Kirche Schweiz – eine «disfunktionale Familie»

 In seiner Glosse nimmt Heinz Angehrn Bezug auf die Aussage von Nuntius Gullickson anlässlich eines Treffens mit der Allianz «Es reicht!».

Das Reaktivieren alter Adjektive macht zunächst einmal Spass: Eine Dysfunktion ist laut Duden im medizinischen Sinn die «gestörte Tätigkeit eines Organs». Angewendet auf die Kirche als Leib Christi, als geistige «Familie» und damit ergo eine Art «geistiges Organ», ist also zu ergründen, was die Tätigkeit dieses Organs stört, fördert oder behindert. Nun kann dieses Ergründen nicht logisch oder gar politisch erfolgen, sondern es muss theologischer Natur sein.

Es ist darum wie immer beim Religionsgründer und seiner Botschaft vom Gottesreich zu beginnen. Jesus von Nazareth bei Markus (10,43–45) wörtlich «Bei euch soll es aber nicht so sein. Wer der Erste sein will, sei der Diener aller.» Dysfunktional ist der Leib Christi also, wenn Autorität um der Autorität und nicht um des Dienstes an der Gemeinschaft willen behauptet oder gar verteidigt wird. Diese Formulierung Jesu kann nicht als Akzidenz oder als Marginalie seiner Botschaft betrachtet werden, sie ist vielmehr ein zentraler Aspekt seines Verständnisses (genährt durch die Religions- und Systemkritik der Propheten des Ersten/Alten Testaments) von «Reich Gottes» bzw. «Königsherrschaft Gottes». Machtmissbrauch bzw. das Beharren auf geistiger oder weltlicher Autorität um der Autorität willen in religiösem Kontext steht wohl sogar im Zentrum der prophetischen Kritik.

Funktional ist eine solche Gemeinschaft, wenn durch das Zusammenspielen der verschiede-nen Gruppen und Rollenträger (Ehrenamtliche- Angestellte, Klerus-Laien, Bistum-Kantonalkirchen) verhindert wird, dass sich Macht bzw. Autorität unkontrolliert ausbreiten kann bzw. dass durch das Teilen von Macht und Autorität der Forderung des Religionsgründers besser entsprochen werden kann. Eine ständige Metanoia dazu ist meines Erachtens in jeder Pfarrei, jeder Kirchgemeinde, jedem Bistum, jeder Ordensgemeinschaft immer wieder nötig.

Das entspricht auch den Anliegen von Papst Franziskus. Er schreibt dazu in «Evangelii gaudium» (32): «Ich rufe alle auf, grossherzig und mutig die Anregungen dieses Dokuments aufzugreifen, ohne Beschränkungen und Ängste. Wichtig ist, Alleingänge zu vermeiden, sich immer auf die Brüder und Schwestern und besonders auf die Führung der Bischöfe zu verlassen, in einer weisen und realistischen pastoralen Unterscheidung.»