Gut angelegt

Was verbindet Profitstreben und Nächstenliebe miteinander? Ethisch effektive Investments haben über den Gewinn hinaus soziale Gerechtigkeit, globales Gemeinwohl und ökologisches Wirtschaften usw. im Blick.

Im Lukasevangelium, das mit seinem ausdrücklichen Blick auf die Armen in besonderer Weise den heiligen Bonaventura (1221–1274) und die franziskanische Theologie geprägt hat, heisst es: «Gebt, dann wird auch euch gegeben werden! Ein gutes, volles, gehäuftes, überfliessendes Mass wird man euch in den Schoß legen; denn nach dem Mass, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden» (Lk 6,38). Der Kontext der Schriftstelle bestimmt auch den Kontext der katholischen Finanzethik: Es geht, spätestens seit der Erfindung der ersten Banken und des frühen Kapitalismus in den Predigten der Franziskaner um Bernhardin von Siena (1380–1444), um einen «effektiven Altruismus», also die Bemühung, die knappen Ressourcen von Zeit und Geld optimal einzusetzen, also zu investieren, um das Leben möglichst vieler Menschen umfassend zu verbessern. Vom Reichtum abzugeben, um mehr als äusseren Reichtum zu erhalten.

Nachhaltig ethisch investieren

Im Blick der katholischen Soziallehre und einer entsprechenden Finanzethik stehen dabei zunächst kirchliche katholische Institutionen und dann auch Banken überhaupt sowie Einzelpersonen, die ermuntert werden sollen zu einem nachhaltig ethischen Verhalten im Finanzsektor. Es geht um Impact Investment, um nachhaltig ethische Effekte des Kapitalmarktes. Dies wird entfaltet einerseits in entsprechenden Überlegungen von Papst Benedikt XVI. aus seiner Enzyklika «Caritas in veritate» (CiV) von 2009 zur Finanzkrise und entspricht andererseits sehr deutlich einer ganzheitlichen Sicht des Menschen und der Sozialethik im Lehramt von Papst Franziskus. Als Kriterien für die Entwicklung eines ethischen Investments gelten die fünf Sozialprinzipien: Personalität, Solidarität, Subsidiarität, (globales) Gemeinwohl und Nachhaltigkeit. Papst Franziskus unterstreicht in seiner zweiten Sozialenzyklika «Fratelli tutti» von 2020 deutlich: «Die Aktivität der Unternehmer entspricht einer wahren und noblen Berufung Gottes, gerichtet auf die Vermehrung des Wohlstands und die Verbesserung der Welt für alle Menschen» (Nr. 123). Das hört sich harmlos an, und ist doch einst, bei der Entstehung des frühen Kapitalismus in der franziskanischen Reformbewegung, und ausgreifend auf so bedeutende franziskanische Reformprediger wie Berthold von Regensburg (1220–1272) und David von Augsburg (1200–1272) mit der erstmaligen expliziten Hochschätzung von unternehmerischem Fleiss und Profitstreben, revolutionär gewesen. Berthold predigt beispielsweise in der Auslegung zum Gleichnis von den Talenten: «Wir alle müssen uns irgendeiner Aufgabe annehmen, mit der wir unsere Seligkeit erlangen.»1  Von dort bis zur Hochschätzung des Berufs und des beruflichen Ehrgeizes bei Martin Luther ist der Weg nicht mehr weit. Beruf kommt in der deutschen Sprache seitdem von Berufung! «Gott liebet Adverbien und schert sich nicht darum, wie gut etwas ist, sondern darum, wie wohl es getan ist», nennt das zugespitzt ein anglikanischer Bischof im 17. Jahrhundert.2 Nicht, was jemand ist, sondern wie er es tut, ist entscheidend für die moralische Beurteilung. Deutlicher gesagt: Nicht nur das Streben nach persönlicher Armut, sondern – paradoxerweise – auch das Streben nach Gewinn kann ein Weg zum Himmel, zur Liebe Gottes sein, und entspricht Gottes Plan, allen Menschen ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen – und zwar gerade durch dieses Gewinnstreben von talentierten Individuen.

Die Idee der Sozialen Marktwirtschaft basiert letztlich auf diesem alten franziskanischen Gedanken: Eine Marktwirtschaft mit geregeltem Wettbewerb und konkurrierendem Gewinnstreben bei gleichzeitigem Kartellverbot und gerechter Besteuerung ist das effektivste Mittel, um einen sozialen und menschengerechten Altruismus zu bewirken. In dieser Sicht heiligt der gute Zweck wirklich einmal ein ursprünglich egoistisches Mittel, oder, angelehnt an Adam Smith gesagt: Es gibt eine katholische «unsichtbare Hand» des regelgeleiteten Marktes!

Ziel und Zweck eines Investments klären

Beim Umgang mit Geld und anderen Vermögenswerten müssen einige Grundsatzfragen vor einer konkreten Investmententscheidung beantwortet werden. Es gibt zunächst eine professionelle Pflicht zur Verwaltung und Anlage der Vermögenswerte und zugleich eine moralische Pflicht zum Ausschluss von menschenunwürdigen Investments. Daraus können drei prinzipielle Fragen für kirchliches und kirchennahes Investment erwachsen: Dienen die materiellen Mittel primär den vorrangigen Aufgaben der kirchlichen Institution? Entspricht die konkrete Vermögenszuordnung (Anlagevermögen, Vorsorgevermögen, Projektmittel, Betriebsmittel) dem Charisma der Institution? Entspricht die konkrete Investmententscheidung einer Faith Consistent Investment Strategy, säkular gesprochen: den Grundwerten der Institution?

Im Blick stehen zuerst das Ziel und der Zweck eines Investments, nicht aber zunächst der Blick auf die immer auch egoistischen Motive des Gewinnstrebens. Das Streben nach Profit und Gewinn ist kein intrinsece malum, also ein immer und unter allen Umständen verbotenes Übel, sondern kann grundsätzlich als Motor zur Erreichung eines guten Zieles dienen. Motivation und Intention verschieben sich in Richtung Altruismus, ohne das berechtigte Eigeninteresse aus dem Auge zu verlieren. Die Frage lautet dann berechtigterweise: Was bringt mein Investment den Betroffenen und deren Umwelt, der Gesellschaft, dem Gemeinwohl? Was bringt es an Förderung der je schwächeren Mitglieder der Gesellschaft? Gerade im Blick auf eine wachsende Zahl nicht explizit religiös motivierter Mitarbeiter kirchlicher Institutionen ist dieser Paradigmenwechsel wichtig, ganz im Sinn des Gleichnisses von den Talenten (Mt 25,14–30) und einer dementsprechenden Unterscheidung von primären und sekundären Werten. Das ist sozialethisch sehr bedeutsam und zugleich ein deutlicher Unterschied zur eher individualethisch orientierten Moraltheologie. Ein gutes Werk wird nicht erst dadurch gut, dass es dem handelnden Menschen keinen Gewinn bringt; Verzicht ist nicht ein allein ausschlaggebendes Kriterium für Gutheit; Gewinne für die eigene wie für andere Personen sind gut vereinbar und tatsächlich zunächst kein Ausweis von boshaftem Egoismus.

Dabei lassen sich allerdings die verschiedenen Investmentkategorien, die von kapitalistischer bis zu philanthropischer Ausrichtung geprägt sind, hinsichtlich des Zwecks danach differenzieren, ob sie sich stärker am Eigennutz des Investors oder am Gemeinwohl orientieren.3 Die entscheidende Frage aus Sicht der katholischen Sozialethik ist immer: Was ist Ziel und Zweck eines Investments? Dienen Investments nur dem Gewinn und dem Profit von Individuen oder haben sie darüber hinaus einen ethischen Mehrwert zugunsten des Gemeinwohls oder zugunsten schwächerer Mitglieder der Menschheitsfamilie?

Regeneratives Wirtschaften

Mittlerweile hat sich in der Gesellschaft die Erkenntnis einer umfassenden Nachhaltigkeit durchgesetzt, dass eine alleinige Ausrichtung der Wirtschaft am Profitgedanken und eine Maximierung des Shareholder Value nicht geeignet ist, die Ziele einer umfassend gerechteren Welt des globalen Gemeinnutzens im Sinne der christlichen Sozialethik zu realisieren. Schon Papst Benedikt XVI. mahnte im Blick auf eine auf Gerechtigkeit und soziale Liebe ausgerichtete Weltwirtschaft im Sinne einer Logik der Gratuität: «Liebe in der Wahrheit bedeutet, dass jenen wirtschaftlichen Initiativen Gestalt und Struktur verliehen wird, die den Gewinn zwar nicht ausschließen, aber über die Logik des Äquivalenzprinzips und des Gewinns als Selbstzweck hinausgehen wollen» (CiV Nr. 38).

Grundsätzlich gilt im Blick auf eine nachhaltige und ethische Finanzwirtschaft: «Der Wohlstand muss daher an Kriterien gemessen werden, die weit über das Bruttosozialprodukt (BIP) eines Landes hinausgehen und auch andere Maßstäbe in Betracht ziehen, wie zum Beispiel Sicherheit, Gesundheit, Wachstum des ‹menschlichen Kapitals›, Qualität des gesellschaftlichen Lebens und der Arbeit. Der Profit wird zwar immer angestrebt, doch nie um jeden Preis und nie als alleiniger umfassender Bezugspunkt des wirtschaftlichen Handelns».4 Insofern bedarf es, wie auch Franziskus in «Laudato si'» (Nr. 137) ausdrücklich mahnt, eines neuen ganzheitlichen ökologischen Modells, das unter Berücksichtigung aller Aspekte der Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialökologie statt Profit Maximization die Benefit Contribution zum Inhalt hat und damit stärker die Armen und am Rande der Gesellschaft lebenden Menschen einschliesst und dem globalen Gemeinwohl gerechter wird. Anders gesagt: Eine regenerative Zivilisation braucht eine regenerative Wirtschaft. Diejenigen Investmentkategorien, die substanziell oder mehrheitlich nach dem Gemeinwohl streben und damit vornehmlich den Social Impact verfolgen, werden dann als Impact Investments bezeichnet. Derartige Impact Investments zeichnen sich neben dem social impact auch dadurch aus, dass sie in der Regel einem trade-off von finanziellen Renditen einerseits und sozialem Benefit und sozioökonomischen Zielvorstellungen andererseits unterliegen, und dass ihre positive Wirkung oft nur teilweise oder eher unzureichend mit den herkömmlichen finanziellen Kennzahlen erfasst werden kann. Die Kennzahlen greifen zu kurz und vermitteln eher den Eindruck, dass Investoren auf einen Teil der Rendite verzichten, weil die zweite Komponente des Investments, also die soziale Rendite, unzureichend abgebildet wird. Hier gilt es eine «Kultur der Gratuität», wie dies die Enzyklika «Caritas in veritate» ausführlich im Anschluss an die frühe franziskanische Ökonomik in der Toskana entfaltet und wie es der italienische katholische Wirtschaftswissenschaftler Stefano Zamagni aufgreift5, in Erinnerung zu rufen. Nächstenliebe effektiviert sich in effizienter Weise ausserhalb des paradiesischen Gartens Eden und vor Anbruch des Jüngsten Tages in Formen des legitimen Profitstrebens und damit eines effektiven Altruismus.

Die vom Vatikan initiierte «Laudato si'» Action Platform»6 benennt in diesem Zusammenhang zur Operationalisierung einer entsprechenden nachhaltigen und ganzheitlichen Finanzethik sieben Agents, handelnde Subjekte also (Nichtregierungsorganisationen, religiöse Orden und Vereinigungen, Familien, Pfarreien und Diözesen, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, Wirtschaftsagenten). Hinzu kommen sieben Ziele: ökologische Nachhaltigkeit und Klimaneutralität; globale Solidarität, vor allem zugunsten der besonders vulnerablen Gruppen der Menschheitsfamilie; Aufbau einer ökologischen Wirtschaft; Praxis eines einfachen Lebensstils; Entfaltung einer ökologischen Spiritualität; Ermöglichung einer ökologischen Erziehung und Bildung; Schwerpunkt auf Partizipation und kleinen Gemeinschaften im Sinn echter Subsidiarität. Theologisch gesprochen: Profit und Nächstenliebe verschränken sich.

Impact Investments verdienen es, aus der Nische des Kapitalmarktes herauszutreten und sich im gesamten Marktgeschehen zu etablieren. Erst so gelingt der Aufbau einer menschenwürdigen Gesellschaft.

Peter Schallenberg

 

1 Röcke, Werner (Hg.), Berthold von Regensburg. Vier Predigten, Stuttgart 1983, 11.

2 Vgl. Taylor, Charles, Quellen des Selbst, Frankfurt 1996, 396.

3 Vgl. Turkson, Peter / Schallenberg, Peter / Schürenkrämer, Ulrich, Ethisches Investment, Mönchengladbach 2021.

4 Kongregation für die Glaubenslehre/Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen, Oeconomicae et pecunariae quaestiones, Città del Vaticano 2018, 11.

5 Zamagni, Stefano, Globalisation. Guidance from Franciscan Economic Thought and «Caritas in veritate», in: Faith and Economics 56 (2010) 81–109.

6 Mehr Informationen finden Sie unter: https://laudatosiactionplatform.org


Peter Schallenberg

Msgr. Prof. Dr. theol. habil. Peter Schallenberg (Jg. 1963) ist Professor für Moraltheologie und Ethik an der Theologischen Fakultät Paderborn, Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach sowie Konsultor am Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen.

 

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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