In Madagaskar der Schuldenfalle entkommen

Auch in Ambodiafontsy macht die Sparkasse im wahrsten Sinne Schule. Die Lehrerin dieser Vorschule wird mit dem Erlös aus dem gemeinsam angebauten Maniokfeld bezahlt. Bild: Bruno Neuenschwander/Fastenopfer

Das Fastenopfer-Programm in Madagaskar unterstützt über 230 000 Menschen dabei, ihre Schulden loszuwerden. Dank einer so genannten Solidaritätskasse können sich die Menschen aus dem Teufelskreis von Schulden und Armut befreien.

Lemuren im Regenwald, der igelartige Tanrek und Affenbrotbäume: Madagaskars Tier- und Pflanzenwelt ist paradiesisch. Doch die wirtschaftliche Lage ist prekär. Drei Viertel der Bevölkerung lebt mit weniger als 40 Rappen pro Tag. Knappe Ernten, fehlendes Geld für medizinische Betreuung, Einschulung der Kinder treiben sie in die Arme von Geldverleihern. Diese verlangen Wucherzinsen von bis zu 300 Prozent. Die Schulden begleichen, bedeutet sich immer wieder neu verschulden.

Seit rund 20 Jahren führt Fastenopfer deshalb das Projekt «Tsinjo Aina», d. h. auf Malagasy «Das Leben sichern». Verschuldete Menschen werden dabei unterstützt, sich in Spargruppen zu organisieren. Regelmässig legen sie einen kleinen Beitrag in eine Gemeinschaftskasse. So können sich die Mitglieder in der Not mit zinslosen Darlehen aushelfen und weitere Verschuldungen verhindern.

Geld für Ausbildung und Elan für noch viel mehr

Heute existieren in Madagaskar über 15 600 Spargruppen für fast eine Viertelmillion Menschen. Drei Viertel von ihnen leben schuldenfrei dank den Sparkassen. So auch Miasa Filomène. Die sechsfache Mutter muss sich nicht mehr um die Ausbildung der Kinder sorgen. Das Gefühl, zusammen stärker zu sein, trägt auch Früchte ausserhalb des Kreditsystems: Spargruppen derselben Region vernetzen sich. Das Ziel: Kräfte bündeln, um grössere Herausforderungen anzugehen. «Nun wollen wir ein Gemeinschaftsfeld mit Mais und Reis anbauen», sagt Miasa Filomène. Auch Marc Antoine ist Mitglied einer Spargruppe: «Dank dem Netzwerk in den Spargruppen konnten wir brachliegende Reisfelder wieder bewässern. Wir haben die Dorfbewohner mobilisiert, einen Bewässerungskanal zu bauen.»

Sich zusammentun für die Entwicklung

Mehrere Monate dauerte der Bau, aber das Resultat lässt sich sehen: Die Reisproduktion konnte deutlich gesteigert werden, die Familien hungern nicht mehr. Manche können ihr Einkommen erhöhen. «Und wenn die Wasserpumpe eine Panne hat, flicken wir sie gemeinsam», sagt Marc Antoine. In der Folge der verheerenden Überschwemmungen im Jahr 2015 und dem darauffolgenden Preisanstieg für Lebensmittel kamen fast alle Gruppen ohne Hunger über die Runden, weil sie von ihrem gemeinsam angebauten Reis zehren konnten.

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Unterstützen Sie die Frauen und Männer der Spargruppen in Madagaskar, sich selbst aus der Armut zu befreien: Postkonto 60-19191-7 (IBAN CH16 0900 0000 6001 9191 7) mit dem Vermerk «Landesprogramm Madagaskar».

Mehr Informationen unter: www.sehen-und-handeln.ch

 

Florence Frossard

Florence Frossard hat bis Ende 2016 im FastenopferRegionalbüro in Lausanne diverse Aufgaben im Fundraising und der Kommunikation übernommen. Zuletzt war sie Medienbeauftragte von Fastenopfer in Lausanne. In dieser Zeit ist auch die Reportage aus Madagaskar entstanden.