Im Schweigen und im Sein Gott verkünden

Am 2. Februar feiert die Kirche den «Tag des geweihten Lebens». In vielen Bistümern ist es Tradition, an diesem Tag die Frauen und Männer des geweihten Lebens zu einem speziellen Gottesdienst einzuladen. Zu den Personen des geweihten Lebens gehören nicht nur Ordensleute und Mitglieder von apostolischen oder kontemplativen Instituten sowie Säkularinstituten, sondern auch Eremiten, geweihte Jungfrauen und geweihte Witwen.

Papst Johannes Paul II. hat 1997 diesen Tag nicht zufälligerweise auf das Fest «Darstellung des Herrn» gelegt. Das Tagesevangelium (Lk 2,22–40) erzählt, wie Maria und Josef Jesus in den Tempel bringen, um ihn dem Herrn zu weihen. Dort treffen sie auf Simeon und Hanna, die beide seit Jahren auf den ersehnten Messias warten. In dem kleinen Kind erkennen sie den versprochenen Retter Israels. Die Christen haben durch alle Zeiten auf die Wiederkunft Jesu Christi gewartet, um endlich ganz bei ihm zu sein. Einige von ihnen fühlten sich berufen, sich dieser Sehnsucht nach der geistlichen Vereinigung mit Jesus Christus ganz hinzugeben. «In ihnen wohnt in der Tat nur eine Erwartung: die Erwartung des Reiches Gottes: dass Gott in unserem Willen, in unseren Herzen, in der Welt herrsche; in ihnen brennt ein einziger Durst nach Liebe, den allein der Ewige zu stillen vermag.»1

Ganz in Gottes Händen

Das Evangelium berichtet, dass Jesus einige seiner Jünger zu einer besonderen Nachfolge einlud. Sie sollten ihr Leben dem Dienst am Reich Gottes widmen. Dies setzte voraus, dass sie alles verliessen und die Lebensform Jesu Christi nachahmten.2 Die Nachfolge im gottgeweihten Leben betrifft somit die ganze Existenz: Im Innersten von der Liebe Gottes getroffen, spürt der Betreffende, «mit der bedingungslosen Hingabe seines Lebens antworten zu müssen, indem er alles, Gegenwart und Zukunft, in seine (Gottes) Hände hinein opfert».3

Verkünden durch Schweigen und Sein

Insofern das geweihte Leben ganz in der Nachfolge Jesu Christi gemäss dem Evangelium gründet, halten die Personen des geweihten Lebens die Botschaft des Evangeliums im Bewusstsein der Menschen wach. Selbst das Schweigen der kontemplativen Frauen und Männer wird so zur Verkündigung des Reiches Gottes.

Die Menschen des geweihten Lebens sind auch ein eschatologisches Bild für die Kirche als himmlische Braut, die auf ihren zukünftigen Bräutigam wartet. Mit ihrem Leben, ihrem Reden und Schweigen verweisen sie auf das zukünftige Leben in Christus, das in Bruchstücken schon angebrochen ist. «Innerhalb des Volkes Gottes sind die Gottgeweihten gleichsam Wächter, die das neue Leben, das in unserer Geschichte schon vorhanden ist, erblicken und verkünden.»4

Ökumenische und interreligiöse Dimension

Formen des geweihten Lebens gibt es nicht nur in der katholischen Kirche, sondern auch in den orientalischen Kirchen, den anglikanischen Gemeinschaften sowie den Gemeinschaften, die aus der Reformation heraus entstanden sind. Die Sehnsucht nach einer tieferen Gemeinschaft mit Jesus Christus kennt keine konfessionellen Grenzen und kann aus diesem Grund eine spirituelle Triebkraft für die Ökumene sein.5

Viele junge Gemeinschaften sind in Ländern entstanden, die mehrheitlich nicht christlich sind. Hier bietet sich eine wunderbare Gelegenheit für den interreligiösen Dialog. Papst Johannes Paul II. sieht in Vita Consecrata 102 drei Möglichkeiten dazu: 1. Das Zeugnis eines einfachen, demütigen und keuschen Lebens. 2. Die gemeinsame Sorge um den Schutz des menschlichen Lebens. 3. Die Förderung der Würde der Frau.

Schöpferische Treue

Was Papst Franziskus in seinem Schreiben zum Jahr des geweihten Lebens in Bezug auf die religiösen Institute geschrieben hat, kann auf alle Formen des geweihten Lebens ausgeweitet werden: «An seinem Ursprung steht das Handeln Gottes, der in seinem Geist einige Menschen in die engere Nachfolge Christi ruft, um das Evangelium in eine besondere Lebensform zu übertragen, die Zeichen der Zeit mit den Augen des Glaubens zu lesen und mit Kreativität auf die Bedürfnisse der Kirche zu antworten.»6


Rosmarie Schärer

1 Predigt von Papst Benedikt XVI. am Tag des geweihten Lebens 2007 (http://w2.vatican.va).
2 Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita Consecrata, 14.
3 Vgl. ebd., 17.
4 Predigt von Papst Benedikt XVI. am Tag des geweihten Lebens 2006 (http://w2.vatican.va).
5 Vgl. Vita Consecrata, 100.
6 Apostolisches Schreiben Seiner Heiligkeit Papst Franziskus zum Jahr des geweihten Lebens, 1.