«Nostra Aetate» - Bald 50-jährig

Nach mehreren gewichtigen theologischen Publikationen zum christlich-islamischen Dialog1 legt der katholische systematische Theologe und Religionswissenschaftler Andreas Renz, Leiter des Fachbereichs «Dialog der Religionen» des Erzbischöflichen Ordinariates München, eine umfassende theologiegeschichtliche Monografie zum interreligiösen Dialog der katholischen Kirche vor.2 Ganz kurz soll auch der hilfreiche Lehrbrief 12 des Würzburger Fernkurses zum Thema «Islam» besprochen werden.3

Im Zentrum dieser Konzilspublikation steht die kürzeste, aber nicht unbedeutendste Erklärung «Nostra Aetate» über «das Verhalten der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen» mit ihrer Vorgeschichte, ihren Hauptinhalten und ihrer Wirkung bis heute in Kirche und Gesellschaft. Kapitel 1 (Vorgeschichte, Seite 13– 91) zeichnet die christliche Einstellung zum Judentum durch zwei Jahrtausende nach, zum Islam seit Johannes von Damaskus und zum Buddhismus seit Klemens von Alexandrien. Interessanterweise vernimmt man, dass sich unter dem Namen «Josaphat» im Martyrologium Romanum der Name Buddha verborgen hat, der dann in aller Stille entfernt wurde. Die Begegnung des Franziskus mit dem Sultan (1219) wird nach den wenigen Quellen erwähnt, allerdings muss dahingestellt bleiben, ob man bereits von einer «Haltung des Dialogs» (43) sprechen kann. Der Streifzug über die Reformation und Aufklärung führt dann zu den Wegbereitern der Konzilserklärung (Thomas Ohm, Otto Karrer, Yves Congar, Jean Danielou, Henri de Lubac, Karl Rahner, Max Seckler und Heinz Robert Schlette, Gregoy Baum, Abraham Heschel, Gertrud Luckner, Johann Oesterreicher, Louis Massignon, Louis Gardet, Georges Anawati, Robert Caspar, Henri Le Saux, Raimon Panikkar, Augustin Bea und Jules Isaac) sowie zu den vorbereitenden Texten («Ecclesiam suam» mit der gestuften Kirchenzugehörigkeit).

Kapitel 2 (Das Ereignis des Konzils, 93–160) beginnt mit dem Gebet zum Hl. Geist, das die Konzilsväter täglich gebetet haben («Komm in unsere Mitte, sei uns zugegen, lehre uns, was wir tun sollen, weise uns, wohin wir gehen sollen, zeige uns, was wir wirken müssen»(93). Renz interpretiert das Konzilsprogramm als «Paradigmenwechsel», als epochalen Übergang, als Wendepunkt, als Abschied von der triumphierenden Kirche zu einer dienenden und dialogischen Kirche, als «Aggiornamento» nicht im Sinne einer Anpassung an den Zeitgeist, sondern als «Verknüpfung von Glaubensvertiefung und Zeitbezug» (Michael Bredeck) und als «Kairos für eine tief greifende Neubesinnung» (Julius Kardinal Döpfner). Das Konzil suchte das Gespräch mit allen Menschen dieser Zeit, mit der gegenwärtigen Welt und stellte sich den Fragen, Problemen und Nöten der Menschen über die Religionsgrenzen hinweg. Es wollte das Positive und Wertvolle bei ihnen erkennen und anerkennen und «das Evangelium Jesu Christi in den Mittelpunkt stellen» (97).

Der Autor rekonstruiert die verschiedenen Textfassungen von der ursprünglichen Judenerklärung über «ein neues Erwachen des Israelgeheimnisses in den Herzen vieler Bischöfe» bis zum heute gültigen Endtext, wobei er die Geburtswehen mit ihrem «Gezerre und Gewürge» (113) nicht verschweigt. Gerade das intensive Ringen der nicht verknorzten Konzilsbischöfe zeigte, dass «die Kirche lebt!» (125). Erstaunlich sind nicht nur die Äusserungen über das Judentum, das «Herzstück der Erklärung» (147), und über die Muslime, denen mit «Hochachtung» zu begegnen sei, sondern auch die konzisen Aussagen zum Hinduismus und Buddhismus. Neu ins Zentrum rückte Gottes universaler Heilswille. Dazu bemerkte Karl Rahner, dass man früher danach fragte, wie viele von der «massa damnata» gerettet werden können, während heute die Hoffnung überwiege, dass alle gerettet werden könnten. Die Kirche hat sich mit ihrer Botschaft der siegreichen Gnade Gottes zu einem Heilsoptimismus durchgerungen, ohne das Geheimnis seines Gerichts im Sinne einer persönlichen Verantwortungsübernahme zu ignorieren (117).

Kapitel 3 (die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte von «Nostra aetate», 161–208) kommt schliesslich auf die Nachkonzilszeit zu sprechen und die Tatsache, wie lange es dauerte, bis die katholische Kirche selbst den Sprengstoff dieser Erklärung entdeckte und zündete. Es war nicht zuletzt Papst Johannes Paul II., der Grosses für die Umsetzung der Erklärung tat, sei es auf seinen zahlreichen Reisen mit den Begegnungen mit Angehörigen aller Weltreligionen, sei es durch seine Initiative des Gebetes der Weltreligionen in Assisi. Neu ging es darum, statt die Religionen abzuqualifizieren, die Früchte des göttlichen Geistes in den anderen Religionen und damit auch in der eigenen wertzuschätzen und anzuerkennen. Hervorzuheben ist das Verbindende, die Ähnlichkeiten zwischen den Religionen, bevor das Unterscheidende und Trennende erwähnt wird.

Kapitel IV (209–222) nennt die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen des interreligiösen Dialogs. Was ansteht, ist – abgesehen von der Vertiefung des Dialogs mit den in «Nostra aetate» erwähnten Religionen – das Gespräch des Christentums mit den indigenen Religionen, u. a . mit den afrikanischen Religionen, von denen es bereits eine «afrikanische Theologie» gibt (Jesus als Ur-Ahne). Überhaupt der Dialog mit Nicht-Christen und Freikirchen sollte in Gang gebracht werden. Das Hauptinteresse findet gegenwärtig der christlich-islamische Dialog, der infolge der Christenverfolgungen und Gewaltanschlägen in einer Zerreissprobe steht. Das äusserst wertvolle Buch endet mit einer Tugendlehre des interreligiösen Dialogs. Darunter zählt Andreas Renz die Klugheit im Sinne der Informationsbeschaffung, die Gerechtigkeit im Sinne der Fairness, die Besonnenheit als Geduld in Konflikten, schliesslich Glaube, Hoffnung und Liebe. Bibliografie und Anmerkungen (227–286) sind wie immer umfassend, tadellos und Gewinn bringend. Eine so tief schürfende Arbeit kann uns helfen, die heutigen Aufgaben der Kirche klarer einzuschätzen und das Kostbare des jüngsten Konzils selbst ins Auge zu fassen und zu realisieren.

Der Lehrbrief 12 «Islam» des Würzburger Fernkurses gibt auf 80 Seiten eine dichte Einführung in die Geschichte dieser Religion (Kap.1), in die heiligen Schriften des Koran und der Sunna (Kap. 2), in die religiöse Praxis (Kap. 3), in das Heilsverständnis und Gottesbild des Islam (Kap. 4), in die aktuelle Situation des Islams in Deutschland und Europa sowie in die komplexen Fragen der Integration (Kap. 5) und schliesslich in den interreligiösen Dialog zwischen Christen und Muslimen (Kap. 6). Der zuverlässige und didaktisch aufbereitete Text dient als gute Hinführung für alle Interessenten, nicht zuletzt für Lehrpersonen in Schule und Religionsunterricht.

1 Andreas Renz: Der Mensch unter dem An-Spruch Gottes. Offenbarungsverständnis und Menschenbild des Islam im Urteil gegenwärtiger christlicher Theologie. Würzburg 2002; ders.: Beten wir alle zum gleichen Gott? Wie Juden, Christen und Muslime glauben. München 2011; Andreas Renz / Stephan Leimgruber: Christen und Muslime. Was sie verbindet, was sie unterscheidet. München 2009.

2 Andreas Renz: Die katholische Kirche und der interreligiöse Dialog. 50 Jahre «Nostra aetate» – Vorgeschichte, Kommentar, Rezeption. Die katholische Kirche und der interreligiöse Dialog. (Kohlhammer Verlag) Stuttgart 2014, 286 Seiten.

3 Andreas Renz: Lehrbrief 12, Islam. Der christliche Glaube. Aufbaukurs von «Theologie im Fernkurs». Würzburg 2013

Stephan Leimgruber

Stephan Leimgruber

Dr. Stephan Leimgruber ist seit Februar 2014 Spiritual am Seminar St. Beat in Luzern und zuständig für die Theologinnen und Theologen in der Berufseinführung. Bis zu seiner Tätigkeit in Luzern war er Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät in München.