Gestatten: «Isa», gesegneter Sohn Marias

Der Sohn Marias

Auch die Muslime verehren Jesus, wie eine anspruchsvolle Studie über den Messias im Koran zeigt

Der Koran zeichnet ein erstaunlich positives Bild von Jesus Christus: Religionswissenschaftler Martin Bauschke legt eine umfassende Darstellung der muslimischen «Messianologie» vor.

Bekanntlich misst der Islam als abrahamitische Religion Jesus eine grosse Bedeutung zu. Musliminnen und Muslime verehren Jesus als Menschen und als Propheten und finden in ihm ein Vorbild im Glauben. Das Zweite Vatikanum hat die muslimische Sicht auf Jesus ausdrücklich in Nostra Aetate Nummer 3 gewürdigt. Die Muslime glauben, dass Jesus der «Sohn Marias» ist, dass er also eine menschliche Mutter hat, wie es der Titel des zu besprechenden Buches sagt. Damit ist aber auch «pointiert» (37) formuliert, dass er nicht Sohn Gottes ist. Ja, Jesus kann aus muslimischer Sicht niemals Sohn des alleinigen Gottes sein, und Gott kann niemals Vater sein, weil dadurch der strikte Monotheismus der muslimischen Tradition kompromittiert würde. Doch werden Koran und Muslime damit der Christologie der christlichen Theologie auch irgendwo gerecht, die mit der Bibel sagt, dass Jesus ein «Stein des Anstosses» (Röm 9,32; 1Petr 2,8) ist, wie der Titel von Bauschkes Dissertation (2000) lautet.

Mit Christen-Brille im Koran lesen

Der evangelische Pfarrer und Religionswissenschaftler Martin Bauschke (*1962), der auch die Stiftung Weltethos in Berlin betreut, hat seine Lebensaufgabe in dem Thema «Jesus im Koran» für deutschsprachige Islaminteressierte gefunden. Mit «christlicher Brille» stellt er Jesus in Koran und islamischer Theologie dar, und zwar entlang seiner Lebensstationen: von der Ankündigung und Geburt über die heilende charismatische Tätigkeit bis hin zu seinem Tod und dem verheissenen Wiederkommen. In zwölf Kapiteln plus Einleitung, Fazit, Bibliographie und vergleichenden Tabellen von Passagen aus der Bibel und Koranstellen entwirft er das Jesusbild und belegt es mit Zitaten aus der neuen Koranübertragung von Hartmut Bobzin (Der Koran, München 2010), die er gelegentlich durch eigene Übersetzungen aus dem Arabischen präzisiert und/oder korrigiert.

Muslimischer Blick auf Jesus

Jesus kommt im Koran in 19 Suren (9 mekkanische und 10 medinensische) beziehungsweise an 25 Stellen vor, zumeist (an 16 Stellen) als «Isa» (Jesus), «Sohn Marias». Jesus wird auch als «Christus» bezeichnet, aber dieser Titel wird lediglich als Eigenname (ohne göttliche Würde) verwendet. Möglich ist im Koran, dass dieser Jesus als Mensch auch Wunder vollbringt: «Ich (Jesus) heile Blinde und Aussätzige und mache Tote wieder lebendig mit Gottes Erlaubnis» (Sure 3:49). Die Wundertätigkeit Jesu wurde in christlicher Theologie lange als Erweis seiner Göttlichkeit verstanden. Ausführlicher als in der Bibel werden die Verkündigung und Geburt Jesu erzählt, wobei apokryphe Texte, die damals auf der arabischen Halbinsel bekannt waren, eingeflossen sind (zum Beispiel im «Vogelwunder»). Insgesamt zeichnet der Koran ein positives Jesusbild: «Der wandernde, lehrende, heilende und helfende Jesus stand nicht mehr unter der Macht der Sünde oder des Satans, sondern unter dem Segen Gottes» (12). Das können sich Christen merken, denn dasselbe lässt sich von ihrer Darstellung Muhammads nicht sagen, wie Joachim Gnilka vermerkt hat (in: Wer waren Jesus und Muhammad? Freiburg 2011, 11).

Umstrittener Kreuzestod

Die unüberbrückbare Differenz zwischen Koran und Bibel besteht in der Aussage über das Kreuz und die Heilsbedeutsamkeit des Todes Jesu, worüber Bauschke in drei Kapiteln (110 –148) ausführlich handelt. Der Kreuzigungsvers ist mehrdeutig: «Aber sie haben ihn nicht getötet und haben ihn nicht gekreuzigt, sondern es kam ihnen so vor» (Sure 4:157), und er wird je anders interpretiert. Bald wird ein anderer als Jesus gekreuzigt (Substitutionstheorie), bald macht das Kreuz nur den Anschein (Illusionstheorie), und bald bleibt die Kreuzigung insgesamt ein Geheimnis (Mysteriumstheorie). Unbestritten bleibt, dass weder Koran noch Muslime den Kreuzigungstod Jesu annehmen und damit die soteriologische Wirkung des Kreuzes verneinen, obwohl sie eine Entrückung oder «Auferstehung» bejahen, die freilich direkt am Lebensende ohne Kreuzestod geschehen sei. Für Christen ist die Bedeutung des Kreuzestodes zentral für ihr Heilsverständnis, ja mit der Karfreitagsliturgie gilt für sie: «Seht das Holz des Kreuzes, an dem das Heil der Welt hängt.» (Ecce lignum crucis, in quo pependit salus mundi.) Die Göttlichkeit Jesu erweist sich just im Kreuzestod.

Muslimische Messianologie

Neu in Bauschkes «Der Sohn Marias» gegenüber seinen früheren Darstellungen ist seine Revision des Begriffs «Christologie im Koran». Diesen Begriff möchte er aufgrund seiner christlichen Missverständlichkeit nicht mehr verwenden und mit dem Begriff der «Messianologie» ersetzt wissen. Denn der Begriff «Messias» betone die «eine rein menschliche und nicht göttliche Gestalt (Jesu), wie das in der Christologie überwiegend der Fall ist» (13). Damit nimmt der Autor eine bemerkenswerte Selbstkorrektur vor, obwohl der neue Begriff «Messianologie» aus jüdischer Sicht nochmals anders verstanden wird. Nun betont Bauschke, dass Jesus ein «Zeichen Gottes» ist (158 –164), das zum Glauben ähnlich einladen kann, wie die Schöpfung als Zeichen Gottes verstanden wird.

Jesus im Vergleich

Das anspruchsvolle Buch kann Christen und Muslime nur empfohlen werden. Es spornt an, die Stellen über Jesus im Koran nachzulesen und mit ähnlichen biblischen Stellen zu vergleichen, wozu die Tabellen im Anhang eine nützliche Hilfe sind. Der Rezensent möchte an dieser Stelle auch Musliminnen und Muslime ermuntern, die Bibel zu lesen und sich mit dem christlichen Jesusverständnis auseinanderzusetzen.

Martin Bauschke: Der Sohn Marias. Jesus im Koran. Lambert-Schneider -Verlag, Darmstadt 2013. 209 Seiten, Fr. 44.90.

 

 

Stephan Leimgruber

Stephan Leimgruber

Dr. Stephan Leimgruber ist seit Februar 2014 Spiritual am Seminar St. Beat in Luzern und zuständig für die Theologinnen und Theologen in der Berufseinführung. Bis zu seiner Tätigkeit in Luzern war er Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät in München.