Gender – ein aufwühlendes Virus

Ein Kind ist uns geboren – heisst es in der Weihnachtsgeschichte. Wäre es ein gewöhnliches Kind gewesen – es wäre sächlich gewesen: «ein» Kind – ein Neutrum, sexuell weitgehend ein unbeschriebenes Blatt. Ein Fall für «Genderismus»? Bischof Vitus Huonder hat sich zum Menschenrechtstag 2013, auf den 10. Dezember vergangenen Jahres hin, zu diesem Thema geäussert: «Gender – Die tiefe Unwahrheit einer Theorie» – Wort des Bischofs zum Tag der Menschenrechte vom 10. Dezember 2013.1 «Schlicht in der Tradition katholischer Lehrmeinung », meinte die «Weltwoche» vom 11. Dezember 2013.

Wenn der Bischof nur das getan hätte, wäre der Proteststurm auf sein Schreiben wohl nicht so gross gewesen. Dass homosexuelle Partnerschaften und Adoption von Kindern durch Homosexuelle von der katholischen Lehre als moralisch nicht in Ordnung befunden werden, ist eine «Binsenwahrheit», wie die «Weltwoche» zu Recht festgestellt hat. Das muss, wiePapst Franziskus zu solchen Moralregeln sagte, nicht ständig wiederholt werden.

Bischof Huonder hat die Lehre indes auf seine Art (traditionalistisch) interpretiert und die Wissenschaft zitiert, um darzulegen, dass «Genderismus» und damit die Zerstörung von Ehe und Familie «bei Kindern und Jugendlichen immer häufiger zu psychischen Störungen» führten (namentlich durch «staatliche Ersatzstrukturen»), dass die Auslieferung von Kindern an gleichgeschlechtliche Paare diese gar «der Grundlagen einer gesunden psychischen Entwicklung» beraube. Auf welche Wissenschaft er sich dabei stützt, sagte er nicht, hätte es aber tun müssen, wenn seine Worte lauter sein und nicht unter den Pamphletverdacht geraten wollen.

Faktisch stützte sich Bischof Huonder auf das Buch von Gabriele Kuby «Die globale sexuelle Revolution».2 Aus ihm hat er praktisch ganze Sätze abgeschrieben. Aus ihm holte er den Begriff «stabile » Beziehungen. Dort stehen Begriffe wie «normal», «intakte Familie» (356), Recht der Kinder «auf einen Schutzraum» (330). Die geschiedene Kuby sagt, Familien müssten «konfliktarm» sein (349). Sind ihre drei Scheidungskinder nun psychisch geschädigt? Sollte es nicht eher heissen «konfliktfähig»? Wichtig ist in solchen Fragen, «den rationalen Aspekt des Glaubens», die «recta ratio», die «Vernunftgemässheit», zum Ausdruck zu bringen.3

1. Gender-Ideologie versus Gender

«Genderismus» bedeutet nicht «kurz Gender», wie Bischof Huonder meint. Das entspricht nicht der kirchlichen Lehre. Mit dem Genderbegriff arbeiten auch Dokumente der katholischen Soziallehre, die von Kuby freilich nicht zitiert werden. Die katholische Lehre sagt einfach, zwischen «geschlechtlicher Identität » («Bewusstsein der psycho-sozialen und kulturellen Rolle») und «sexueller Identität» bestehe eine Verbindung, 4 während andere Lehren eine Verbindung bestreiten. Auf diese Verbindung bezog sich wohl die theologische Ansprache von Papst Benedikt XVI., auf welche sich Bischof Huonder abstützt. Manches ist freilich auch in der Soziallehre eine Definitionsfrage und eher schwer verständlich.

Kritisiert wird in der katholischen Soziallehre, dass eine «gewisse» «Gender-Ideologie» den Unterschied von Mann- oder Frausein «grundsätzlich » oder ausschliesslich nicht geschlechts-, sondern kulturbedingt sehe, als «Produkt sozialer Faktoren, die in keinerlei Beziehung zur sexuellen Dimension der Person stünden». Das Ganze sei im Prozess der Entstrukturalisierung der Ehe als Institution zu sehen, wozu auch der Wegfall von starken Familientraditionen gehöre.

Veränderbar scheint Gender aber auch gemäss katholischer Begriffsdefinition zu sein (kulturelle Rollen sind veränderbar). Praktisch wird sich die Frage stellen, welche sozialen Rollen oder «Geschlechtsrollen » man definiert, um die Verbindung zur sexuellen Identität zu wahren, und ob und inwiefern das überhaupt begründbar ist.

Die Schweizer Bischöfe haben sich differenziert geäussert und keineswegs «erstmals», wie Giuseppe Gracia in einem Interview in der «Basler Zeitung» glaubt. Mittlerweile haben die Bischöfe sich zum «Lehrplan 21» geäussert, lehnen aber die Gender- Theorie nicht ausdrücklich ab, gestehen der Schule «Sexualerziehung» zu und fordern von der Schule die Vermittlung von Dialogfähigkeit, interkulturellem Lernen, religiösem Wissen und religiöser Erfahrung.

2. Die Diskussion ist auf die ganze Grundlage zu stellen

Da kann man Kardinal Marx nur beipflichten, der sich für eine vertiefte christliche Genderforschung ausgesprochen hat. Gender war auch 2008 Thema im Vatikan. Davon ist im Buch von Gabriele Kuby nichts zu lesen. In der Botschaft zum Weltfriedenstag 2014 von Papst Franziskus ist von «ergänzenden Rollen», «besonders des Vaters und der Mutter», die Rede.

Die Gendertheorie beginnt bereits in den 50er- Jahren, und nicht erst vor 20 Jahren mit Judith Butler, wie Gabriele Kuby glauben machen will. Butler vertrat in der Tat die extreme Auffassung, nicht nur das soziale Geschlecht («gender»), sondern auch das biologische («sex») könne geändert werden. An diese Theorie, wonach auch das Geschlecht («sex») nur eine soziale Rolle sei, glaubt ein halbwegs vernünftiger Zeitgenosse aber nicht. Auch glauben nur Exzentriker mit exzentrischen Beispielen daran, dass das Geschlecht echt gewählt werden könne. Wer das, wie Kuby und Bischof Huonder, als eine Hauptforderung der Gender-Theorie darstellt, übertreibt und wirkt demagogisch. Hauptanliegen der Theorie ist vielmehr, dass man zu seiner sexuellen Orientierung frei stehen kann und insofern nicht diskriminiert wird. Die freie Wählbarkeit des Geschlechts an sich ist politisch irrelevant, auch wenn im Hintergrund die Frage weiterhin lauert und lauern muss, wann eine Genderforschung in die Natur des Menschen eingreift.

Hingegen ist das soziale Geschlecht («gender») veränderbar und spielt eine zentrale Rolle auch heute noch bei Gleichstellungsfragen, nicht nur «vordergründig », wie Bischof Huonder meint. Die Unterdrückung der Frau findet nicht bloss «in manchen Gesellschaften und Kulturen» statt, sondern auch im Westen (Lohnungleichheit, sexistische Werbung, Menschenhandel, Pornografie und Prostitution, die gemäss Benedikt XVI. «energisch» einzuschränken sind usw.).

In der Bibliografie führt Kuby die Neurowissenschaftlerin Louann Brizendine an, deren Thesen jedoch von Cordelia Fine («Delusions of Gender», 2010) wegen Überinterpretation und ungenauer Versuchsanordnungen kritisiert wurden. Das Werk trage nicht einmal den einfachsten Standards von wissenschaftlicher Genauigkeit Rechnung. Auch Rebecca M. Jordan-Young, Professorin an der Columbia University in New York («Brainstorm – The Flaws in the Science of Sex Differences », 2010), kritisierte Brizendine scharf. Der Neurobiologe Donald W. Pfaff («Man & Woman – An Inside Story», 2011) erklärte, die Gemeinsamkeiten zwischen Mann und Frau würden überwiegen: «Der soziale Kontext spielt eine viel grössere Rolle als die Hormone.»5 Kuby zitiert keines der drei Werke, noch weniger hat sie diese überprüft. Viele ausgewiesene Forscher würden den «Gender-Studies» widersprechen, und die Grundlagen des «Genderismus» würden der Wissenschaft nicht standhalten, erklärte Bischof Huonder. Belege führte er einmal mehr nicht an, und auch bei Kuby ist dazu nichts Schlüssiges nachzulesen. Die amerikanischen Quotenforscher David Matsa und Amalia Miller haben die Auswirkungen der norwegischen Quotenregelung auf die Unternehmensergebnisse untersucht und vermuten, dass Frauen in Chefetagen weniger kurzfristigen Gewinn machen, dafür das Personal mehr schonen als Männer.6 Die Genderforschung geht also zweifellos weiter. Einen guten Überblick über die Gender-Theorie gibt Konstantin Mascher auf http://www.dijg.de/gender-mainstreaming/jungen-maedchen-paedagogik/ .

3. Kuby bringt Daten und Schadensbehauptungen zu Homosexuellen

Gabriele Kubys Buch stellt die sexuellen Praktiken der Homosexuellen deutsch und deutlich dar. Über die Praktiken der Heterosexuellen schweigt sie sich eher aus. Ihr Klagen über die Sexualisierung der Gesellschaft begründet sie – man staune – mit der Aufhebung der Strafbarkeit homosexueller Handlungen. Die Homosexuellen schneiden bei ihr medizinisch und soziologisch immer schlechter ab als die Heterosexuellen. Das dürfte so sein. Ist das aber ein Grund, ihnen bürgerliche Rechte auf Sozialversicherungen, auf medizinischem Gebiet, im Arbeitsrecht, auf dem Wohnungsmarkt und in der Partnerschaft unter Berufung auf die Vertrags- und Eigentumsfreiheit zu verwehren? Kuby erwartet vom Menschen, dass er «mit seiner Freiheit so umgehen» kann, «dass er seinen Mitmenschen nicht zum Schaden wird» (182). Wer kann das?

Kuby sagt mit relativ wenigen Hinweisen auf die Wissenschaft, dass Kinder bei Homosexuellen geschädigt werden «können». Ob ihre Belege unbestritten sind, weist sie nicht aus. Gegenmeinungen sind nicht aufgeführt – das wäre eine wissenschaftliche Methode, und mit einer solchen Auseinandersetzung hätte sie dienen können.

Die Schweiz hat mit dem Partnerschaftsgesetz und der Einzeladoption durch Homosexuelle zumindest bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht. Die Ehe- und Familienordnung ist – zumindest bis jetzt jedenfalls – nicht mehr beschädigt worden, als sie es schon längst, und zwar gravierend, ist, oder gar «zerstört» worden. Es werden mehr Kinder geboren. Es gibt mehr Eheschliessungen. Abtreibungen nehmen eher ab. Bei den Homosexuellen und den homosexuellen Paaren geht es um eine äusserst kleine oder gar winzige Minderheit. Deshalb konnte sie jahrhundertelang anstandslos verfolgt und diskriminiert werden. Das Schweizer Volk sah nicht ein, dass ein Partnerschaftsgesetz eine Gefahr für Ehe und Familie sein sollte oder diese sogar zerstören konnte. Es sah keinen Totalitarismus und keine Diktatur von Gender, wie Kuby das immer wieder unter Verweisung auf die Diktaturen des 20. Jahrhunderts hervorhebt (27, 160).

Kubys Horrorvisionen sind für einen nüchtern denkenden Menschen kaum nachvollziehbar, erklären aber zusammen mit anderen Aspekten, warum der Eindruck entsteht, Kuby selbst betreibe eine Ideologie. Ein abschliessendes Urteil über die Wirkung des Partnerschaftsgesetzes ist freilich erst aufgrund von Langzeitvergleichen zulässig.

4. Diskriminierungsthematik

Die Diskriminierung von Homosexuellen wird bis heute als aktuell hingestellt: Die Hälfte der Schwulen, die einen Selbstmordversuch begehen, führen ihn auf Ablehnung in ihrem sozialen Umfeld zurück, sagt Jen Wang, Autor einer Zürcher Studie, gemäss «SonntagsZeitung » vom 29. September 2013: «Internationale Studien zeigen, dass Probleme mit der sexuellen Orientierung der zweithäufigste Grund für Diskriminierungen sind, gleich nach dem körperlichen Erscheinungsbild. Homosexuelle Schüler fehlen fünfmal häufiger in der Schule als heterosexuelle, weil sie Angst vor Mobbing haben.»

5. Lob von rechter Seite

Lob hat Bischof Huonder von der «Weltwoche» erhalten, die schon vom Presserat wegen ihrer ausländerfeindlichen Reportage zu Sinti und Roma verurteilt wurde. Lob erhielt er in evangelikalen Kreisen, im Forum von «kath.net» und vom Präsidenten der Schweizer Demokraten Thurgau, der schon wegen Rassendiskriminierung verurteilt wurde. Diese Leute merken, dass Bischof Huonder ein entfernter Verwandter von ihnen sein könnte. Warum ist das so? Bischof Huonder spricht von Ehe und Familie zum «Erhalt der Gesellschaft», Papst Franziskus vom «unverzichtbaren Beitrag der Ehe zur Gesellschaft». Auf solche Differenzierungen reagieren die Rechten und Rechtsextremen.

Gabriele Kuby instrumentalisiert das Thema Homosexualität und Familie ebenfalls kulturpolitisch, zusätzlich theologisch. Kuby lobt Begriffe wie Wahrheit, absolute Werte und bindende Normen, nationale Souveränität, Konfrontation, Mehrheitsentscheidungen (das Partnerschaftsgesetz wurde in der Schweiz vom Volk mehrheitlich gutgeheissen), Tradition, kulturelle Identität. Darauf spricht die Rechte positiv an. Madig macht Kuby Begriffe wie soziale Akzeptanz, globale Steuerung durch «global governance», parti-zipative Demokratie, Dialog, Konsensus, kulturelle Vielfalt, Multikulturalismus (91 f.). Das sind meist zentrale Begriffe der katholischen Soziallehre, genauso wie das Wort «Solidarität», das bei Kuby nicht vorkommt. Kuby und Huonder warnen daher ihre Leser, dass sie verurteilt werden könnten wegen Homophobie und Islamophobie. Also muss man sich ruhig geben, obwohl die Theorien beunruhigend und knallhart sind. «Bischof Huonder argumentiert ruhig, nüchtern und schlicht», unterstützt ihn die «Weltwoche». Seit wann hängt aber die Wahrheit von der Lautstärke ab? Auch Schriftstücke können lautstark daherkommen.

Die Kunst der Unterscheidung predigt Papst Franziskus. Er donnert mit Kraftausdrücken. Aber: Die Privatsphäre der Homosexuellen ist zu wahren, sagt er. «Das weibliche Talent ist unentbehrlich in allen Ausdrucksformen des Gesellschaftslebens.»7 Die Leistung einer Frau kann entgegen Bischof Huonder durchaus auch «nur» an ihrem beruflichen Einsatz gemessen werden: Auch dort findet «Mutterschaft» statt.8 Die Glaubenskongregation warnt im Schreiben an die Bischöfe «über die Zusammenarbeit von Mann und Frau» vor einer Verherrlichung der biologischen Fruchtbarkeit, die «oft mit einer gefährlichen Abwertung der Frau verbunden» ist.9 Papst Franziskus wird von Bischof Huonder nicht zitiert.

Mittlerweile ist Papst Franziskus zum Mann des Jahres erkoren worden, obwohl er, wie Kuby Papst Benedikt XVI. anrechnet, gegen Abtreibung und Homoehe predigt und wie Benedikt XVI. «an das Gewissen der Menschen rührt» (398). Ein «kultureller Krieg» gegen Papst Franziskus tobt indes nicht, jedoch habe eine Diffamierung des «Heiligen Stuhls» unter Benedikt XVI. stattgefunden (105). Wirklich?

Wegen der klaren Worte von Papst Franziskus «wird man diesen Mann bald hassen», sagt ein Poster auf «kath.net». Klare Worte fand indes schon Johannes Paul II., der aber ebenfalls beliebt war und ebenfalls zum Mann des Jahres auserkoren wurde. Johannes Paul II. verwendete den Begriff «Kultur des Todes» aber nicht, wie der Bistumssprecher Guiseppe Gracia ihm unterstellt, im Zusammenhang mit der Ehe, sondern bei der Abtreibung. Auch sprach Johannes Paul II. nie vom «Selbstmord in Raten», wie der Bistumssprecher Giuseppe Gracia im Interview in der «Basler Zeitung». Das wäre päpstlicher Unfug gewesen und allemal ungerechtfertigte verbale Gewalt.

6. Der Stil und das «Wie»

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es oft nicht dasselbe. Auf den Stil und das Wie kommt es an, wie Papst Franziskus den sich konservativ Nennenden beibringen will. Papst Franziskus hat gesagt, wie gepredigt werden soll: aktuell und von den konkreten tatsächlichen Problemen der Leute ausgehend. «Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee.»10 Bischof Huonder hätte also beispielsweis um Entschuldigung bitten können für die jahrhundertelange Diskriminierung der Homosexuellen durch Kirchenobere und sagen können, er liebe die Homosexuellen. Er hätte aufzeigen können, wie er die Homo-Pastoral angeht, was stabile und normale Familien sind, was eine «unmoralische sexuelle Aufklärung» ist, dass man Böses am besten positiv durch Gutes-Tun bekämpft (Papst Franziskus), dass und inwiefern es bei Homosexuellen «keine spirituelle Einmischung in das persönliche Leben geben» darf (Papst Franziskus). Er hätte thematisieren können: «Nicht alles, was Sünde ist, ist auch vom Staat zu verbieten, und nicht alles, was der Tugend entspricht, ist von ihm zu gebieten!» (Martin Rhonheimer). Der Staat ist grundsätzlich nicht da, um Tugenden durchzusetzen, auch nicht die Haupttugend der «Mässigkeit» (373) und Keuschheit. Der Staat hat nicht grundsätzlich zwischen Gut und Böse zu entscheiden, wie Kuby das unter Berufung auf die Theologie tut (182). Der Bischof hätte erklären können, was es heisst, «von klein auf liebevoll erzogen» zu werden (373).

Solche sensiblen Themen verlangen «eine verständnisvolle Haltung», mit Geduld und Güte einhergehend, «deren Beispiel der Herr selbst im Umgang mit den Menschen gegeben hat», die indes «noch keine Rechtfertigung» bedeuten.11 Den Homosexuellen ist «mit Achtung, Mitgefühl und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen» (KKK 2358). Diese Grundsätze müssen, entgegen Kuby (183), auch bei der Beurteilung des Verhaltens von Menschen gelten. Trägt man dem Rechnung, spricht man nicht mehr von «(Homo-) Sexualisierung» und von «Auslieferung von Kindern an gleichgeschlechtliche Paare».

Im letzten Begriff kommt eine Aversion, d. h. eine Diskriminierung, zum Ausdruck. Beide Begriffe bilden zumindest bislang nicht Bestandteil der katholischen Soziallehre, und der Begriff der «Auslieferung» ist augenscheinlich realitätsfern. Aber auch hier hat Bischof Huonder nur seiner Lehrmeisterin abgeguckt: Kuby sagt, die Kinder würden «auf dem Altar einer Ideologie geopfert» (252). Es ist gut, dass Aggression, Unverstand und Unanstand öffentlich abgemahnt werden. «Die verbale oder physische Gewalt muss sichtlich ausgemerzt werden» (Benedikt XVI.). Das ist auch Kuby klar (187), nur folgt sie dem nicht ganz.

Papst Franziskus fordert «Sensibilisierung und Ausbildung der gläubigen Laien, vor allem der in der Politik Engagierten». Ebenso notwendig wäre indes die Ausbildung der Kleriker, damit sie am Rande der Politik angemessen auftreten.

Zurzeit beherrschen politisch extreme Gläubige und Ideologen das Feld. Intellektuelle Defizite mit Zweideutigkeiten, Widersprüchen, Schönredereien, Übertreibungen, mangelnden Belegen und Realitätsbezügen sind an der Tagesordnung und machen auch Gemässigten zu schaffen.

1 Das Bischofswort ist einsehbar unter: http://www.bistum-chur.ch/wp-content/uploads/2013/12/Wort_des_Bischofs_VIII_2013.pdf

Der hier abgedruckte Text ist die Kurzfassung einer Wortmeldung von Dr. Lukas Brühwiler-Frésey vom 20. Dezember 2013. Die Langfassung ist unter http://www.kath.ch/skz/upload/20140211145726.pdf aufgeschaltet.

2 Gabriele Kuby: Die globale sexuelle Revolution. (Fe-Medienverlag) Kisslegg 2012. Die nachfolgend in Klammern angegebenen Zahlen beziehen sich auf die entsprechenden Seiten dieses Buches.

3 Päpstlicher Rat für die Familie: Ehe, Familie und « faktische Lebensgemeinschaften ». Vatikanstadt 2000, Nr. 13 (einsehbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/pontifical_councils/family/documents/rc_pc_family_doc_20001109_de-facto-unions_ge.html ).

4 Ebd., Nr. 8.

5 Gemäss «Tages-Anzeiger» vom 18. Februar 2011.

6 Gemäss «Tages-Anzeiger» vom 5. März 2012.

7 Evangelii gaudium, Nr. 103.

8 Kongregation für die Glaubenslehre: Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt. Vatikanstadt 2004, Nr. 13 (einsehbar unter: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20040731_collaboration_ge.html ).

9 Ebd.

10 Evangelii gaudium, Nr. 127 ff., 231 ff.

11 Ehe, Familie und « faktische Lebensgemeinschaften» (wie Anm. 3), Nr. 49.

Lukas Brühwiler-Frésey

Lukas Brühwiler-Frésey

Dr. iur. Lukas Brühwiler- Frésey (1949), verheiratet, ist freiberuflicher Rechtsanwalt und eidg. dipl. Public- Relations-Berater. Er war 1994 Mitbegründer und heutiger Präsident der Katholischen Volkspartei (KVP) und ist Autor/Mitautor juristischer Sachbücher und zahlreicher gesellschaftspolitischer Beiträge.