Geistliche Ritterorden in der Schweiz

Tempelritter als Konsultativmitglied der UNO? Kein Scherz! Die geistlichen Ritterorden entsprachen nicht den Vorstellungen eines Dan Brown und existieren bis heute – wenn auch in geänderter Form.

Pilgerreise von Mitgliedern des Malteser-Hilfsdienstes ins Heilige Land. (Bild: flickr.com)

 

Nicht erst seit Kassenschlagern wie «Sakrileg» von Dan Brown, «Indiana Jones und der letzte Kreuzzug» oder «Das Vermächtnis der Tempelritter» ranken sich Gerüchte um die geistlichen Ritterorden, allen voran um den Templerorden. Warum faszinieren sie die Menschen bis heute? Liegt es an der heutzutage seltsam anmutenden Verbindung von Mönchtum und Rittertum? An der Idee eines «gerechten Krieges»? An ihrem unermesslichen Reichtum, der teils durch Schenkungen, teils durch das Vermögen der Ritter selbst, teils durch Kriegsbeute1 entstanden war? Oder an ihrer Macht? Vor diesem Hintergrund bot und bietet gerade die Auflösung des Templerordens Anlass zu Verschwörungstheorien, die es zuhauf gibt: Sind die Freimaurer eine Weiterführung der Templer? Wo ist der legendäre Schatz des Templerordens? War der heilige Gral im Besitz der Tempelritter?

In diesem Artikel geht es nicht um Verschwörungstheorien – wer sich dafür interessiert, findet genügend Bücher zum Thema. Dieser Beitrag geht zwei Fragen nach: Gibt es die grossen drei geistlichen Ritterorden heute noch? Und: Finden wir in der Schweiz noch Spuren von ihnen?

Templerorden

Die «Pauperes commilitones Christi templique Salomonici Hierosolymitanis»2 war der erste geistliche Ritterorden. 1139 erhielt er von Papst Innozenz II. das Privileg «Omne datum optimum». Die Templer erreichten im Laufe ihrer Geschichte viel Besitz und Macht. Dies wurde ihnen zum Verhängnis. 1307 wurden die Mitglieder des Ordens in Frankreich wegen angeblicher Ketzerei und homosexueller Handlungen angeklagt und verhaftet. Im November des gleichen Jahres liess Papst Clemens V. die übrigen Mitglieder verhaften und ihren Besitz einziehen. In den folgenden Jahren wurden in Frankreich mehrere Mitglieder hingerichtet, zuletzt 1314 der letzte Grossmeister Jacques de Molay. 1312 hob der Papst den Orden auf, sein Besitz ging an die Johanniter über.3 In der Schweiz hatte der Orden zwei Komtureien: La Chaux (Cossonay) und Genf.

Eher mit Humor zu nehmen sind Erzählungen darüber, dass einige Tempelritter nach der Auflösung ihres Ordens in die Schweiz geflohen seien. Dies würde u. a. erklären, warum die Schweizer Bauern plötzlich so gute Kämpfer geworden seien oder weshalb die Schweiz auf ihrer Fahne ein weisses Kreuz auf rotem Grund habe. Und natürlich habe die Schweiz das Bankensystem von den Tempelrittern übernommen.

1705 wurde in Frankreich der «Ordre du Temple» als Laienritterorden gegründet. Dieser existiert heute noch, wenn auch durch verschiedene Ereignisse in mehrere Orden aufgespalten. Jede Abspaltung hat eine eigene Sicht der Geschichte, sodass eine klare Darstellung schwierig ist.

Der «Ordo Supremus Militaris Templi Hierosolymitani» in Porto vertritt die These, der letzte Grossmeister Jacques de Molay habe kurz vor seinem Tod Jean-Marc Larmenius zu seinem Nachfolger ernannt und die Templer hätten im Geheimen weiterexistiert. Philipp von Bourbon, der dem 1705 neu gegründeten Orden vorstand, sei somit in Wirklichkeit bereits der 44. Grossmeister gewesen. 1970 kam es zur Spaltung, als überraschend Antoine Zdrojewski und nicht Fernando de Fontes zum Grossmeister gewählt wurde. Der Orden unter der Führung von Zdrojewski nennt sich nun OSMTJ4. 1994/95 spaltete sich eine weitere Gruppe vom ursprünglichen Orden ab. Aus dieser letzten Abspaltung entstand der Zusammenschluss OSMTH International5. Seit 2002 ist er von den Vereinten Nationen als nichtstaatliche Hilfsorganisation mit Konsultativstatus in sozialökonomischen Fragen (NGO) anerkannt. Ihm gehören über 5000 Ritter und Damen an.

Allen Abspaltungen ist gemeinsam, dass sich ihre Mitglieder um die Verteidigung des christlichen Glaubens, Barmherzigkeit und Nächstenliebe sowie Ökumene bemühen.

In der Schweiz gibt es fünf Komtureien: «Hl. Otmar» in St. Gallen, Zürich, Basel, Echallens VD und Genf, wobei nicht eruierbar ist, welche Komturei welcher «Abspaltung» angehört.

Johanniter (heute Malteserorden)

Der Orden vom Hospital des Heiligen Johannes zu Jerusalem (Ordo Hospitalis sancti Johannis Ierosolimitani) wurde 1048 vermutlich von Kaufleuten aus Amalfi (I) in Jerusalem gegründet, mit dem Ziel, Pilgern, ohne Unterschied des Glaubens und der Rasse, Schutz und Obdach zu gewähren. Durch die Gründung des Königreiches von Jerusalem musste der Orden die Aufgabe des militärischen Schutzes der Kranken, Pilger und wichtigen Verkehrsverbindungen übernehmen sowie die Aufgabe der Verteidigung des Glaubens. Nach der Vertreibung aus Palästina 1291 übersiedelte der Orden zunächst nach Zypern, danach nach Rhodos (1310). Nach der Eroberung der Insel durch die Osmanen wurde der Ordenssitz 1530 nach Malta verlegt. 1538 kam es infolge der Reformation zur Spaltung des Ordens: Die Ballei Brandenburg übernahm den neuen Glauben und ist heute als Johanniterorden bekannt. 1888 wurde ausserdem der anglikanische «Order of Saint John» gegründet. Der katholisch gebliebene Teil des Ordens wurde 1798 durch Napoleon von Malta nach Rom vertrieben. Heute lautet sein Name: «Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom Hl. Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta». Bekannt ist er als Malteserorden. Er ist ein souveränes Völkerrechtssubjekt (Staat) und päpstlich anerkannt. Das Leitwort «Tuitio Fidei et Obsequium Pauperum» gilt noch immer: Die Bezeugung des Glaubens und der Dienst an den Armen und Kranken. Die militärischen Aufgaben wurden 1798 aufgegeben.

In der Schweiz gab es seit Ende des 12. Jahrhunderts 19 Kommenden: Aargau: Biberstein, Leuggern, Klingnau, Rheinfelden; Basel; Bern: Biel, Münchenbuchsee, Thunstetten; Freiburg; Genf: Compesières; Luzern: Hohenrain, Reiden; Tessin: Contone; Thurgau: Tobel; Waadt: La Chaux; Wallis: Salgesch-Simplon; Zürich: Bubikon, Küsnacht, Wädenswil. Diese besassen oft Hospize für Pilger auf ihrem Weg ins Heilige Land. Die Kommenden im Gebiet von Basel, Bern, Waadt und Zürich wurden in der Reformation verstaatlicht, in den katholischen Orten und im Kanton Aargau wurden sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgelöst.

1961 wurde die Helvetische Assoziation des Malteserordens6 gegründet, deren Generalsekretariat seinen Sitz in der ehemaligen Kommende Reiden hat. 1974 wurde der Malteser Hospitaldienst Schweiz (MHDS) ins Leben gerufen.

Der Malteserorden hat weltweit über 13'000 Mitglieder (hauptsächlich Laien) und rund 100'000 freiwillige Helferinnen und Helfer. In der Schweiz wirken über 900 Ehrenamtliche des Malteser Hospitaldienstes.

Deutscher Orden

Der Deutsche Orden7 wurde 1190 in Akkon (ISR) zunächst als Spitalbruderschaft gegründet. Seine Mitglieder nannten sich nach dem ehemaligen deutschen Spital in Jerusalem «Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem». Ab 1198 wurde er zusätzlich eine ritterliche Gemeinschaft zum Schutz der Pilger im Heiligen Land. Nach dem Verlust von Akkon 1291 verlegte der Orden seinen Sitz nach Venedig, danach nach Marienburg (PL). Der Ordensstaat wuchs zur stärksten Macht im Ostseeraum heran. Die Übertritte vieler Ordensritter zum reformierten Glauben sowie verschiedene Kriege beendeten die Herrschaft des Ordens im preussischen und baltischen Raum.

In der Schweiz wurden im 13. und 14. Jahrhundert Kommenden in Basel, Bern, Hitzkirch LU, Tannenfels (Nottwil) LU, Köniz BE und Sumiswald BE errichtet. Ordensschwestern waren in Bern und Hitzkirch tätig. Anfangs des 19. Jahrhunderts wurden die letzten Kommenden aufgehoben.

Aktuell gehören rund 100 Priester, 200 Schwestern und um die 700 Familiaren dem Orden an. Die Brüder und Schwestern sind heute vorwiegend in der Pfarreiseelsorge sowie der Alters-, Behinderten-, Sucht- und Jugendhilfe tätig. In der Schweiz hat der Orden keine Niederlassung mehr.

Rosmarie Schärer

 

 

1 Durch das päpstliche Privileg «Omne datum optimum» durften sie ihre Kriegsbeute behalten, waren vom Zehnten befreit und keinem Bischof unterstellt.

2 «Arme Ritter Christi und des Tempels von Salomon zu Jerusalem». Der damalige König von Jerusalem hatte ihnen die Gebäude seines ehemaligen Palastes auf dem Tempelberg überlassen.

3 Ausgenommen die Besitzungen auf der iberischen Halbinsel.

4 Abkürzung des französischen Namens Ordre Souverain et Militaire du Temple de Jérusalem.

5 Informationen unter http://preview.osmth.org

6 Informationen zum Orden unter https://ordredemaltesuisse.org

7 Informationen zum Orden unter www.deutscher-orden.de

BONUS

Folgende Bonusbeiträge stehen zur Verfügung:

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