Die Anfrage zu diesem Beitrag kam in eine Phase des Lebens, da es für mich Zeit war, mir über mein Priestersein Gedanken zu machen. Über 20 Jahre im priesterlichen Dienst und eine lange Zeit der Krankheit ist mir Anlass, mich darauf einzulassen. Ich suche dabei nicht die Öffentlichkeit. Das Angebot, dies in der Kirchenzeitung zu tun, ist eine Herausforderung. Ich setze mich damit auch aus.
Die Vorgabe zu diesem Text war nicht, eine kirchenrechtliche, theologische Abhandlung zu schreiben, sondern mir Gedanken zu machen über mein persönliches Verständnis als Priester. Die einen werden sich vielleicht darin wiederfinden, andere werden widersprechen. Das ist auch gut so und darf sein. Auf meinem Weg zum Priestertum bin ich immer wieder Menschen begegnet, die mir heute noch wichtig sind. Einen von ihnen möchte ich erwähnen, Spiritual Fritz Schmid. Er prägte in mir den Satz: «Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade.» Dieser Satz hat mir in meinem Leben als Priester sehr viel geholfen im Umgang mit den Menschen, aber auch im Umgang mit mir selbst.
Verraten und verkauft
Ich mag mich noch an ein Buch von Klaus Hemmerle erinnern mit dem Titel: Gerufen und Verschenkt: Theologische Meditationen über die priesterliche Berufung. Lakonisch änderte ich für mich diesen Titel in «verraten und verkauft» um. Manchmal komm ich mir in der heutigen Zeit wirklich so vor. Auch ich leide an und mit der Kirche. Besonders in der Zeit, als die sexuellen Übergriffe von Priestern so grosse Schlagzeilen machten. Doch ich kann von Herzen sagen, die schönen Erlebnisse mit den Menschen vor Ort in den Pfarreien sind ein Vielfaches. Ich wurde gebeten, über Möglichkeiten und Grenzen meines Priesterseins zu schreiben. Es gibt für mich so viele Möglichkeiten, und dennoch bin ich in vielem begrenzt. Ich halte mich viel lieber an die vielfältigen Möglichkeiten, die mir meine Arbeit als Priester eröffnen. So möchte ich mein Priesterverständnis anhand von mir wichtigen Bibeltexten zu beleuchten versuchen.
Vergesst die Gastfreundschaft nicht, denn …
Dieser Satz aus dem Brief an die hebräische Gemeinde (Hebr 13,2) bekommt für mich im Text des ersten Testamentes, in der Begegnung Abrahams mit den Boten Gottes, eine eucharistische Bedeutung. Abraham und Sarah sind gastfreundlich. Sie laden die drei Pilger zu einem reichlichen Mahl ein. Dabei begegnen sie Gott. Sie werden offen für eine Vision: Du wirst Nachkommen haben, die mein Volk sein werden. Gastfreundschaft ist für mich ein wichtiges Thema geworden. Fritz Schmid hat einmal die Eucharistie verglichen mit: «Die Kirche ist eine Beiz und Jesus ist der Beizer.» Hinter dieser saloppen Aussage steckt viel Weisheit. Ich leiste mir einmal im Jahr ein gutes Essen bei Andreas Caminada oder einem anderen 3-Sterne-Koch. Das Erlebnis von professioneller Gastlichkeit und dem Entdecken von neuen und intensiven Geschmäckern ist ein tiefes Erlebnis. Eucharistie müsste auch so sein, dass man auf den Geschmack kommt. Der wesentliche, geniale Unterschied ist, dass dieser Geschmack Gottes real-präsent bleibt. In dieser Erfahrung sind auch wir Menschen mit unserer Bruchstückhaftigkeit mit hineingenommen: Seht auf das gebrochene Brot, es ist Christus, das Lamm Gottes, er wird alles Zerbrochene und Getrennte in unserem Leben und dieser Welt nach seinem Willen zu einem Ganzen vollenden. Und wenn wir dann antworten: «Ich bin nicht würdig...» heisst dies, ja ich komme mit allem Zerrissenen und Zerbrochenen vor Dich, im Blick auf Dich steht diese Kraft, gesund zu werden. Dies mit den Menschen in einer feierlichen Danksagung zum Ausdruck zu bringen ist und bleibt immer intensiver innerlichster Wunsch in meiner Berufung als Priester.
Der mütterliche Gott
Raum zu schaffen, dass wir Gott immer wieder als «den Anderen» erleben können, ist für mich ein zweiter Aspekt. In Hosea 11 wird Gott mit mütterlichen Fähigkeiten beschrieben. Leider wird dieser Text in vielen Deutschübersetzungen falsch formuliert. Die neue Einheitsübersetzung ist da auch nicht ganz am Urtext. Immerhin wird hier von Eltern gesprochen, doch der Urtext spricht unmissverständlich von einer Frau. Der «Mutterschoss», der auflodert oder sich dem Säugling zuneigt, um ihm zu essen zu geben, sind nicht männliche Eigenschaften. Mit den Menschen zu entdecken, dass Gott immer auch noch anders ist, als wir denken, ist für mich eine wichtige Aufgabe.
Lass uns drei Hütten bauen
An meiner Primiz hat Hildegard Aepli die Predigt gehalten. Sie wählte den Text der Verklärung auf dem Berg Tabor. Dieser Text ist für mein priesterliches Wirken immer wichtig geblieben. Für die drei Jünger hat sich für einen nur kleinen Moment der Himmel geöffnet. Als Priester möchte ich Räume und Zeiten schaffen, in denen uns der Himmel aufgeht. Sei es in den sakramentalen und liturgischen Feiern oder in den zahlreichen Begegnungen. Die Sehnsucht nach heiligen Orten, heiligen Zeiten und heiligen Begegnungen in den Menschen ist sehr gross. Diese Taborerfahrungen zu ermöglichen, ist daher sehr wichtig. Doch auch wir können dafür keine dauerhaften Hütten bauen, wie das die Jünger gerne getan hätten. Jesus nimmt sie bei der Hand und geht mit ihnen wieder ins Tal, in den Alltag zurück. Doch die erlebte Erfahrung geht mit ihnen.
Gemeinsam, nicht einsam
Ich könnte noch einige weitere Stellen aus der Bibel anführen, aber die Länge dieses Artikels ist beschränkt. So möchte ich noch auf die zweite gestellte Frage eingehen: Einsichten und Aussichten betreffend Zusammenspiel der verschiedenen Rollen im kirchlichen Dienst. Im Personalverzeichnis des Bistums werde ich mit dem Titel «priesterlicher Mitarbeiter» aufgeführt. Zuweilen stelle ich mich als «mitpriesterlicher Arbeiter» vor. Mit einem strengen Amtsverständnis könnte man sich darüber ärgern, was ich aber leben möchte, ist damit sehr gut ausgedrückt.
_____________________________________
Am Anfang war das Wort
Es war einmal
Vor langer Zeit
In Rom
Francesco vor dem Papst:
Ich habe eine Freundin
Sie hat schiefe Beine
Einen krummen Rücken
Dennoch ist sie
Meine Liebe
Und wir haben
Nie aufgehört
Miteinander zu reden
Worte der Liebe
Worte der Freundschaft
Kein Wort-Verbot der Ängstlichkeit
Kein Wort-Verbot des Miss-trauens
Kein Wort-Verbot des Macht-Erhalts
Wort-Verbot
Die Liebe bleibt auf der Strecke
Die Liebe stirbt
Angst
Kultur
Subtil
Phobisch
Patho-logisch
Wortmeldung
Auch öffentlich
Kein Bruch des Gehor(ch)sams
Umdenken
Andenken
Mitdenken
Ansprechen
Einsprechen
Zusprechen
Alles was nicht Gewalt ist
Bosheit, Gier
Respektlos oder entwürdigend
Ins Wort gefasst
Öffnet neues
Wird zu Heilsamen Worten
In aller Freundschaft
Bei aller Liebe
Ich werde nicht verstummen
Um der Liebe wegen!
Am Anfang war das Wort
Und heute
Und morgen
Und in Ewigkeit
Da war doch noch was?
Ah ja …
Amen.
Geweiht und gesandt
Weihe und Missio sind für mich ganz wichtige Voraussetzungen. Ich handle nicht aus mir selbst. Ich diene im Namen Gottes und im Auftrag der Kirche. Dies darf nicht verloren gehen. Über die Zulassungsbedingungen zum Priester soll und darf man diskutieren. Für mich gibt es keine schlüssigen Begründungen in den Evangelien, dass dies nur ledigen Männern vorbehalten ist. Alle, die das versuchen, sind für mich fundamentalistisch denkende Menschen. Dabei wird die Tradition (es gab und gibt andere Ansätze) und der heute wirksame Heilige Geist vergessen. Priester(in) sein in meinem Verständnis hängt nicht von Mann oder Frau, hetero- oder homosexuell oder von ledig und verheiratet ab. Weihe und Missio machen mich aber auch nicht zu einem besseren oder gar wichtigeren Menschen. Ich bin mir tagtäglich meiner Unzulänglichkeiten bewusst. Doch darin begleitet mich der Satz: «Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade.» Eine andere Formulierung des theologischen Begriffs «Ex opere oparato». In der Tradition der Kirche wird vieles christozentrisch begründet. Es gäbe da aber auch noch den trinitarischen Ansatz. Gott ist Beziehung. Es könnten auch drei Personen am Altar stehen. Für mich ist die Zusammenarbeit von allen im kirchlichen Dienst, ob geweiht oder nicht, ein wichtiges Zeichen. Das Gemeinsam ist aber auch immer eine grössere Herausforderung, der ich mich immer gestellt habe und immer stellen möchte.