Gott: Punkt für Punkt

Die "Reformierte Presse" und die "Schweizerische Kirchenzeitung" stellen monatlich ein Buch der besonderen Art vor.

Gerhard Lohfink: Der neue Atheismus. Eine kritische Auseinandersetzung. kbw Bibelwerk, Stuttgart 2014. 144 Seiten, Fr. 24.90.

Gerhard Lohfink, emeritierter Neutestamentler aus Tübingen, setzt sich im vorliegenden Werk mit dem neuen Atheismus auseinander. Referenzautoren sind Richard Dawkins und Christopher Hitchens. Nicht zu dieser Richtung gehört André Comte-Sponville, der eine atheistische Spiritualität propagiert und ein Bewusstsein davon hat, wie viel ein solches Vorhaben dem jüdisch-christlichen Erbe schuldet. Ihn erwähnt der Verfasser denn auch als Gegenbeispiel.

Wir haben es nicht mit einer Mode, vielmehr mit einer international vernetzten Bewegung zu tun, die vor allem das Christentum im Auge hat, aber auch keine Probleme damit zu bekunden scheint, im Kontext der Kritik des Alten Testaments bekannte antijüdische Stereotype zu bemühen. Gerhard Lohfink will den Diskurs des neuen Atheismus demontieren, indem er in jedem Kapitel ein einzelnes atheistisches Argument Punkt für Punkt widerlegt.

Die Argumente lauten: 1. Gott hat keiner je gesehen, also gibt es ihn nicht. 2. Gott ist eine Projektion des Menschen. Ist diese einmal als solche erkannt, kann man darauf verzichten. 3. Der Mensch hat sich aus dem Tierreich entwickelt. Also braucht es keinen Schöpfer. 4. Das sogenannte Gute erklärt sich leicht aus der Evolution. Deshalb brauchen wir keinen Gott, um gut zu sein. 5. In der Welt gibt es unendliches Leid. Das macht jeden Gottesglauben zu einer Lächerlichkeit. 6. Die Religionen bringen die Gewalt in die Welt. Deshalb sind sie hochgefährlich. 7. Das Gottesbild der Bibel ist primitiv und abstossend. Deshalb muss in Zukunft verhindert werden, dass Kinder durch dieses Gottesbild indoktriniert werden. 8. Der Blick auf das Jenseits lähmt. Es kommt darauf an, die Welt zu verändern.

Abgeschlossen wird das Werk durch einen Ausblick, der zusammenfassend sagt, wieso der Glaube die bessere Antwort darstellt. Mit einer gewissen Distanz betrachtet ist es aber so, dass die neuen Atheisten wie ihre Vorgänger den Finger manchmal doch in die Wunde legen. Dass das im Religionsunterricht vermittelte Bild vom biblischen Gott in der Vergangenheit oft einseitig war, wissen wir alle. Es ist die christliche Praxis selbst, die dem altneuen Atheismus die Munition liefert. Grundsätzlicher noch trifft die atheistische Kritik im fünften Argument, das auf die Diskrepanz zwischen der Allmacht und Güte Gottes einerseits und dem Bösen in der Welt andererseits zielt. Heutige Reformulierungen der Theodizee als Anthropodizee verteilen die Beweislast um und zeugen dadurch von der Dringlichkeit der Frage.

Lohfinks Verdienst ist es, einen knappen, zuverlässigen Überblick über die Argumente des neuen Atheismus gegeben zu haben. Zudem hat er eine intelligente und dabei allgemeinverständliche Antwort aus christlicher Warte geschrieben.

 

Francesco Papagni

Francesco Papagni

Francesco Papagni ist freier Journalist. Er lebt in Zürich.