Trauen wir uns!

Wenn heute zwei Menschen ihre Liebe zueinander entdecken und beschliessen, ihr Leben gemeinsam zu gestalten, so verknüpfen sich oftmals sehr hohe Erwartungen, Hoffnungen und Sehnsüchte. Gleichzeitig sieht sich ein Paar heute mit einer Vielfalt von unterschiedlichen Lebensentwürfen, Lebensformen und -stilen konfrontiert.

Geheiratet wird in der Regel weniger und später. Der «Bauplan» für die gemeinsame Zukunft ist nicht mehr einfach vorgegeben. Das Paar muss sich ihn aus einer Fülle von Lebens-, Liebes- und Beziehungsformen auswählen oder gar ganz neu schaffen.1 Dass hier den verschiedenen kirchlichen Angeboten der Vorbereitung und Begleitung auf dem Weg hin zu einer gelingenden Partnerschaft/Ehe/Familie eine Bedeutung zugetraut wird, ist alles andere als selbstverständlich und wird davon abhängen, ob sie: a) bei den unterschiedlichen Paar-und Familienrealitäten ansetzen, sie wirklich ernst nehmen und in den unterschiedlichen Situationen Unterstützung bieten; b) möglichst viel Raum für den Austausch und die Förderung kommunikativer Fähigkeiten schaffen; c) mit dem Glauben an die Liebe und Nähe Gottes und mit der kirchlichen Gemeinschaft eine wichtige Hilfe für das Gelingen von Partnerschaft und Familie anbieten.2

Die Realitäten ernst nehmen

Für die kirchliche Partnerschafts-, Ehe-, und Familienpastoral ist es unerlässlich, bei den unterschiedlich gelebten Paar- und Familienrealitäten anzusetzen. Ehevorbereitungskurse können den Paaren Raum bieten, um unterschiedliche Prägungen in Sachen Partnerschaft und Ehe durch die eigene Ursprungsfamilie anzusprechen.3 Wo kulturelle, konfessionelle oder religiöse Unterschiede bei den Paaren hinzukommen, ist dies umso wichtiger. Konkret die verschiedenen Lebenswege der Paare im Kurs anschaulich zu machen (z. B. mit Tüchern und anderen Materialien), kann hier den Einstieg ins Gespräch über verschiedene Prägungen und Vorstellungen von Partnerschaft erleichtern. So können gesellschaftlich problematische Entwicklungen kritisch hinterfragt und auch christlich-ermutigende Antworten auf heutige Herausforderungen angeboten werden. Um sich dann im Paar darüber auszutauschen, wie die gemeinsame Zukunft aussehen kann und was das Fundament der zukünftigen Paarbeziehung sein soll, hat sich seit den 70er-Jahren das Modell des Ehehauses bewährt.

Kommunikation fördern

Das Reden über die eigenen Gefühle, Hoffnungen und Sehnsüchte fällt oftmals nicht leicht und will gelernt und eingeübt sein. Daher ist der Erwerb neuer, vor allem kommunikativer Kompetenzen heute ein zentraler Punkt in der Ehevorbereitung. «Ein partnerschaftliches Lernprogramm» (EPL), ein Kommunikationstraining, das vom Institut für Kommunikationstherapie in München entwickelt und auch an mehreren Orten in der Schweiz im Bereich der Ehevorbereitung angewendet wird, setzt genau hier an.4 Entsprechende Literatur, wie etwa «Die fünf Sprachen der Liebe» von G. Chapman5, oder Modelle, wie das Vier-Ohren-Modell von Schulz von Thun, helfen zu verstehen, warum Kommunikation manchmal fehlschlägt und wie sie besser gelingen kann. Wichtig ist es in jedem Fall, den Paaren in der Ehevorbereitung konkrete «Werkzeuge» an die Hand zu geben, mit deren Hilfe sie das Reden über die Beziehung pflegen und Probleme rechtzeitig ansprechen können. Das können feste, regelmässige Zeiten und Orte sein, die sich das Paar setzt, um bewusst über die eigene Beziehung zu reden. Auch das Schreiben von Briefen nach eingeübten Regeln kann als «Werkzeug» helfen.

Da ist noch mehr?!

Vielen Paaren fällt es schwer, den «Mehrwert» einer kirchlichen Trauung zu beschreiben und das eigene Leben in Verbindung mit dem Glauben zu bringen.6 Gleichzeitig ist aber auch eine Offenheit gegenüber spirituellen Themen spürbar.

Hier haben kirchliche Ehevorbereitungskurse die Chance, das christlich-kirchlich vermittelte Lebenswissen im Bereich von Partnerschaft, Ehe und Familie als Hilfe für ein gelingendes Leben einzubringen. So kann Paaren etwa im Austausch über verschiedene (vielleicht noch im Glauben der Kinderzeit verhaftete) Gottesbilder konkret ein neuer Zugang zum christlichen Gottesbild des Wegbegleiters in der Ehe eröffnet werden.

Auf dieser Grundlage lässt sich dann das Ehesakrament als Zeichen der Liebe und Nähe Gottes von verschiedenen Richtungen her beleuchten: von Gott her (Gott gibt seinen Segen), vom Paar her (Liebe zwischen Mann und Frau als Zeichen für die Liebe Gottes zu den Menschen) oder von der Kirche her (Familie als «Hauskirche»; Eheformalitäten). Bibelteilen oder eine gemeinsame liturgische Feier am Ende eines Ehevorbereitungskurses kann den Paaren weitere Anregungen für die Gestaltung der eigenen Hochzeitsfeier bieten (etwa für die Auswahl von Bibeltexten und die Vorbereitung der Fürbitten). Denn es geht darum, Paare zu stützen, wenn sie sagen: Wir trauen uns!

 

1 Christoph Gellner (Hrsg.): Paar- und Familienwelten im Wandel. Neue Herausforderungen für Kirche und Pastoral, Zürich 2007, 9.

2 Zu inhaltlichen Weiterentwicklungen heutiger Ehevorbereitungsangebote (vgl. Schlussbericht «Partnerschafts-, Ehe- und Familienpastoral» der PPK der Schweizerischen Bischofskonferenz, 18).

3 Vgl. auch Papst Franziskus: Nachsynodales Schreiben «Amoris laetitia» Nr. 209.

4 Vgl. www.zweihochzwei.ch

5 Vgl. Gary Chapman: Die fünf Sprachen der Liebe. Wie Kommunikation in der Ehe gelingt, Marburg, 1994.

6 Beate Meintrup: Ehekatechetische Konzepte, in: A. Knaupp, S. Leimgruber und M. Scheidler (Hg.): Handbuch der Katechese. Für Studium und Praxis, Freiburg/B

Elke Freitag

Die im Bereich des katholischen Eherechts promovierte Theologin Elke Freitag ist Ausbildungsleiterin im Bistum Basel und seit mehreren Jahren im Bereich der Ehevorbereitung engagiert.