Gegen den Skandal Menschenhandel

Dass die Ortskirchen in etlichen Ländern und speziell verschiedene religiöse Gemeinschaften gegen Ausbeutung und Sklaverei eintreten, ist nicht neu. Aber erstmals macht nun der Vatikan, auf ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus und begleitet von den internationalen Verbänden der männlichen und weiblichen Orden, massiv Front gegen "la tratta", wie der Menschenhandel auf einer (natürlich italienischen) Pressekonferenz des Heiligen Stuhls bezeichnet wurde. Warum eben jetzt? Weil man am 8. Febuar 2015, dem liturgischen Feiertag der hl. Giuseppina Bakhita (jener einstigen sudanesischen Sklavin, die dann Nonne wurde), den "Ersten Internationalen Gebetstag gegen den Menschenhandel" beging.

Aus diesem Anlass ergriffen bei der erwähnten PK gleich drei Purpurträger das Wort, nämlich die Leiter der Kurienbehörden für die Ordensleute, für die Migranten-Pastoral sowie für Gerechtigkeit und Frieden. Kardinäle, scherzte einer von ihnen, seien ja immer erstrangige Symbolfiguren, um die Bedeutung solcher Ereignisse zu unterstreichen. "Aber wir haben im Grund wenig zu sagen – im Vergleich zu den Ordensfrauen, die sich täglich mit diesem dramatischen Problem befassen." In der Tat: Erst die Aussagen etlicher Nonnen "von der Front" machten das Ausmass und die schockierenden Begleitumstände des Menschenhandels in unserer Zeit deutlich, eines Phänomens, das schätzungweise 20 Millionen Personen betrifft. Im Zentrum stehen dabei die Ausbeutung, der Missbrauch und Verkauf von Kindern sowie die Zwangsprostitution. "Wir sind hier, um alle Personen guten Willens zu ermutigen, ihre Kräfte gegen diesen schrecklichen globalen Skandal zu vereinen", appellierte Schwester Carmen Sammut, die Präsidentin des Verbands der Frauenorden. Die Missionarin Gabriella Bottani erläuterte: Der "Tag des Gebets und der Reflexion gegen den Menschenhandel" sei eine wichtige Etappe auf einem richtigen, aber extrem schwierigen Weg. "Denn wir sind leider noch weit davon entfernt, dies Übel auszurotten." Also ist verstärkter Einsatz für die Menschenwürde "in dem von Jesus Christus verkündeten Reich Gottes nötig".

Wie dieser Einsatz aussieht, bezeugten sehr eindrücklich mehrere Ordensfrauen. Etwa die Comboni- Missionarin Valeria Gandini, die sich seit Jahren mit Gleichgesinnten auf Sizilien bemüht, eingewanderte und von Zuhältern brutal ausgebeutete Strassenprostituierte zum "Aussteigen" zu veranlassen. Auf der grossen Insel, der ersten Anlaufstation unzähliger übers Meer gekommener Flüchtlinge aus Afrika und Asien, sind viele zum Strassensex gezwungene Frauen völlig abhängig von skrupellosen Banden oder Einzelpersonen. So berichtete Suor Valeria von einem Opfer namens Lucy. "Sie wurde achtmal zur Abtreibung gezwungen, erlitt ein Trauma und hatte solche Wahnvorstellungen, dass sie nun Blut aus dem Wasserhahn rinnen sieht." Ein bewegendes Zeugnis legte bei der (von Vatikansprecher Pater Federico Lombardi SJ moderierten) Pressekonferenz auch Schwester Imelda Poole vom "Istituto della Beata Vergine Maria" ab. Sie stammt aus Albanien und kümmert sich insbesondere um die zahlreichen, oft minderjährigen Mädchen aus Osteuropa, die – zur Prostitution gezwungen – Opfer der "tratta" in Italien sind.

Wobei man zur Erklärung ergänzen muss: Da Bordelle in der Südrepublik durch ein Gesetz von 1958 über die Schliessung der sogenannten "case chiuse" (geschlossenen Häuser) verboten wurden, breitete sich die Strassenprostitution aus. So rasant wie wohl nirgends sonst in Europa. Weil viele Dirnen nachts kleine wärmende Feuer anzünden, auch um Freier anzulocken, werden sie "lucciole", Glühwürmchen, genannt. Derzeit tobt z. B. in Rom heftiger Streit darüber, ob man im Stadtviertel EUR drei Strassen für "lucciole" und männliche Prostituierte reservieren soll.

Der Bergoglio-Papst, seit je Vorkämpfer einer weltweiten humaneren Menschheitsfamilie, unterstützt den Feldzug nach Kräften. Noch am 8. Februar rief er – beim Angelusgebet – die Regierungen dazu auf, Massnahmen gegen die Ursachen des Menschenhandels zu ergreifen. Alle, die sich in verschiedener Weise für die Opfer des Menschenhandels engagieren, also "für Männer, Frauen und Kinder, die als Arbeitskräfte oder zur Lustbefriedigung versklavt und missbraucht werden", sollen mutig weitermachen.

Mit der Formulierung "alle" bezog sich Papst Franziskus auf mannigfache frühere Initiativen von Priestern und katholischen. Beispiel? Im März 2014, also vor knapp einem Jahr, veranstaltete die von Don Oreste Benzi gegründete Comunita’ Papa Giovanni XXIII. eine Art Kreuzweg in Rom "gegen die Sklaverei der Prostitution". Eine Via Crucis, an der etliche Prominente aus Politik, Justiz und Medienwelt teilnahmen. Und bei der es über die "mafiösen Banden von Albanern, Russen, Nigerianern und Rumänen", die mit Hilfe von italienischen Komplizen Frauen ausbeuten und sich den finanziellen Gewinn teilen, Verdammungsurteile hagelte. Die nach dem Roncalli-Papst benannte Gemeinschaft richtete auch eine entsprechende Petition an Premierminister Matteo Renzi, für die man in wenigen Stunden 20 000 Unterschriften sammelte. Sie forderte den Ministerpräsidenten auf, sich strikt an die Direktiven der EU über die "sexuelle Ausbeutung" zu halten. Auch die Kunden der Dirnen sollten bestraft werden. Doch die Initiative verpuffte. Die massive Zuwanderung nach Italien vergrössert inzwischen die Gefahren.

Jetzt also will die Kirche massiv die "tratta" bekämpfen. O-Ton Franziskus am 8. Februar: "Menschenhandel ist eine schändliche Plage, unwürdig einer zivilen Gesellschaft." 

 

 

Bernhard Müller-Hülsebusch

Bernhard Müller-Hülsebusch

Dr. Bernhard Müller-Hülsebusch, seit vielen Jahren Korrespondent von deutschen und schweizerischen Medien in Rom und Buchautor, beschäftigt sich vor allem mit Themen rund um den Vatikan