«Frischer, persönlicher und alltagsnaher»

Die Pfarrei Glis ist eine der grösseren Pfarreien und der bekannteste Marienwallfahrtsort im Oberwallis. Das Seelsorgeteam gestaltet seit einem Jahr lebensnahe Gottesdienste. Über die Erfahrungen und die Reaktionen der Gläubigen sprach die SKZ mit Benedikt Burtscher.

Benedikt Burtscher ist seit 2020 Pastoralassistent in der Pfarrei Glis, davon ein Jahr in der Berufseinführung. Er studierte Theologie im Fernstudium an der Universität Luzern. Davor war er Möbelschreiner, besuchte den Glaubenskurs und den Studiengang Theologie am Theologisch-pastoralen Bildungsinstitut TBI.

 

SKZ: Was war die Motivation, in Ihrer Pfarrei lebensnahe Gottesdienste zu gestalten?
Benedikt Burtscher (Bild)*: Gunda Brüske vom Liturgischen Institut kam auf die Pfarrei zu und fragte, ob wir am Projekt «Exemplarische liturgische Orte» mitmachen wollen.1 Sie bot Begleitung an. Neben unserer Pfarrei machen die Pfarreien Goms noch mit. Gunda Brüske gab uns die Aufgabe, eine Vision für die Pfarreigottesdienste zu entwickeln. Wohin soll die Reise gehen? Was ist unser Herzensanliegen? Wir haben miteinander auch die Ist-Situation angeschaut: Was für Gottesdienste haben wir? Wann finden sie statt? Wer nimmt an diesen Gottesdiensten teil? Nach vielen Gesprächen haben wir als Leitbild formuliert: «Die Botschaft von Jesus lebensnah feiern». Als nächstes stand die Frage der Umsetzung im Raum. Es haben sich drei Konkretisierungen herauskristallisiert: erstens lebensnahe Predigten, zweitens neue Lieder und drittens eine Willkommenskultur.

Wie gingen Sie an deren Umsetzung?
Ich beginne gleich beim letzten Punkt – der Willkommenskultur. Diese haben wir bis jetzt am wenigsten umgesetzt. Während der Pandemie war die Situation des Willkommenheissens gegeben. Durch den Wegfall der Kontrollen fiel auch der Willkommensdienst weg. Im Bereich Musik haben wir fünf neue Lieder ausgewählt und sie zusammen mit unserer Organistin Carmen Schneller Gitz und dem Kirchenchor an einem Wochenende eingeführt. Die musikalische Gottesdienstgestaltung wurde dadurch abwechslungsreicher. Auf dieses Jahr hin haben wir noch drei weitere Lieder dazu genommen, so dass wir für alle Liedteile im Gottesdienst ein neues Lied zur Auswahl haben. Wir setzen sie vor allem auch bei den «Mathis-Predigten» ein.

Was sind «Mathis-Predigten»?
Das sind dem Leben und dem Alltag nahe Predigten. Auf den Namen «Mathis» kamen wir wie folgt: Unser Pfarrer Daniel Rotzer las das Buch «Rebuilt» von Michael White und Tom Corcoran. In diesem Buch ist die Rede von «Timothy» – einer fiktiven Person, die kirchlich distanziert lebt. Was bewegt Timothy? Was für Fragen hat er? Darauf wollen wir in der Predigt eingehen – möglichst lebensnah. Für Glis haben wir dieser fiktiven Person einen neuen Namen gegeben – «Mathis». Aus der fiktiven Person ist in den Gesprächen mit dem Pfarreirat die «Familie Mathis» entstanden. Die «Mathis-Predigt» findet jeweils am ersten Sonntag im Monat statt. Davor schlüpft eine Person aus dem Pfarreirat in die fiktive Rolle der Familie Mathis, liest das Evangelium vom Sonntag und notiert sich Fragen. Diese sendet sie an den Prediger und der schreibt seine Predigt auf diese Fragen hin. Ich habe die Predigt schon als Dialog mit der Person aus dem Pfarreirat gestaltet.

Wie reagieren die Pfarreiangehörigen auf diese «Mathis-Predigten»?
Die Reaktionen sind unterschiedlich. Die einen finden die Predigten frischer, persönlicher und alltagsnaher, den anderen gefallen sie nicht besonders.

Wie wurden Sie von Gunda Brüske begleitet?
Wir haben uns im letzten Jahr einmal monatlich mit ihr getroffen. Wegen der Pandemie war es meistens digital. Sie kam an die Pfarreiratsweiterbildung, wo wir das Leitbild vorstellten und daran weiterstrickten. Am Ende des ersten Jahres haben wir mit ihr einen Rückblick gehalten und eine Standortbestimmung gemacht. Anfang Januar 2023 wird Gunda Brüske ein ganzes Wochenende bei uns sein und als Gast die Gottesdienste miterleben. Nachher werden wir die Gottesdienste gemeinsam auswerten.

Gibt es auch liturgische Aufbrüche in der Region?
Am letzten Sonntag im Monat findet regional der Gottesdienst «Oi fer dich» statt. Als Pfarrei Glis sind wir da auch mit dabei und bringen unsere neuen Erfahrungen ein. Es gibt einen Willkommensdienst, einen Apéro danach, junge Menschen übernehmen die musikalische Gestaltung und die Fürbitten kommen von den Teilnehmenden.

Der Liturgiewissenschaftler Christof Hechtel sagt: «Die Zukunft der Kirche entscheidet sich an der Qualität unserer Gottesdienste.» Wie sehen Sie es?
Die Gestaltung des Gottesdienstes ist ein wichtiger Faktor, ein äusserlicher und nicht der einzige. Entscheidend für die Zukunft der Kirche ist meines Erachtens, wie nah die Menschen beim Herz Jesus sind.

Interview: Maria Hässig

 

1 Mehr Informationen: www.liturgie.ch

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