Freiburger Symposium über Luther

Über Luther ist schon viel gesagt worden. Über seine 95 Thesen, sein Auftreten beim Reichstag zu Worms, seine Bibelübersetzung, seine Haltung gegenüber den Juden … Dass sich immer noch Neues über ihn sagen lässt, zeigt das interdisziplinäre Symposium "Luther: Zankapfel der Konfessionen und ‹Vater im Glauben›? – Historische, systematische und ökumenische Zugänge", das vom 28. bis 30. Mai 2015 an der Universität Freiburg stattgefunden hat. Andere Zugänge finden, den Blick weiten und so zugleich etwas von dem Luther freilegen, der unter den verschiedenen ideologisch und national eingefärbten Luther-Folien liegt, ohne die Bedeutung dieser "Folien" für die Menschen damals und die heutige Zeit zu vernachlässigen – um dieses Anliegen möglich zu machen, luden die Organisatoren

Volker Leppin (Tübingen) und Mariano Delgado (Freiburg) über 20 Referenten aus zehn Ländern ein. So wollte die Tagung zu einer Orientierung über die historisch bedingten Unterschiede in der Wahrnehmung Luthers und systematisch-theologische Verständigungsmöglichkeiten beitragen, also keine endgültigen Antworten formulieren. Volker Leppin, Autor mehrerer Luther-Biografien, erinnerte die zahlreichen Teilnehmenden des Symposiums in seinem einführenden Vortrag an die schnelle und intensive Fixierung auf die Person Luthers und die Inszenierung durch Luther selbst und von aussen als Heiliger bzw. Häretiker. Schliesslich prägen die Folgen der damals geschaffenen Luther-Bilder die Wahrnehmung des Reformators bis heute, also auch uns.

Der erste thematische Block widmete sich den konfessionellen Auseinandersetzungen um die Person Luthers, so beispielsweise aus Sicht der orthodoxen Kirche (Konstantinos Delikostantis, Athen) oder der Aufklärung (Christopher Voigt-Goy, Mainz), aber auch im Ab- und Vergleich mit zeitlich früheren Persönlichkeiten wie Meister Eckhart (Dietmar Mieth, Erfurt) oder Zeitgenossen wie Ignatius von Loyola (Michael Sievernich, Mainz) oder Zwingli (Peter Opitz, Zürich), der zwar der Ansicht war, dass Luther sich nicht konsequent genug an der Schrift orientiere, aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten darin aber eigentlich keinen hinreichenden Grund für eine innerprotestantische Spaltung gesehen habe.

In einer der Diskussionsrunden stellte Christine Helmer (Chicago) fest, dass der Titel des Symposiums auch den Zusatz "internationale Zugänge" verdient gehabt hätte. Gleichzeitig verwies sie aber auf die Problematik einer Nationalisierung Luthers, der letztlich keiner Nation "gehöre", sondern "global" zu denken sei. So ging es in der zweiten Sektion "Konfessionelle Kulturen in den Nationen Europas" auch vielmehr darum, dass jede Nation Luther bzw. sein Gedankengut je nach den konkreten Gegebenheiten vor Ort rezipiert und tradiert hat, sodass unterschiedliche nationale Luther-Bilder, aber auch Zugänge zu ihm entstanden sind. Die Referenten gaben zum Teil hochinteressante Ein- und Überblicke über die Wahrnehmung Luthers im 16. Jahrhundert oder über dessen Rezeption in der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts. Selbstverständlich konnte nur eine Auswahl nationaler Perspektiven auf dem Symposium behandelt werden, darunter aber doch immerhin: Skandinavien, Polen, Spanien, Italien, Frankreich, die Niederlande und nicht zuletzt Deutschland.

Die Luther-Renaissance im 20. Jahrhundert (Heinrich Assel, Greifswald), Luther und Jacob Böhme (Jean-Claude Wolf, Freiburg), und Luther, Schleiermacher und die Problematik des Begriffs der Moderne (Christine Helmer, Chicago) sind nur einige der Themenfelder, die im dritten und letzten Block der Tagung unter dem Titel "Neuzeitliche Kontroversen und Annäherungen" zur Sprache kamen.

Den Abschluss bildete der Vortrag Wolfgang Thönissens (Paderborn), der mit viel Herzblut und wissenschaftlicher Expertise eine ökumenische Herangehensweise an Luther postulierte und mit der These schloss, dass eine implizite Rezeption der Reformpunkte Luthers schon durch das Tridentinum, aber auch durch das Zweite Vatikanische Konzil stattgefunden und Luther demnach seine Kirche nie richtig verlassen habe, sondern in ihr weiter wirke, sodass manch einer der Zuhörenden den Eindruck hatte, er werde "in einen ökumenischen Rausch versetzt".

Alle, die sich (nochmal) auf Martin Luther einlassen und sich vom fachlichen Wissen und persönlichen Engagement der Referenten "berauschen" lassen wollen, dürfen sich auf die für das kommende Jahr angekündigte Publikation, die durch weitere Beiträge, beispielsweise über Luther und sein Verhältnis zu Rom oder seine Rezeption auf dem Wartburgfest 1817, ergänzt werden soll, freuen. 

 

 

Mirjam Kromer

Mirjam Kromer

Mirjam Kromer ist Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Freiburg i. Ü.