Gegenwart Jesu und eucharistische Gastfreundschaft

Anselm Grün erachtet den Glauben, «dass Jesus in der Hostie präsent ist», als wichtig, wenn er im Gästehaus seiner Abtei auch Protestanten zur Kommunion einlädt. So meldete «7 Tage» in der SKZ vom 20. Juli auf Seite 389. Während Katholiken und Protestanten einander beim Feiern näherkommen, bleiben wegen ungelöster Fragen um das Amt weitere Schritte zu tun.

Es ist unbestritten, dass Christus im Gedächtnis der Eucharistie wirklich gegenwärtig wird.1 Missverständliche Aussagen dazu verlangen nach Klärung, welche hier nach Kontakten mit Anselm Grün erläutert werden.2 Denn es ist Tatsache, dass die Aussage («Jesus ist in der Hostie präsent») allgemein als lokal abgegrenzte Gegenwart missverstanden wird, etwa wenn ein Pfarrer an Fronleichnam vor der Prozession verkündet: «In dieser Hostie tragen wir jetzt Gott durch unsere Strassen.»

Anselm Grün kommentiert seine Aussage

Auf seine Aussage zur Realpräsenz angesprochen, schreibt Anselm Grün: «Natürlich habe ich mit dem Präsentsein kein lokales Präsentsein gemeint, sondern es als Bild für das Geheimnis der Eucharistie genommen, das für Protestanten und Katholiken gleich ist. Wie man die Gegenwart Jesu in den eucharistischen Gaben verstehen soll, das bleibt letztlich ein Geheimnis. Und alle dogmatischen Aussagen wollen nur das Geheimnis offen halten. Denn so verstehe ich Dogmatik: Dogmatik ist die Kunst, das Geheimnis offen zu halten. Eine genauere Lehre wollte ich mit dieser kurzen Aussage auf keinen Fall aufstellen. Ich wollte nur die Gemeinsamkeit zwischen katholischen und evangelischen Christen aufzeigen.

Hier in Deutschland habe ich eine starke Kritik von konservativen Kreisen erfahren, dass ich evangelische Christen zur Kommunion einlade. In der grossen Kirche sage ich gar nichts. Da gehe ich einfach davon aus, dass jeder das tut, was seinem Gewissen entspricht. Aber im kleinen Kreis eines Kurses würden sich evangelische Christen ausgeschlossen fühlen, wenn ich sie nicht ausdrücklich einlüde. Ein paarmal habe ich die Einladung vergessen, weil es für mich selbstverständlich ist. Aber dann kamen evangelische Christen auf mich zu und sagten mir, dass sie sich ausgeschlossen fühlen.»

Antireformatorische Umpolung

Bis heute wirkt die lokalisierende Interpretation sakramentaler Handlungen verhängnisvoll nach. O. H. Pesch meinte dazu, dass es die antireformatorische Umpolung der Transsubstantiationslehre war, welche in der Eucharistiefrömmigkeit nachhaltige Akzente wie den «forcierten Tabernakelskult» setzte.3 Umso mehr sollten falsche Unterschiede zwischen den Konfessionen überwunden werden. Die Feier der Eucharistie und des Abendmahls sind in ihrer zentralen Stellung als Sakramente innerhalb der jeweiligen Kirche «zwischenpersonale Begegnungen zwischen den Gläubigen und Christus».4

Eucharistische Gastfreundschaft und Hauskirche

Die Erfahrungen Anselm Grüns zeigen ebenso, dass die eucharistische Gastfreundschaft von Mitfeiernden in grösseren Versammlungen praktiziert wird, indem diese «dem eigenen Gewissen» folgen. Ein besonderer Klärungsbedarf stellt sich dort ein, wo Mitchristen und Mitchristinnen sich ausdrücklich eingeladen fühlen wollen. Diese Gastfreundschaft sei ein vielschichtiges Problem, meinte der bereits erwähnte Theo Stieger 2006. Mit Blick auf die Hauskirche zitierte er Peter Neuner5: «Die bleibende Konfessionsverschiedenheit ist umfangen von der Sakramentalität der Ehe zwischen Getauften, die Hauskirche leben. Diese Hauskirche verlangt nach der Sichtbarmachung auch im Zeichen des Herrenmahls, denn ohne Eucharistie kann Kirche nicht sein. Durch eine christlich gelebte, konfessionsverschiedene Ehe kommen beide Eheleute jeweils in eine geistliche Gemeinschaft mit der Kirche ihres Partners, die den Ausschluss vom Herrenmahl als nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lässt.»

Auch umsichtig verfasste Beiträge von Eva Maria Faber zur «Gemeinschaft im Herrenmahl» (SKZ 21/2005, 416–422) und seither öfter lassen hoffen, dass die persönliche Entscheidung von Mitfeiernden und deren persönliches Verlangen (spiritualis necessitas) ernst genommen wird. Zu grosse dogmatische Bedenken fördern die Gemeinschaft in den relativ häufig vorkommenden konfessionsverbindenden Ehen nicht. Auch kann es gelegentlich entmündigend wirken, sich mitten in der Eucharistiefeier Bedenken über die Zulassung oder Nichtzulassung zum Herrenmahl anhören zu müssen. Weiterhin bleibt offen, was an der verlorenen Verbindlichkeit unter den Konfessionen eingeholt wird, um vor allem den konfessionsverbindenden Ehen die dringende Anerkennung entgegenzubringen. Es gälte, ein starkes Brückenelement in der faktisch-gelebten Ökumene menschlich ernster zu nehmen. Denn die Beheimatung im geistlichen Ereignis ist dort «menschenmöglich» gegeben, wo eine liturgische Feiergemeinschaft nicht zur Ausgrenzung wird.6

 

1 Hilfreich dazu Theo Stieger: Wenn Heranwachsende Fragen stellen … Eucharistie heute. Fragen – Einsichten – Vertiefungen. Egg, 2006, 16 ff.

2 Vgl. auch Stephan Schmid- Keiser: Hostie mit personaler Zeichenwirkung, in: SKZ 184 (2016) 662, 667.

3 Vgl. O. H. Pesch: Eucharistie heute. Ehrlicher Versuch eines Rückwegs nach vorn, in: Bibel und Kirche 31 (1976) 102–112, 104.

4 Edward Schillebeeckx: Die eucharistische Gegenwart. Zur Diskussion über die Realpräsenz, Düsseldorf 1968, 66.

5 aaO. 41–44 und 49 f. Anm. 15 mit Zitat aus Peter Neuner: Chancen und Perspektiven der Abendmahlsgemeinschaft zwischen den Konfessionen, in: Thomas Söding (Hrsg.) Eucharistie, Positionen katholischer Theologie, Regensburg 2002, 222 f.

6 Vgl. Wortmeldung von Stephan Schmid-Keiser: Wo ist Kirche? Im Zweifel für und mit den Einzelnen?, in: SKZ 173 (2005) 916.


Stephan Schmid-Keiser

Dr. theol. Stephan Schmid-Keiser promovierte in Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie. Nach seiner Pensionierung war er bis Ende 2017 teilzeitlich Redaktor der Schweizerischen Kirchenzeitung. (Bild: zvg)