Interview zu «Paarlife» mit Guy Bodenmann und Birgit Kollmeyer

Was hat Sie, Herr Bodenmann, zum Engagement für eine positive Partnerschaftsgestaltung gebracht?

Leider kommen viele Paare zu spät in eine Paartherapie. Häufig erst, wenn bereits gravierende Verletzungen passiert sind und viel Geschirr zerschlagen ist. Wie Studien zeigen, gelingt es bei diesen Paaren nur noch selten, eine Besserung zu bewirken. Paare sollten bereits bei ersten Anzeichen von Schwierigkeiten oder noch besser bereits zu Beginn ihrer Partnerschaft regelmässig Beziehungspflege betreiben, um solch destruktive Verläufe möglichst verhindern zu können. Das ist der Grundgedanke von Paarlife.

Was ist die wichtigste Botschaft bzw. das Grundanliegen, das Sie den Paaren weitergeben wollen?

Die wichtigste Botschaft ist, dass eine glückliche und stabile Partnerschaft zu den wichtigsten Grundpfeilern für die Lebenszufriedenheit und psychische sowie somatische Gesundheit des Menschen zählt und es diese zentrale Ressource daher zu pflegen gilt. Wie bei einem Auto ist ein regelmässiger Service wichtig.

Wo sehen Sie Berührungspunkte mit der christlichen Ehemoral?

Liebe zu leben hat sehr viel mit Kompetenzen zu tun. Während die christliche Ehemoral Paaren die Motivation auf den Lebensweg gibt, sich gegenseitig zu achten und zu lieben, zeigen wir in Paarlife auf, wie sie dies tun können und welche Grundlagen und Kompetenzen es dazu braucht. Das heisst, Paarlife liefert das Werkzeug, damit Liebe auf Dauer gelingen kann.

Was, denken Sie, kann eine christliche Ethik zu einer positiven Lebensgestaltung der Paare beitragen?

Obgleich Paarlife konfessionell neutral ist und ethische Aspekte nicht angesprochen werden, bin ich der Meinung, dass jeder Mensch Ethik braucht und eine gesunde Verwurzelung in ethischen Grundwerten für eine positive Lebens- und Beziehungsgestaltung unabdingbar ist. Ethische Werte gehören zu einem erfüllenden Leben dazu. Im Rahmen von Paarlife werden die eigenen Werte bezüglich Liebe, Verbindlichkeit und Treue reflektiert.

Gibt es wissenschaftlich erhärtete Aussagen, die für eine langandauernde Partnerschaft sprechen?

Ja, es gibt eine Reihe von Langzeitstudien, welche Prädiktoren für langandauernde Partnerschaften beschrieben haben. Neben psychischer

Stabilität beider Partner, angemessenen Kompetenzen in Kommunikation, Problemlösung und gemeinsamer Stressbewältigung zählen dazu auch Commitment und Wertorientierung. Es braucht entsprechend eine Leitlinie (ethische Werte) und Kompetenzen, um sich innerhalb dieser Leitlinie erfolgreich als Paar zu verwirklichen.

Dr. Guy Bodenmann ist Professor für Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Kinder/Jugendliche und Paare/Familien an der Universität Zürich. Er entwickelte «Paarlife» – ein international bekanntes Präventionsprogramm für Paare – und die bewältigungsorientierte Paartherapie.

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Frau Kollmeyer, Sie sind die Leiterin von Paarlife. Was ist das Besondere an den Paarlife-Kursen?

Das Herzstück von Paarlife sind die Paargespräche, die in einem geschützten Rahmen stattfinden: D. h., in der Gruppe erhalten die Paare Anregungen zur Pflege der Partnerschaft, zu zweit findet dann ein Austausch statt, wie man selbst zu den Themen steht und was man in der eigenen Partnerschaft gerne umsetzen möchte.

Was spricht für Treue in einer Beziehung bzw. warum lohnt es sich, ein Leben lang mit der gleichen Person zusammenzubleiben?

Es ist zwar so, dass in fast allen Partnerschaften langfristig die Faszination füreinander, die Neuartigkeit und vielleicht auch die Attraktivität abnehmen. Dafür wachsen aber die Vertrautheit, die Verbundenheit und die Vorhersagbarkeit. Das kommt unserem Bedürfnis nach Sicherheit und Bindung entgegen, das die meisten Menschen haben.

Sind die Bedürfnisse von Mann und Frau überhaupt auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen?

Grundlegende Bedürfnisse, wie z. B. das schon angesprochene Bedürfnis nach Bindung, sind bei fast allen ähnlich. Auch konkrete Erwartungen und Wünsche an den anderen unterscheiden sich nicht grundsätzlich – 93 Prozent wünschen sich z. B. Treue von ihrem Partner. Aber was das genau bedeutet, ob man damit nur das sexuelle oder auch das emotionale Commitment meint und wie es umzusetzen ist oder wie viel Nähe bzw. Distanz oder Autonomie man braucht, darüber sollte man sich austauschen. Nur so kennt man die Bedürfnisse und Einstellungen des Partners/der Partnerin und kann schauen, was passt und wo noch ein gemeinsamer Weg – vielleicht in Form von Kompromissen und Abmachungen – gesucht werden muss.

Was hilft den Paaren, zusammenzubleiben und die Partnerschaft lebendig zu erhalten?

Um Nähe und Intimität, aber auch Spannung zu erhalten, braucht ein Paar zunächst genügend gemeinsame Zeit und schöne Erlebnisse. Aber nicht immer dieselben, sondern auch einmal etwas Neues. Dann ist ein emotionaler Austausch wichtig – über das, was einen berührt oder belastet, über Wünsche und Ziele. Man sollte neugierig bleiben, denn der andere entwickelt und verändert sich. Und letztendlich zählen viele kleine Gesten im Alltag, die zeigen, dass man sich für die Beziehung engagiert und dass man den anderen noch gern hat.

Wie wichtig sind Liebesgefühle für eine Beziehung?

Interessanterweise hat die Paarforschung gezeigt, dass die Stärke der Liebe zu Beginn der Beziehung gar keinen grossen Einfluss auf die langfristige Partnerschaftszufriedenheit hat. Viel entscheidender ist es, welche Kompetenzen ein Paar hat oder entwickelt – im Bereich der Kommunikation und der Bewältigung von Belastungen. Denn Stress und Belastungen können sonst zu «Beziehungskillern» werden – auch wenn die Liebe einmal gross war.

Wie kann ein Paar seine gemeinsame Sexualität frisch erhalten?

Auch hier ist Abwechslung für viele Paare ein gutes Mittel. Wenn man den Mut hat, seine Wünsche auszudrücken oder Neues zu initiieren, ohne zu wissen, ob der Partner/die Partnerin diese Vorstellungen teilt, verlässt man die «Komfortzone», tut aber auch etwas zum Lebendighalten der Sexualität. Denn beim Sex ist es wie beim Essen: Auch eine Leibspeise wird, wenn man sie täglich isst, schnell langweilig. Schon kleine neue Beilagen machen sie wieder interessant.

Was ist Ihre wichtigste Botschaft bzw. das Grundanliegen, das Sie den Paaren weitergeben wollen?

Ein beiderseitiges Engagement ist unabdingbar – auch wenn jede und jeder etwas anderes einbringt. Man sollte die Pflege der Partnerschaft genauso wichtig nehmen wie andere Bereiche des Lebens und sie z. B. nach der Geburt eines Kindes oder während wichtiger beruflicher Projekte nicht allzu lange zurückstellen.

Birgit Kollmeyer ist Diplom-Psychologin, Präventionsdelegierte des Lehrstuhls für Klinische Psychologie und Dozentin an der Universität Zürich.

Bruno Strassmann

Bruno Strassmann

Bruno Strassmann hat in Ehetheologie promoviert, er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Söhnen. Er verfügt über Ausbildungen als analytischer Kinder-, Jugend-und Familienberater sowie als systemischer Eheberater. Nach langjähriger Tätigkeit in der Pfarrpastoral leitet er seit 2007 die Fachstelle Kirchliche Erwachsenenbildung der Katholischen Landeskirche Thurgau in Weinfelden.