SKZ – Erneuern und gut bleiben

Alles wird neu bei der "Schweizerischen Kirchenzeitung" ab 2018: Mit neuer Redaktion und neuem Konzept wird eine neue Dialogplattporm geschaffen.

Im November 2016 nahm die Herder Korrespondenz ihre 70 Jahre in den Blick. Im Vorspann zum Leitartikel schreibt Volker Resing: "Die kirchliche Publizistik steckt in einer Krise. Der eigentliche Grund sind nicht die sinkenden Auflagezahlen. Vielmehr leiden die Medien an einer Identitätskrise. Es fehlt an der Auseinandersetzung mit der Geschichte und an munterer Kontroverse." (Herder Korrespondenz 11/2016, 4) Volker Resing erinnert an die kirchliche Zensur der Herder Korrespondenz bis in die späten Sechzigerjahre. Wo katholisch draufstand, sollte auch kirchentreu drin sein. Im medialen Stimmengewirr habe ich dafür wieder Verständnis, zumal Fama und Faktizität, Wahrheit und Lüge gleichermassen über Medien "transportiert" werden. Bereits haben Wahrheitsprüferagenturen ihre Arbeit aufgenommen. Trotzdem – Zensur rufe ich nicht herbei. Profil darf sein.

Identität

Welche Identität wünschen sich die herausgebenden Bischöfe von Basel, Chur und St. Gallen für die "Schweizerische Kirchenzeitung" ab ihrem 186. Jahrgang? Sie sehen die SKZ als brückenbauende Fachzeitschrift für Theologie und Pastoral. Mit dieser Brückenfunktion zwischen verschiedenen Positionen unterstützt die SKZ die Bischöfe in ihrem Dienst an der Einheit. Das breite Spektrum theologischer Überzeugungen und kirchlicher Positionierungen wird in der SKZ abgebildet. Frauen und Männer verschiedener Ausrichtung, Fachleute aus Theorie und Praxis kommen miteinander ins Gespräch. Ohne dafür Pate gestanden zu haben, hat Volker Resing das Besondere daran, er sagt, das "Moderne", gut ins Wort gefasst: "… Meinungsbildung und Meinungspluralität (sind) Teil kirchlicher Wirklichkeit, auch Teil von Glaubens- und Verkündigungswirklichkeit … Meinungsverschiedenheiten gab es in der Kirche immer. Das Moderne ist, diese nicht zwingend als Bedrohung wahrzunehmen." (Herder Korrespondenz 11/2016, 5)

Dies gelingt eher, wenn Identität nicht statisch, sondern dynamisch gedacht wird. Der moderne Mensch lebt ein "Patchwork von Identitäten" (Heiner Keupp). Sich selber bleiben erfordert stete Identitätsarbeit, damit erfahrene Unbeständigkeit, Ungewissheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit zusammengehalten werden. Wer eine Fachzeitschrift beauftragt, kirchliches Personal bei dieser Identitätsarbeit zu unterstützen, stellt dieses Produkt in den Regen. Erfüllt diese Zeitschrift nämlich ihren Auftrag, macht sie es niemandem recht. Sie riskiert, den einen zu brav, den andern zu frech zu sein. Sie brüskiert die einen und langweilt die anderen. Die einen empfinden Staub in der Nase, die andern brennt es auf den Nägeln. Ich erinnere an ein Wort von Thomas von Aquin in seiner "Summa theologiae": Quidquid recipitur, semper ad modum recipientis recipitur (Sth I q. 12 a. 4). Was immer auch aufgenommen wird, wird immer gemäss der Art des Empfängers aufgenommen. Redaktorinnen und Autoren geben einer Zeitschrift Gesichter, die Leserinnen und Leser bilden Identitäten. Was eigene Überzeugungen bestätigt, liest sich einfach leichter. Widerständiges bedroht, weckt Abwehrmechanismen.

Herausforderung

"Modern" zu sein im erwähnten Sinne, bedingt die Überwindung spontaner Abwehrmechanismen, um hinstehen, reflektieren, debattieren und unterscheiden zu können. Es ist dann nicht einfach alles klar. Manches bewegt sich doch. Handelt sich, wer so nach Wahrheit sucht, den Vorwurf des Relativismus ein? Relativ meint in Bezug zu jemandem oder etwas stehen. Wer den Bezugspunkt fortwährend ändert, endet im Begründungsnotstand. Relativismus bezeichnet den Verzicht auf bleibende Bezüge.

Daran krankt die christliche Debatte in der Regel nicht; denn jede und jeder reklamiert für sich den Bezug auf Jesus Christus und seine Botschaft. Es ist neu zu entdecken, dass die Debatte nicht nur die Debattierenden zueinander in Beziehung setzt, sondern auch in Beziehung zur debattierten Sache, die hier ja letztlich eine Person ist. Wer ernsthaft miteinander ringt, stärkt das Gemeinsame, das Verbindende. Es ist nach dem Fundament zu suchen, auf dem alle stehen. Paulus schreibt es an die streitbaren Korinther so: "Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus." (1 Korinther 3,11)

Kann die Durchsichtigkeit auf Jesu Christi Wort und Beispiel, auf die Tradition(en) hin ein Kriterium sein, um als Stimme im Dialog der Suchenden gehört zu werden? Ja. Nur wird "Durchsichtigkeit" unter der Bedingung menschlicher Endlichkeit kaum eindeutig sein. Es bleibt Verschiedenheit. Sie zu ertragen ist gerade dann, wenn ich meine, gefunden zu haben, herausfordernd. "Die einzige Möglichkeit, dies zu ertragen, ist der Diskurs, die kontroverse Debatte. Das muss die katholische Kirche dringend üben, sonst droht ihr nämlich viel eher das Schisma." (V. Resing, Herder Korrespondenz 11/2016, 5)

Die Bischöfe werden sich einbringen. Ihre Argumente werden erwogen. Eine Widerrede werden sie ihrerseits bedenken. Über weite Strecken werden sie auch als Suchende mitgehen können. Dann und wann werden sie eine Grenze ziehen. Das schulden sie dem Diskurs qua ihres Amtes als Hirten und Lehrer. Wenn solche Interventionen vergleichbar sind mit Leitplanken in scharfen Kurven, wird der Dialog dadurch nicht unterbunden, sondern neu ausgerichtet. Das ist für alle Beteiligten anspruchsvoll. Solange sie sich aber ansprechen, einander in die Augen schauen, aufeinander hören, solange bleiben Wege offen.

Dialog und Debatte

Im neuen Herausgeberstatut für die SKZ, das in der Nummer 1/2018 veröffentlicht werden wird, heisst es zum Auftrag (Abschnitt 2.1.1): "Die SKZ wird als Ort des Dialogs und der Debatte positioniert. Themen werden von der Redaktion aufgegriffen sowie von den Bischöfen angeregt. Dabei bildet sie das gesamte Meinungsspektrum der römisch-katholischen Kirche ab …"

Dieser Auftrag ist anspruchsvoll, sowohl für die dreiköpfige Redaktion wie für die vierköpfige Redaktionskommission. Sie werden für die Konzipierung der einzelnen Nummern intensiv zusammenarbeiten, um in der Themensetzung und in der Auswahl der Autorinnen und Autoren dem erwarteten Anspruch gerecht werden zu können.

Selbstverpflichtung

Die herausgebenden Bischöfe kennen den Disput untereinander. Sie wagen eine Positionierung der SKZ für die Förderung einer Debattenkultur. Das ist beachtlich. Sie nehmen damit auch sich selber in Pflicht. Diese Kultur wird zum Leben erweckt, wenn unterschiedliche Autorinnen und Autoren bereit sind, ihre Stimme in die Debatte einzubringen. Ich hoffe darauf.

Diese Kultur braucht offene, lernbereite und nachdenkliche Leserinnen und Leser. Sie kennen ihren Standpunkt und entwickeln ihn weiter. Sie können andere Meinungen hören, ohne mit Verärgerung oder Weihrauch zu reagieren. Vielleicht bezeichnet das in den neutestamentlichen Briefen öfter genannte "nüchtern sein", bei klarem Verstand, eine Haltung, die der Debattenkultur dient.

Ernstfall

Die "Schweizerische Kirchenzeitung" wird nun zu einem Ernstfall innerkirchlicher Verständigung für die römisch-katholische Kirche in der Deutschschweiz. Gelingt ihr die Förderung der Debattenkultur, unterstützt durch Autorinnen und Autoren, getragen durch Abonnentinnen und Abonnenten, dann wird ihre Stimme auch in der ausserkirchlichen Öffentlichkeit gehört werden. Dann wird die SKZ auch in den kommenden Jahren eine Referenz in Sachen Theologie und Pastoral bleiben. Das ist ihr zu wünschen für eine Kultur der Verständigung in Kontroversen.

 

Markus Thürig

Dr. Markus Thürig ist Generalvikar der Diözese Basel und residierender Domherr des Standes Luzern sowie Präsident der Herausgeberkommission der Schweizerischen Kirchenzeitung.