Heute Diakon sein

Urs Corradini-Stadler, Diakon (zVg)

Vor 50 Jahren schuf Papst Paul VI. im Nachgang zu den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils mit dem Motu Proprio "Sacrum diaconatus ordinem" die Grundlage für die Wiedereinführung des Ständigen Diakonates. Ziemlich genau neun Jahre später, am 30. Mai 1976, wurde in der Schweiz der erste verheiratete Laie im kirchlichen Dienst zum Diakon geweiht.

Die Diskussionen im Vorfeld waren sehr kontrovers. Schon in den Konzilsberatungen war das neue Amt umstritten. Das wichtigste Argument der Gegner war die Angst um die schrittweise Abschaffung des Zölibates. Andere befürchteten eine Zweiteilung des Klerus. Wieder andere hielten den Diakonat schlicht für überflüssig, da seine Aufgaben von Laien übernommen werden könnten. Am Schluss stimmten 1903 Konzilsväter der Erneuerung des Ständigen Diakonates zu, 242 lehnten sie ab.1

Aussagen des Konzils

In der Kirchenkonstitution Lumen Gentium findet sich die erste Referenzstelle für die Wiedereinführung des Ständigen Diakonates. Als Begründung für das neue Amt wird vorgebracht, dass die Ämter, die dem Diakon zukommen (unter anderem taufen und Eucharistie austeilen; am Schluss werden noch "die Pflichten der Liebestätigkeit und der Verwaltung" genannt), in vielen Gebieten der Welt "bei der gegenwärtig geltenden Disziplin der lateinischen Kirche (…) nur schwer ausgeübt werden können" (Nr. 29). Die Ständigen Diakone sollten also im Tätigkeitsbereich der Priester, in der Seelsorge, ihren Ort finden und die Priester in gewissen Aufgaben entlasten und ersetzen. Dabei spielte die Erfahrung des Priestermangels in Missionsländern eine wichtige Rolle. Im Missionsdekret Ad Gentes wird die Wiedereinführung des Ständigen Diakonates in Nr. 16 mit der Notwendigkeit diakonischer Ämter für die Kirche begründet. Diesmal steht also ein sozial-karitatives Profil im Vordergrund. Beide Perspektiven wurden auch bei der Umsetzung des neuen Amtes in der Schweiz wegleitend.

Dabei hielt sich die Begeisterung für den Ständigen Diakonat zunächst in Grenzen: Seitens der Theologiestudierenden des Bistums Basel gab es wenig Zustimmung zum neuen Amt. Auch die Regentenkonferenz äusserte sich ablehnend. Einerseits erwartete man in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts bald die Aufhebung der Zölibatsverpflichtung, so dass für verheiratete Männer der Weg zur Priesterweihe offenstünde und der Ständige Diakonat für Laientheologen keine Option mehr wäre. Andererseits war man gerade dabei, den Dienst der theologisch ausgebildeten Laien in der Kirche zu etablieren, was dem Streben nach der Ordination entgegenstand. Die Synode 72 empfahl den Schweizer Bischöfen, den Ständigen Diakonat in ihren Diözesen einzuführen. Der Diakonat wurde dabei als karitativer Dienst verstanden, für den Männer in sozialen Berufen in Frage kämen, nicht Laientheologen.

Beitrag zur Vielfalt kirchlicher Dienste

Der Basler Bischof Anton Hänggi sah im Ständigen Diakonat einen Beitrag zur Vielfalt der kirchlichen Dienste und einen Schritt auf dem Weg zu Viri probati sowie zur Diakonenweihe für Frauen. Er verstand ihn im Gegensatz zur Synode als liturgisch-verkündigenden Dienst. Kandidaten sah er darum vor allem unter den Laientheologen, die sich in der Pastoral bewährt hatten. In den ersten "Richtlinien für den eigenständigen Diakonat in der deutschsprachigen Schweiz"2 von 1981 wurden zwei Ausprägungen des Ständigen Diakonats vorgesehen: Der Diakonat kann ein sozial-karitativer Dienst sein, der keine volle theologische Ausbildung voraussetzt, jedoch eine solche für das jeweilige zivile Tätigkeitsfeld; liturgisch-pastorale Aufgaben sind dabei nur am Rand vorgesehen. Er kann aber auch ein pastoral-liturgischer Dienst und hauptberuflich in der Pfarreiseelsorge angesiedelt sein. Diese beiden Varianten blieben auch in den erneuerten Richtlinien von 19843 enthalten. Dort steht, dass sich das Profil des Diakons "nicht eindeutig und definitiv bestimmen"4 lasse. Je nach Eignung der Kandidaten und Entscheid der Diözese könne der Diakonat eine pastorale oder eine sozial-karitative Ausprägung erhalten.5

Mein Weg zum Diakonat

Der Diakonat ist in den verschiedenen Diözesen der Schweiz dann auch unterschiedlich umgesetzt worden. Im Bistum Basel, wo ich vor 13 Jahren zum Diakon geweiht wurde, ist er ein pastoraler Dienst. Und so übe ich ihn auch aus, jetzt als Gemeinde- und Pastoralraumleiter. Die ersten Berufsjahre war ich als Pastoralassistent tätig. Danach nahm ich ein Doktoratsstudium in Angriff und arbeitete teilzeitlich als Universitätsseelsorger und Kursleiter in der Berufseinführung des Bistums Basel. Als der Abschluss der Doktorarbeit in Griffnähe kam, klärte ich mit dem diözesanen Personalamt meine mittelfristige berufliche Zukunft. Diese sollte mich wieder zurück in die Pfarreiseelsorge führen. Das war für mich der Moment, mich als Kandidat für den Ständigen Diakonat zu melden. In meinem Doktoratsstudium hatte ich mich eingehend mit den verschiedenen pastoralen Diensten auseinandergesetzt und mir dazu eine fundierte Meinung gebildet.6 Es ist für die Kirche eine grosse Bereicherung, dass es inzwischen verschiedene Möglichkeiten für einen kirchlichen Dienst gibt. Etliche stehen Frauen und verheirateten Männern offen, auch Leitungsaufgaben bis in die Bistumsleitungen. Für den Dienst der Laientheologen/innen fand ich eine solide theologische Grundlage im Zweiten Vatikanischen Konzil. Als Laie im kirchlichen Dienst hatte ich viele positive Erfahrungen gemacht und nie darunter gelitten, nicht ordiniert zu sein.

Meine Motivation für den Ständigen Diakonat war eine zweifache: Die Ordination bedeutet die sakramental und kirchenrechtlich höchste Verbindlichkeit für den Dienst in der Kirche, verbunden mit dem Zuspruch der Gnade Gottes und der Annahme der Bereitschaft des Kandidaten durch den Bischof. Dazu war ich bereit. Zum Zweiten hat der Diakon eine klar umschriebene Rolle in der Liturgie und ist sakramental beauftragt zur Taufspendung und zur Eheassistenz. Der Entscheid für den Diakonat war für mich ein logischer nächster Schritt für die Arbeit in der Seelsorge. Ich hatte meine Berufung im kirchlichen Dienst gefunden und würde in den nächsten Jahren vorwiegend in der Pfarreiseelsorge tätig sein.

Kaum hatte ich mich in meiner neuen Pfarrei eingelebt und mich für den Ständigen Diakonat angemeldet, fragte mich Bischof Kurt Koch, ob ich bereit wäre, die Aufgabe als Bistumsregionalverantwortlicher im neu zu bildenden Bischofsvikariat St. Viktor zu übernehmen. Diese Anfrage stellte für mich eine mögliche Weihe zum Ständigen Diakon in Frage, da ich den Diakonat als pastoralen Dienst verstand und die Weihe für eine Verwaltungsaufgabe kaum Sinn macht. Bischof Kurt wies mich jedoch darauf hin, dass der Diakon seit der frühen Kirche der Helfer des Bischofs ist; als Bistumsregionalverantwortlicher wäre ich genau das. Ich sagte für die neue Aufgabe zu und wurde 2004 zum Diakon geweiht, konnte aber in einem kleinen Pensum weiterhin in der Pfarreiseelsorge tätig sein.

Theologische Überlegungen

Der Diakon ist zum Dienst für den Bischof geweiht, dort wo dieser ihn braucht. Mit Ralf Miggelbrink kann man sagen, dass der Diakon "im allgemeinsten Sinn der sakramentale Diener seiner Kirche (ist), der insbesondere da bedeutsam werden kann, wo die festen Strukturen fehlen"7. Das ergibt ein offenes Berufsprofil, was zum Dienstcharakter dieses Amtes passt. Dass verschiedene Berufsgruppen im gleichen Arbeitsfeld tätig sind und zugleich verschiedene Beauftragungen haben, ist für alle Beteiligten eine Herausforderung. Der Unterschied zwischen ordinierten und nicht-ordinierten Diensten besteht in der Weihe, welche einen anderen (Stand-)Ort des kirchlichen Handelns begründet.8 Aufgrund seiner Teilhabe am Weihsakrament repräsentiert der (Ständige) Diakon wie der Priester und der Bischof Christus gegenüber der Gemeinde, wenn auch auf andere Weise als diese. Die Diakone sind durch Handauflegung und Gebet nämlich nicht zum Priestertum, sondern zur Dienstleistung ordiniert für die Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebestätigkeit in Zusammenarbeit mit Bischof und Presbyterium.9 Diesen Unterschied innerhalb des Ordo hat Papst Benedikt XVI. 2009 im Motuproprio "Omnium in mentem" betont. Damit kommt der Diakonat der Frau wieder ins Blickfeld, auch wenn dies Papst Benedikt kaum beabsichtigt haben dürfte. Die Diakonenweihe für Frauen ist bisher vom Lehramt nicht explizit ausgeschlossen worden. Das ist nur bei der Priesterweihe der Fall.10 Aufgrund der Einheit des dreifachen Ordo legte sich der Schluss nahe, dass damit auch eine mögliche Diakonenweihe für Frauen negativ präjudiziert sei. Wenn nun das Lehramt selbst die Differenz innerhalb des Ordo betont, lässt sich das nicht mehr behaupten.

Drei Typen Ständiger Diakone

"Der Samariter ist der sozial-karitative Diakon, der den Menschen helfen will. Der Prophet will die Strukturen der Kirche und der Gesellschaft verändern und macht sich für die Gerechtigkeit stark. Der Levit schliesslich ist der pastoral tätige Diakon, der sich als Teil des kirchlichen Amtes versteht." Zulehner nennt ihn den "Kryptopriester unter den Diakonen". Die drei Typen kommen insgesamt etwa gleich oft vor. Allerdings gibt es in vielen Diözesen klare Tendenzen zu einem bestimmten Typus. In den befragten Schweizer Diözesen (Chur und St. Gallen) hat der Levit besonders hohe Anteile (56 bis 67 Prozent), während der Prophet mit 0 bis 13 Prozent kaum vorkommt und der Samariter auf 31 bis 33 Prozent kommt. (Zitat aus Zulehner Paul M./ Patzelt Elke: Samariter – Prophet – Levit. Diakone im deutschsprachigen Raum. Eine empirische Studie, Ostfildern 2003.)

 

 

 

1 Vgl. A. Weiss: Der Ständige Diakon. Theologisch-kanonistische und soziologische Reflexionen anhand einer Umfrage, Würzburg 1991, 75.

2 In: SKZ 149 (1981), 295–296.

3 In: SKZ 153 (1985), 29–30.

4 Nr. 2.4.

5 20 Jahre später identifiziert eine Studie drei Typen Ständiger Diakone: Samariter, Propheten und Leviten (siehe Kasten S. 504).

6 Vgl. U. Corradini: Pastorale Dienste im Bistum Basel. Entwicklung und theologische Konzeption nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, Fribourg 2008.

7 R. Miggelbrink: Die "verschiedenen Dienstämter" (LG 18) und die Einheit des Ordo. Zum Spezifikum des diakonalen Amtes, in: K. Armbruster, M. Mühl (Hg.): Bereit wozu? Geweiht für was? Zur Diskussion um den Ständigen Diakonat, Freiburg i. Br. 2009, 204–221, hier 214.

8 Vgl. E.-M. Faber: Zur Theologie des sakramentalen Diakonates, in: Pastoralblatt für die Diözesen Aachen u. a., 57 (2005) 35–39.

9 Vgl. Pontifikale für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachraumes, hrsg. von den Lit. Instituten Salzburg, Trier und Zürich, Bd. I: Die Weihe des Bischofs, der Priester und der Diakone, Freiburg i. Br. 1994, Allgem. Einführung, Nr. 5.

10 Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung "Inter insigniores" zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt vom 15. 10. 1976, und Johannes Paul II: Apostolisches Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe vom 22. 5. 1994, hrsg. vom Sekretariat der DBK, Bonn 1994.

Urs Corradini-Stadler

Dr. theol. Urs Corradini-Stadler ist Diakon und Leiter des Pastoralraumes Mittleres Entlebuch