«Ich finde die SKZ gut und notwendig»

Berchtold Müller war in der Zeit, als Urban Fink Redaktor der SKZ war, als Abt des Klosters Engelberg Mitglied der Redaktionskommission. Im Gespräch mit Heinz Angehrn blickt er auf diese Zeit zurück.

Dr. theol. Berchtold Müller OSB (Jg. 1940), war von 1988 bis 2010 der 58. Abt des Klosters Engelberg und von 2003 bis 2016 Mitglied der Redaktionskommission der SKZ. (Bild: zvg)

 

SKZ: Sie waren Vertreter des Bistums Chur in einer angespannten Situation. Wie kam es zu Ihrer Berufung?
Berchtold Müller: Ich wurde von Bischof Amédée Grab und dem Bischofsrat der Diözese Chur im Januar 2004 in diese Kommission berufen. Ich nahm die Ernennung gern an, da ich in der Mitarbeit bei der SKZ eine Fortsetzung meines früheren Engagements in der IKK sah. Als Benediktinerabt, Pastoraltheologe und Lehrer sowie Verantwortlicher für die eigene Mittelschule und das Missionskloster Mont Febe in Kamerun brachte ich einen weiten Erfahrungshorizont in die Kommission ein.

Ich erlebte Sie als gemässigten Konservativen, der eine gewisse Skepsis gegen übertriebene Erwartungen und ungeduldige Fortschritts­gläubigkeit zeigte.
Der Eindruck täuscht nicht. Die lange Tradition der Kirche und der Benediktiner sind für mich der Stamm, durch den die Kraft der Wurzeln, das Evangelium Christi, Äste und Zweige bildet und gute Früchte bringt. Ich erfuhr das Zweite Vatikanische Konzil als wirkliche Erneuerung. Seine kontroverse Rezeption bestärkte mich später in der Überzeugung, dass Erneuerung nur möglich ist auf Grund des Evangeliums und in Rücksicht auf die lange Tradition des Glaubens und Lebens, nicht als Seilziehkampf zwischen Traditionalisten und Fortschrittlichen.

In die Zeit Ihrer Mitarbeit fällt das Pontifikat von Benedikt XVI. Wie ist in der Distanz von einigen Jahren dieses Pontifikat beurteilen?
Ich denke, dass wir noch nicht genügend Distanz haben, um die ganze Bedeutung seines Pontifikats zu beurteilen. Ich habe Professor Ratzinger beim Studium in Münster erlebt. Er war ein ausgezeichneter Theologe und frommer Priester, persönlich eher zurückhaltend, mit der Tradition verbunden und offen für neue Ansätze. Seine Enzykliken sind hervorragende Zeugnisse der Liebe Gottes in der Welt. Intrigen und Missbrauch des Vertrauens im Vatikan vor seinem Rücktritt waren ein tragisches Zeichen für das turbulente Fahrwasser, in das die Kirche geraten war.

Sie wurden im Rahmen einer Umstrukturierung kurzerhand vom Bischof von Chur aus der Kommission abberufen. Wie empfanden Sie dies? Wir fanden es unfair.
Einerseits empfand ich den Vorwurf nicht richtig, der mir an einer Sitzung der DOK von bischöflicher Seite gemacht wurde. Die SKZ ist keine Interessenvertretung oder Verteidigung eines Bistums. Hingegen stimmte ich zu, dass das Bistum Chur zu wenig und oft nur wegen Kontroversen präsent war. Nachdem ich erfahren hatte, dass eine Neuorganisation der SKZ geplant war, fand ich die Zeit für meinen eigenen Rücktritt gekommen. Der Brief von Bischof Vitus über die Beendigung meiner Delegation im Dezember 2014 hat mich deshalb nicht enttäuscht, sondern etwas entschieden, was ich selbst als sinnvoll ansah.

Es stellt sich die Frage, ob es in einer veränderten Medienwelt noch eine SKZ braucht.
Ich finde die SKZ gut und notwendig. Sie bringt eine ansprechende Mischung von wissenschaftlichen Beiträgen, sachlichen Informationen, unterschiedlichen Meinungen und Anregungen. Das Problem der schwindenden Abonnentenzahl und der Kosten bleibt bestehen. Trotzdem meine ich, dass die SKZ beibehalten und die nötige Unterstützung erhalten werden sollte. Viele Leute möchten etwas Gedrucktes vor sich haben. Sie suchen nach sinnvollen Argumenten und Anregungen für den Glauben und ihr Leben. Die SKZ stärkt das Gemeinschaftsgefühl, gerade weil die Kirche und die Gemeinden kleiner geworden sind.

Was sagen Sie zur Krise unserer Kirche wegen der Berichte über sexuelle Übergriffe und den Missbrauch durch Kleriker?
Der Umgang mit der Sexualität ist eine wichtige Aufgabe der persönlichen Entwicklung für das eheliche und das zölibatäre Leben. Die Kirche entwickelte keine klare Linie zwischen Rigorismus, Marginalisierung und der aufbauschenden Sexualisierung der Gesellschaft. Sie verpasste es, den Leuten, die sie zum Zölibat verpflichtete, zu zeigen, wie sie ihre Libido und ihr emotionales Leben entfalten und die «Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen» bejahen und durchhalten können. Auch Vorgesetzte kamen mit den Missbrauchsfällen schlecht zurecht und hielten sie möglichst unter dem Deckel der Verschwiegenheit und Vertraulichkeit. Die Zulassung zum Priestertum für «Viri probati» würde zeigen, dass die Ehe und die Ehelosigkeit zwei Seiten der einen Medaille sind: Ein Dienst für Gott und die Menschen.

Interview: Heinz Angehrn