SKZ: Podcasts erfreuen sich bei Nutzerinnen und Nutzern sehr grosser Beliebtheit. Ines Schaberger, Sie leiten den «fadegrad»-Podcast. Es ist ein ökumenisches Projekt. Wie kam es zu diesem Podcast?
Ines Schaberger: Immer mehr Menschen konsumieren Audio-Inhalte «on demand», also digital, zeit- und ortsunabhängig. Sie stellen sich ihr eigenes Radioprogramm zusammen und hören das, was sie interessiert, wann und wo sie wollen. Diesen Trend hat auch die ökumenische Medienarbeit der katholischen und reformierten Kirche St. Gallen, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden erkannt. Zwölf Jahre lang hatte sie die Sendung «Gott und d’Wält» bei Radio FM1 finanziert. Über die Jahre wurde die Sendezeit jedoch immer kürzer und am Sonntagmorgen war keine geeignete Zeit mehr für die Kirchensendung. Ich bin froh, dass wir den mutigen Schritt gewagt haben, auf das Format Podcast umzusteigen und diesen kostengünstiger selbst zu produzieren. Denn, wenn Kirche da sein will, wo Menschen sind, dann ist das auch auf Spotify, Apple Podcasts und Youtube. Meines Wissens ist «fadegrad» der erste ökumenische Podcast in der Schweiz, was mich sehr freut!
Welche Ziele verfolgen Sie mit dem «fadegrad»Podcast?
Wir sind ein Team von vier «Podcast-Hosts», drei Gastgeberinnen und ein Gastgeber. Abwechselnd befragen wir Menschen, warum sie tun, was sie tun und wie sie geworden sind, wer sie sind. Dabei stellen wir die grossen Fragen des Lebens «fadegrad», unverblümt und ohne Tabus. Wir wollen aufzeigen, «wo Kirche drin steckt», wo man sie nicht erwarten würde: in der Gefängnisseelsorge, in der Paarberatung oder in der Jugendarbeit.
Was mögen Sie beim Erstellen eines Podcast?
Ich mag den gesamten Prozess: das Brainstorming im Team, mir Fragen und einen roten Faden fürs Interview zu überlegen, die Reise zum Interview – denn wir haben ein mobiles Studio und nehmen meist vor Ort auf – und das Interview selbst. Danach beginnt die Routinearbeit: Podcast schneiden und hochladen sowie Artikel für die Website schreiben. Ich bin sehr froh, dass mir eine Praktikantin der evangelisch-reformierten Kantonalkirche St. Gallen hilft, beispielsweise die Podcast-Bilder und Zitateposts für Instagram zu erstellen.
Was macht Podcasts bei Nutzerinnen und Nutzern so beliebt?
Podcasts kann man überall hören: beim Staubsaugen, Joggen oder im Bus zur Arbeit. Sie machen Routineaufgaben spannender und weiten den eigenen Horizont.
Wo sehen Sie das Potenzial von Podcasts, auch für die Kirche?
Kirche muss sehr komplexe Themen kommunizieren. Das ist gut so, denn die Welt ist nicht schwarz-weiss, sondern vielfältig und bunt. Eine Newsmeldung in Radio oder Fernsehen kann dies oft nur schwer abbilden. Reisserische Headlines bringen halt leider die meisten Klicks. Ein Podcast erlaubt es, ein Thema vertieft zu besprechen und den Dialog zu fördern. Beim Hören eines Podcasts habe ich das Gefühl, ich sitze am Sofa mit den Personen, die sich austauschen und bekomme hautnah mit, worüber sie sprechen. Unseren «fadegrad»-Podcast haben wir zudem so angelegt, dass er nicht nur Einwegkommunikation ist: Via «anchor.fm» können Menschen uns Sprachnachrichten schicken. Auf Instagram lancieren wir Rätsel oder erfragen Stimmungsbilder zu kontroversen Themen. Es ist schön, wenn dann Rückmeldungen kommen wie «Berührt mich!», «Die Interviewpartnerin hat mir aus dem Herzen gesprochen», «Danke für die ernsthaft-feinfühlige Weise, das Interview zu führen» oder «So ein tolles Projekt! Mutig auch, wenn es um heikle Themen geht».
Welche weiteren Kirchen-Podcasts gibt es und welche Trends zeichnen sich ab?»
Es gibt tolle Kirchen-Podcasts in der Schweiz, allen voran vom Reflab in Zürich.2 «Gott und Filterkaffee» heisst der Podcast der katholischen Kirche im Kanton Zürich.3 Es gibt einige Podcasts zur Kirchenentwicklung wie «Aufwärts stolpern»4 der evangelisch-reformierten Kirchgemeinden der Schweiz oder «Windhauch» von «ruach.jetzt»5 in Deutschland. Was ich persönlich nicht hören kann: Langweilige Sonntagspredigten, die auf Spotify geladen werden in der Hoffnung, dass so mehr Menschen zuhören. Wenn Kirchgemeinden und Pfarreien ihre eigenen Podcasts lancieren, ist ihre Reichweite naturgemäss sehr gering, da die Zielgruppe nur die eigene Gemeinde ist. Viele Podcaster in der Schweiz stehen vor der schwierigen Entscheidung, ob sie den Podast auf Schweizerdeutsch oder Hochdeutsch produzieren wollen. Schweizerdeutsch ist persönlicher, jedoch reduziert sich die potenzielle Zielgruppe dadurch drastisch. Ich hoffe, dass wir vermehrt ökumenisch und überregional zusammen arbeiten, um Synergien zu nutzen und spannende Gedanken weiterzuverbreiten.
Wenn jemand oder eine Gruppe einen Podcast erstellen will, auf was haben sie besonderszu achten?
Einen Podcast zu produzieren, macht viel Arbeit. Das unterschätzen viele. Daher ist es wichtig, sich vorher zu überlegen, wie viel Zeit man investieren kann, wer die Zielgruppe sein soll und wie regelmässig der Podcast erscheint. Ich persönlich mag «Laber-Podcasts» nicht so, die scheinbar ohne Konzept auskommen, höre jedoch sehr gerne gut geführten Gesprächen oder spannenden Reportagen zu. Daher ist es meiner Meinung wichtig, sich vorher ein Thema und Fragen zu überlegen. Findet das Interview in einem geschlossenen Raum statt, so sollte dieser nicht hallen – mittlerweile achte ich immer darauf, ob ein Raum Bücherregale, Sofas oder Vorhänge hat! Ich hatte schon die laufende Geschirrspülmaschine oder eine pfeifende Heizung auf der Aufnahme, die ich nicht mehr rausfiltern konnte. Alternativ können sie sehr gute Mikros kaufen oder Mitglied des Podcast Club Switzerland werden und sich ein Studio im Podcast Tower in Zürich mieten.
Was sind Kriterien für einen hörenswerten oder sehenswerten Podcast?
Spannende Themen, «fadegrade» Fragen und eine wohlwollende Gesprächsatmosphäre.
Erzählen Sie uns zum Schluss eine eindrückliche Erfahrung.
Ich war wohl noch nie so aufgeregt vor einer Aufnahme wie beim Gespräch mit Rebecca, die sowohl ihre Mutter als auch ihren Bruder durch Suizid verloren hat. Wir machten mehrere Pausen beim Gespräch. Als sie den Podcast probegehört hatte, schrieb sie mir: «Ich habe Tränen in den Augen, aber vor Freude. Ich habe mir meine Aufnahmen viel ‹schlechter› vorgestellt. Danke dir fürs gute Zusammenschneiden». Ich bin voller Bewunderung für diese junge Frau und den Mut, ihre Geschichte mit uns zu teilen.
Interview: Maria Hässig