sich auf die auf umfangreichen Datenbanken gestützten Analysen der Vermögensverwalter und Banken verlassen. Zudem soll begleitet durch universitäre Forschung erreicht werden, dass sich der Finanzplatz Schweiz insgesamt als internationales Kompetenzzentrum für nachhaltiges Anlegen etablieren kann. Der Konfessionsteil vertraut auf die entsprechende Expertise der Fachleute.
Für das Gemeinwohl
Eine erfolgreiche Anlagestrategie auf dem beschriebenen ethisch und ökologisch vertretbaren Engagement dient letztlich auch dem gesellschaftlichen Wohl und der Unterstützung Bedürftiger, da neben den Einnahmen aus Steuern eben auch der Finanzertrag eine Stütze der Jahresrechnung ist. Der Konfessionsteil kann jährlich über seine Erfolgsrechnung unter dem Titel «Diakonie und Soziales» fast 4 Mio. Franken zur Verfügung stellen. Damit werden die Leistungen der Caritas und sozialer Beratungsstellen ebenso mitfinanziert wie Mittel für Projekte im Ausland, für Katastrophenhilfe oder auch für Stipendien zur Verfügung gestellt. Das wichtige Engagement des Konfessionsteils für die Bereiche «Seelsorge», «Bildung» und «Kultur» ist ebenfalls eine bedeutende Leistung für das Gemeinwohl. Es ist ein Ziel des Administrationsrates, den Konfessionsteil in der Gesellschaft so zu positionieren, dass er als Körperschaft im Dienste des Gemeinwohls wahrgenommen und geschätzt wird. Solche Leistungen für das Gemeinwohl sind Beispiele für die Vereinbarkeit von Kirche und Investment.
Das Katholische Kollegium hat in der letzten Sitzung ein Postulat mit dem Titel «Ökologisch und ethisch vertretbare Ausrichtung des Katholischen Konfessionsteils» überwiesen. Dem Postulatsauftrag folgend wird der Administrationsrat Bericht erstatten, inwiefern die Geschäftsführung heute und künftig ökologisch und ethisch verträglich gestaltet wird. Das Bewusstsein, im Sinne von «Laudato si'» zu leben und zu handeln, ist weit verbreitet und entsprechend wird auch gehandelt.
Raphael Kühne