Als Priester in Gemeinschaft leben

Leben in einer geistlichen Gemeinschaft zu verwirklichen. Als ich vor gut 40 Jahren in die Gemeinschaft der Salesianer Don Boscos eingetreten bin, konnte ich mir nicht vorstellen, als Priester allein in einer Pfarrei zu leben und zu wirken.

Damals schon spürte ich deutlich, dass eine Gemeinschaft, ein gutes Team wichtig ist, weil die Herausforderungen im Leben vielfältig waren und auch heute nicht leichter werden. Als Salesianer Don Boscos engagieren wir uns im Geist Don Boscos für junge Menschen, besonders für benachteiligte und solche «am Rand».1 Don Bosco liess sich in seiner pädagogischen und pastoralen Tätigkeit stets leiten von Jesus Christus, dem Guten Hirten. Dieser geht den Menschen nach, besonders denjenigen, die es schwer haben im Leben, die zu kurz kommen oder vom Weg abgekommen sind. Don Bosco richtete deshalb seinen Focus stets auf Kinder und Jugendliche, zu denen er sich gesandt wusste und die er als Juwele bezeichnete, die auf der Strasse liegen und die es zu entdecken gilt!

Jeder Mensch ist ein Juwel

Auch wenn wir als Salesianer Don Boscos nicht primär in Pfarreien, sondern in vielfältigen Projekten weltweit in über 130 Ländern in unterschiedlichen Kontexten tätig sind2, in denen wir junge Menschen fördern und begleiten, sind wir auch im Kontext der Kirche vor Ort in Pfarreien immer wieder gefragt, uns nach unseren Möglichkeiten einzubringen. Wir engagieren uns mit unserem Charisma gerne, wenn dafür Offenheit und Bedarf da ist. Wir lassen uns leiten vom Grundgedanken Jesu, für den jeder Mensch unendlich kostbar, wertvoll und einmalig ist, auch wenn er in schwierige Situationen geraten kann. Wir können jedem als kostbarem Menschen begegnen, ihm helfen, seinen Selbst-Wert zu entdecken und zu entfalten. Natürlich gilt dies nicht nur für junge, sondern für jeden, auch den erwachsenen und alten Menschen. Aber weil oft gerade junge Menschen einer besonderen Beachtung bedürfen in ihrem He ranwachsen und weil die Herausforderungen im Alltag gerade für sie oft besonders gross sind, sind junge Menschen ein empfindlicher Teil unserer Gesellschaft und Kirche, die eine intensive Begleitung brauchen. Nach dem Vorbild des Guten Hirten kann ich als Seelsorger Entdecker, Wegbegleiter, Mediator, Anwalt für Schwache, «Gestrandete», Enttäuschte und Entmutigte werden. Das ist unser Grundauftrag von Don Bosco her. Und das ist immer wieder spannend.

Priester – heute noch gefragt?

Im Geiste Don Boscos verkünden und leben wir Salesianer das Evangelium, wenn wir in unserer pädagogischen Arbeit tätig sind. Und als Pädagogen sind wir immer auch Evangelisierende und Seelsorger, die den Menschen im Mittelpunkt sehen und fragen, wie er sich ganzheitlich entfalten kann in einem selbstverantworteten zukunftsgerichteten Leben. Das Motto «Damit das Leben junger Menschen gelingt» ermutigt uns immer wieder, vor Schwierigkeiten nicht zurückzuschrecken, sondern engagiert gute Lösungen für einzelne uns Anvertraute zu finden. Ein Salesianer ist dabei nicht einer, der etwas «Besonderes», etwas «Besseres» oder herausgehoben aus dem Leben ist. Vielmehr erfahren wir uns als Mitarbeiter Don Boscos als Menschen, die mitgehen, mitsuchen, mitleiden, Anteil nehmen am ganzen Leben des Nächsten. Deshalb leben wir vielfach mit jungen Menschen in Lebensgemeinschaften wie in einer Familie. Dies bedeutet, dass ich mich als Christ, als Priester, als Seelsorger im alltäglichen Leben einbringe. Vielfach sind wir natürlich auch in Strukturen, gewachsene Lebensformen verwoben, die uns einengen können. Deshalb brauchen wir auch ergänzend offenere Strukturen, kleinere, überschaubare Orte und Gemeinschaften von Menschen, die miteinander das Leben teilen.

Es ist eine ermutigende Erfahrung, die ich immer wieder machen kann: Ich darf meine Lebenserfahrungen teilen, brauche mich nicht aufzudrängen, sondern lade ein, dass der «Gott-mit-uns» (Jahwe) ein Herz hat für diejenigen, die alles von ihm erwarten. Gott ins Spiel bringen mitten im Leben – Gott nicht ausblenden im Gewöhnlichen – seine Spuren zu entdecken in der Schöpfung, in den Zeichen der Zeit, in jedem Einzelnen – auch wenn er meint, er sei gott-fern oder gott-los, das ist ein spannender, oft auch ein langer Weg. Deshalb steht am Anfang der Begegnung meist nicht die Liturgie, der Gottesdienst. Es ist vor allem anderen die Diakonie – der Dienst am Nächsten – angesagt, an auch scheinbar «unbedeutenden» Jugendlichen, und die Lebensdeutung (Verkündigung) dessen, was Gott mit uns vorhat.

Zeichen und Bote der Liebe Gottes

Oft vermissen gerade junge Menschen in der Kirche persönliche, tragfähige und gute Beziehungen. Es genügt nicht, dass ein (junger) Mensch gesagt bekommt oder dass gepredigt wird: «Ich hab dich gern, du bist von Gott geliebt, du bist wertvoll», wenn er dies nicht auch wirklich spüren und in seinem Leben tatsächlich erfahren kann.

Don Bosco wollte in seinem Leben stets Botschafter der Liebe Gottes, der Liebe Jesu Christi, sein. Das haben junge Menschen erfahren, dass er dies ernst meinte und glaubwürdig zu leben versuchte und durch ihn Gott den Menschen ganz nahe gekommen ist. Diese Liebe Gottes muss durch das ganz alltägliche Leben durchscheinen. Es ist ein hoher Anspruch, derart transparent zu leben. Aber nur derjenige, der im gewöhnlichen Alltag auch erfährt, dass er ernst genommen wird in seinen Fragen und Nöten, kann diese Liebe als tragfähig und umfassend erfahren. Bevor einer Gottesdienst mitfeiern kann, muss er erfahren haben, dass er wirklich geliebt, angenommen und geschätzt wird.

Als Chance sehe ich …

Ich kann und darf mich einbringen mit meinen Lebenserfahrungen, mit meinen Fragen und Impulsen, die mir selber Perspektive, Mut und Lebenssinn geben – als Priester, als Mit-Glaubender. Wenn ich erfahren habe, dass Gott mit mir einen guten Weg vorhat, darf ich all das, was mich erfüllt, mit anderen teilen: mein Leben, meine Zeit, meine Ideale und meine Hoffnung.

Als Grenzen erlebe ich …

Wenn mich jemand als Herausragenden und Perfekten sieht, dann komme ich an meine Grenzen. Jesus Christus, der sich als ganzer Mensch in das Leben der ihm Begegnenden eingelassen hat, ist auch nicht überall und immer nur auf Begeisterung gestossen. Ablehnung, Unverständnis, Misstrauen können auch uns begegnen. Dabei darf ich immer darauf vertrauen, dass ich getragen, geliebt und von Gottes gutem Geist begleitet werde. Immer bin ich darauf angewiesen, dass mir Menschen vertrauensvoll und offen begegnen. Dann kann eine tiefere Begegnung entstehen zwischen uns Menschen und mit Gott, mit Christus.

Im Zusammenspiel der Talente

Als ich in meine Gemeinschaft eingetreten bin, habe ich in meinem Antrag formuliert: «Ich fühle mich wie ein Glied in einer Kette. Ich bin Teil einer Gemeinschaft von ganz unterschiedlichen, aber doch nach einem gemeinsamen Ziel strebenden Menschen. Ich möchte mich mit meinen Fähigkeiten einbringen. Allein bin ich schwach, gemeinsam sind wir stark.» Was für Kräfte werden doch frei, wenn jeder seine Talente, Fähigkeiten und Möglichkeiten in einem Team einbringen kann. Dann können wir auch manch Überraschendes erleben.

 

1 Pietro Braido: Don Bosco. Ein Priester für die Jugend. Eine wissenschaftliche Biografie, Don Bosco Medien München 2016, Bd. 1 (847 S.), Bd. 2 (1001 S.). Eine populäre Biografie schrieb Anton Birklbauer: Don Bosco. Ein Leben für junge Menschen, Don Bosco Medien München 2015.

2 Vgl. Webseite: www.donbosco.ch (Salesianer Don Boscos: Jugendwerk Don Bosco Beromünster, Jugendhilfe Weltweit, Stiftung Don Bosco für die Jugend der Welt u. a.)

P. Josef Knupp

Dr. theol. P. Josef Knupp ist mitarbeitender Priester in der Pfarrei St. Pankratius Hitzkirch und Direktor des Jugendwerks Don Bosco Beromünster.