Ein Künstlerpaar auf dem Weg zu Gott: Hugo Ball und Emmy Hennings

Aus einem überfüllten Hinterzimmer der Kneipe "Meierei" in der Zürcher Altstadt ertönten am 5. Februar 1916 wilde Chansons, Musikstücke und Lesungen. Das sogenannte "Cabaret Voltaire" wurde an diesem Tag eröffnet und lärmte von nun an jeden Abend zum Leidwesen der Anwohner, unter ihnen auch der Revolutionär Lenin, der sich über das Getöse beschwerte. Es existierte nur ein halbes Jahr, aber von ihm ging die neue Kunstrichtung des Dadaismus aus, die später internationale Berühmtheit erlangen sollte. Die Idee hierzu stammte vom halb verhungerten, völlig mittellosen Emigrantenpaar Hugo Ball und Emmy Hennings, das seit 1915 in äusserster Armut in Zürich lebte und an deren bewegende Lebens- und Glaubensgeschichte erinnert werden soll. Hugo Ball (1886–1927) und seine spätere Frau Emmy Hennings (1885–1948) gehören zu den vergessenen Namen der deutschsprachigen Literatur und des Katholizismus. Für kurze Zeit standen sie mit der Erfindung des Dadaismus im Rampenlicht der Öffentlichkeit, um sich anschliessend der Schriftstellerei und dem katholischen Glauben zuzuwenden. "Es ist ganz unmöglich, dies Leben auf eine rationale Formel zu bringen, versuchen Sie das lieber gar nicht", schrieb Hermann Hesse im Rückblick auf das aussergewöhnliche Leben dieses Künstlerpaares. Es war ein Weg mit zahlreichen Neben- und Umwegen, voll Irrtum, Zweifel, Sünde – und Heiligkeit. Die Liebe der beiden zueinander hatte Bestand trotz schwerer Verfehlungen – Sucht und Affären, Gewalt und Bevormundung – und bestärkte beide in der Suche nach Gott.

Ein Leben in der Bohème

Emmy Hennings, die 1885 in Flensburg geboren wurde, war in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg der Star der Münchener Bohème und trat als Schauspielerin, Sängerin und Dichterin in verschiedenen Künstlerkneipen auf. Ihr Leben in anarchistischen Kreisen hatte seinen Preis: Emmy befand sich in einer existenziellen Lebenskrise, denn sie war verzweifelt über ihr unstetes Leben als drogenabhängige Künstlerin mit rasch wechselnden Liebesbeziehungen und gelegentlichen Gefängnisaufenthalten. Damals kannte man sie, heute kennt man eher ihre berühmten Freunde wie Erich Mühsam, Hans Arp, Else Lasker-Schüler und Claire Goll. Bei einem Besuch einer ihrer Auftritte in der Schwabinger Künstlerkneipe "Simplizissimus" verliebte sich 1914 der Dramaturg und Schriftsteller Hugo Ball in die exzentrische Künstlerin. Auch er befand sich auf der Suche nach einem tieferen Lebenssinn und sehnte sich nach einer Beziehung, die ihn aus seiner Einsamkeit herausführen sollte.

Sie fanden und verliebten sich, flüchteten 1915 als Pazifisten vor dem Ersten Weltkrieg in die neutrale Schweiz, trotzten dem Hunger und der Armut und schlugen sich in billigen Amüsierlokalen durch: Emmy als Sängerin und Tänzerin, Hugo als Klavierbegleiter und Texter. 1916 trat das Paar dann mit einem spektakulären Auftritt ins Rampenlicht der modernen Kunst. Es gründete in Zürich das "Cabaret Voltaire", das zum Geburtsort des Dadaismus wurde. Hier erfand Ball "Lautgedichte", wo sinnfreie Laute zu rhythmischen Klangbildern zusammengefügt wurden, was Ball mit den Worten begründete: "Mit diesen Tongedichten wollten wir verzichten auf eine Sprache, die verwüstet und unmöglich geworden ist durch den Journalismus." Es war ein turbulentes Leben: Nach den Dada-Abenden kniete das Paar vor einem Hausaltar mit naiven Heiligenbildchen, und zur selben Zeit wurde Ball durch die Kantonspolizei der Gewalttätigkeit gegen seine drogenabhängige Verlobte verdächtigt.

Sehr unterschiedliche Charaktere

Sie waren ein sehr ungleiches Paar: Emmy lebenshungrig, kontaktfreudig, impulsiv und religiös, Hugo hingegen ernst, ungläubig und intellektuell. In der ersten Zeit des Zusammenlebens stand ihre Beziehung immer wieder vor dem Scheitern, weil ihre Charaktere und Lebenseinstellungen zu unterschiedlich waren. Als Emmy eine Affäre mit einem Spanier begann, verfolgte Ball sie mit einem Revolver in der Tasche. Er gewann sie zurück und ermutigte sie, über eigene Erfahrungen mit Drogen und Inhaftierungen zu schreiben, was für Frauen damals ein absolutes Tabu war. In den folgenden Jahren veröffentlichte Emmy Hennings über diese Themen mehrere Bücher. Es war ein Leben in Widersprüchen: bei Emmy Hennings die Zerrissenheit zwischen Glaubenssehnsucht und ausschweifendem Leben. Hugo Ball hingegen befand sich lange Zeit im Zustand einer "geistigen Obdachlosigkeit" und auf der Suche nach Sinn, den er schliesslich im katholischen Glauben fand.

Auf dem Weg zum Glauben

Trotz ihres ungewöhnlichen Lebenswandels war Emmy, die 1911 vom bild- und gefühlsarm empfundenen Protestantismus zur katholischen Kirche konvertiert war, eine treue Kirchgängerin und betete täglich vor ihrem Hausaltar. Der Glauben war ihr zeitlebens wichtig, und so begleitete sie den Freigeist Hugo Ball aus seinem Unglauben zum Katholizismus, während er ihr half, die Drogensucht und ihre Bindungsunfähigkeit zu bewältigen.

Ball selbst hatte trotz seiner katholischen Kindheit in Pirmasens seinen Glauben frühzeitig verloren und war 1912 aus der Kirche ausgetreten. Beim Vortrag von Lautgedichten im "Cabaret Voltaire" geschah 1916 etwas Besonderes: Ball fühlte sich unerwartet zurückversetzt in die Gottesdienste seiner Kindheit: "Da bemerkte ich, dass meine Stimme, der kein anderer Weg mehr blieb, die uralte Kadenz der priesterlichen Lamentation annahm, jenen Stil des Messgesangs, wie er durch die katholischen Kirchen des Morgen- und Abendlandes wehklagt. (…) Einen Moment lang schien mir, als tauche in meiner kubistischen Maske ein bleiches, verstörtes Jungensgesicht auf, jenes halb erschrockene, halb neugierige Gesicht eines zehnjährigen Knaben, der in den Totenmessen und Hochämtern seiner Heimatpfarrei zitternd und gierig am Munde des Priesters hängt." Im Nachhinein interpretierte Ball dieses Ereignis als eine Schlüsselerfahrung, als plötzlich auftauchende religiöse Dimension, als ersten Impuls zur späteren Bekehrung und Rückkehr zur Kirche.

Sein Interesse am Glauben war geweckt, es begann seine "langsame Konversion", wie er es nannte. Es wurde ein langer Weg. Während er zwischen 1916 und 1919 in Briefen und Schriften die katholische Kirche und das Papsttum noch heftig kritisierte, besuchte er zeitgleich mit Emmy Gottesdienste und betete mit ihr. Weitere Beweggründe, zum Glauben zu finden, waren Erfahrungen "schmerzlicher Art", wie der "Krieg mit seinen Trostlosigkeiten" und "moralische und ökonomische Depressionen". Für Ball stillte der katholische Glauben zugleich "das Bedürfnis nach geistiger Direktive" und "nach einem sicheren Standort inmitten der Zusammenbrüche" der Nachkriegszeit. Zeitlebens lebte das Paar ausserhalb der bürgerlichen Gesellschaft, immer am Rande des Existenzminimums. Beide brauchten sich, um zu überleben. Denn Emmy war lange Zeit psychisch angeschlagen, traumatisiert durch Gefängnisaufenthalte und innerlich zerrissen zwischen Glaubenssehnsucht und Lebenshunger. Hinter ihrer Exzentrik und Ruhelosigkeit verbarg sich jedoch die Sehnsucht, um ihrer selbst willen geliebt zu werden. Sie entdeckte in Hugo, dass jemand in existenziell schwierigen Grenzsituationen bedingungslos für sie da war. Im Durcheinander des Krieges, ihrer Affären und Süchte sehnte sie sich nach dieser Sicherheit und Geborgenheit.

Die Schriftstellerei wurde für Emmy ab 1917 zum Rettungsanker und Mittel, ihre Erlebnisse und Krisen zu bewältigen. Das gemeinsame "Büchermachen" verband Hugo und Emmy zeitlebens, sie waren Schriftsteller, die sich gegenseitig unterstützten, anspornten und anerkannten. Sie rieben sich nicht – wie viele andere Künstlerpaare – in Konkurrenzdramen auf, sondern ergänzten und halfen sich. Bis 1920 war Ball in Bern als politischer Journalist in einem Kreis von Kriegsgegnern mit Ernst Bloch aktiv und schrieb für eine Emigranten-Zeitung gegen Militarismus und Nationalismus.

Emmy Hennings’ Einfluss

Schon früh ahnte Emmy, dass es für eine Ehe neben Leidenschaft auch eines gemeinsamen Glaubens bedurfte. Das erklärt ihre rätselhaften Gedanken bei den ersten Treffen mit Hugo: "Eins ahnte ich zum voraus, dass dies der Mann war, mit dem ich beten konnte. Dies war das einzige Motiv, das mich bestimmte, mich ihm vollkommen anzuvertrauen." Diese Aussage verdeutlichte Emmys tiefe Sehnsucht nach einem gemeinsam gelebten Glauben, um ihre eigenen Zweifel ertragen und Fehltritte überwinden zu können. In der Begegnung mit Hugo erfüllte sich ihr religiöser Hunger und Herzenswunsch nach Glaubensgemeinschaft. Hugo hingegen sah in Emmy eine Frau, die auf dem Weg voranging, den er selber suchte, und die ihn bei seinem religiösen Suchen unterstützte. Einen wesentlichen Einfluss übte Emmy Hennings auf Balls Konversion aus, durch die gemeinsame Lektüre von Mystikern und Heiligen, den Besuch von Gottesdiensten und Gespräche über den Glauben. Auch Balls Freunde bestätigten, wenn auch eher missbilligend, "dass Hugo stark unter dem Einfluss dieser Frau stand" und dass sie es war, "die Hugo Balls Weg zu Gott" bestimmte.

Ball und die Heiligen

1920 zog das Paar, nach einem kurzen Aufenthalt in Flensburg, ins Tessin, und Ball begann, über sein bisheriges Leben nachzudenken, um sich mit intellektuellem Heisshunger auf sein neues Interessengebiet zu stürzen: den Katholizismus. Anregung erhielt er durch die "Acta Sanctorum", eine mehrbändige Sammlung von Heiligenleben. Ball suchte einen neuen Ausgangspunkt, um mit der Enttäuschung über die ausbleibende Erneuerung Deutschlands umgehen zu können. 1919 hatte er bereits die utopische Idee einer "Internationalen der religiösen Intelligenz " entwickelt, die ausserhalb von Staat und Kirche eine "asketische, demütige, selbstlose und uneigennützige Elite" bilden sollte. Es sollten Menschen sein, die keine Macht und keinen Besitz anstrebten und daher unabhängig waren. Nun stiess Ball auf die Heiligen. Ihre Lebensform der Hingabe an Gott und die Kirche sowie ihre Tugenden wie Opfer, Verzicht, Demut und Liebe waren die Werte, die Deutschlands Intelligenz in den Wirren der Nachkriegszeit nach Balls Auffassung brauchte.

Während Emmy 1920 sehr emotional in Gedichten und Notizen um ihre Glaubenssehnsucht kreiste, vertiefte sich Hugo mit Eifer in altchristliche Schriften und Lebensentwürfe, aber auch in Fragen der Psychoanalyse und Seelenkunde. Hugo war davon überzeugt, dass eine Erneuerung der Gesellschaft nur aus dem Inneren des Menschen erfolgen könnte und dass er bei sich anfangen müsse. Es ging dem Paar um eine innere Wandlung und Umkehr zum Glauben. Balls langsame Konversion fand 1922 ihren Abschluss in der Generalbeichte in München und dem Wiedereintritt in die katholische Kirche. Künstlerkreise spotteten in der Zeitschrift "Simplizissimus" über Ball in launigen Versen: "Selig sind die Konvertiten, / die am Kirchentor sich raufen. / Und es machen Jesuiten / Überstunden schon im Taufen."

Nach seiner Hinwendung zum Katholizismus lebte Ball, der radikal dem einmal als richtig Erkannten folgte, nicht eine gemässigte, bürgerliche Version des Glaubens, sondern einen mystisch-asketischen Katholizismus, was auf wenig Verständnis unter Künstlerfreun den stiess. Er favorisierte eine "berauschte Theologie", dabei geriet er gelegentlich in einen Rigorismus, der die "Unbedingtheit der Nachfolge Christi" nur in der Ausschliessung aller weltlichen Dinge zu erreichen glaubte. Er wurde zu einem tiefreligiösen, der katholischen Kirche eng verbundenen Schriftsteller und bezog zu vielen Gewissheiten der Moderne eine Gegenposition. Wo schnelle Bedürfnisbefriedigung gepredigt und praktiziert wurde, lobte er die Askese, wobei Balls Katholizismus zugleich kindlich fromm und intellektuell reflektierend war. Das Glaubensleben des Paares nährte sich aus der Vielfalt katholischer Frömmigkeit wie hl. Messe, Rosenkranz, Gebete, Litaneien, Beichte, Heiligenverehrung, Wallfahrten und Marienfrömmigkeit.

Der engste Freund: Hermann Hesse

Das exzentrische Paar hatte bereits 1920 geheiratet und zog sich immer wieder in das Tessin zurück, wo es enge Freundschaft mit Hermann Hesse schloss und Ball als wenig beachteter geistlicher Schriftsteller arbeitete. Eine Zeit lang wohnten sie in den benachbarten Tessiner Dörfern Agnuzzo und Montagnola, Ball und Hesse unterstützten und förderten einander. Der berühmte Dichter besorgte Mäzene, vermittelte Kontakte, Hugo Ball war ihm ein wichtiger Gesprächspartner. In den ersten Monaten ihrer Bekanntschaft streiften das Ehepaar Ball und Hermann Hesse zusammen durch die Berge am Luganersee und unternahmen Wanderungen und Ausflüge durch die Kastanienwälder, nahmen an Prozessionen teil, tranken zusammen Wein in den Tessiner Weinkellern, spielten Boccia oder badeten im See. Ball und Hesse diskutierten oft nächtelang über spirituelle Themen wie Psychoanalyse, Religion, Träume und Kunst. Im Gespräch mit Hesse entwickelte Ball einen Gedanken, der ihn bis zu seinem Tod begleitete: "Gestern abend im Gespräch mit Hesse ging mir das Wesen des Wüstenheiligen Johannes Klimax auf. Es ist klar, dass die Leute schon damals um die Psychoanalyse wussten. Sie hatten nur einen anderen Namen dafür. Nur deuteten sie anders und ihre Therapie war begriffen im Exorzismus."

Bei der Beschäftigung mit den Wüstenheiligen, Psychoanalyse und dem Exorzismus ereigneten sich im Hause Ball plötzlich übernatürliche Phänomene, die Emmy wie folgt beschrieb: Ball "glaubte ähnliche Schläge zu empfangen wie der Wüstenheilige, da er mit den Dämonen stritt (...). Die Anfechtungen wurden Hugo und auch mir und dem Kind so lästig, dass er die Arbeit abbrechen musste." Später erlebten beide erneut "einige Diabolismen" und fühlten sich durch unerklärlichen Lärm bedrängt. Obwohl Hugo an die personale Existenz von Dämonen als Träger des Bösen glaubte, ging das Paar mit diesen Erlebnissen sehr diskret um. Beide waren keine einfachen Persönlichkeiten, sodass die Beziehung des Paares von gelegentlich heftigen Konflikten gekennzeichnet war wie Eifersucht, Streit ums Geld und gegenseitiges Unverständnis. Für eine Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte Emmy ein erstaunlich selbstbestimmtes Leben, auch in der Ehe mit Hugo, indem sie ihr eigenes Geld verdiente, eigene literarische Projekte verfolgte und immer wieder alleine auf Reisen ging. Sie fürchtete Sesshaftigkeit als Begrenzung. Sie folgte Balls abrupten "Kehrtwendungen", sei es als Dramaturg, Kriegsfreiwilliger, Pazifist, Dadaist, politischer Journalist oder als religiöser Schriftsteller. Sein Handeln war oft Herausforderung und Zumutung zugleich, denn alles, was Ball aufgriff, trieb er ins Extrem. Sie machte ihm seine vielen Misserfolge nicht zum Vorwurf. Er hingegen entdeckte hinter der Frau die Dichterin, ertrug geduldig ihre Unausgeglichenheiten und Widersprüche und sorgte sich um ihre angegriffene Gesundheit.

Zeitlebens litt die psychisch labile Emmy unter übersteigerten Schuldgefühlen und Selbsthass, Depressionen und psychosomatischen Erkrankungen. Der oft selbstquälerische Pessimist Hugo verfolgte viele seiner Ideen kompromisslos und eigensinnig gegen den Rat seiner Frau und blieb zeitlebens ein intellektueller Querkopf, dem Erfolg und materielle Sicherheit unwichtig waren. Was sie als Wahrheit erkannt hatten, lebten sie, koste was es wolle. Sie schrieben Bücher, die ihnen wichtig waren, ohne einen Verlag zu haben. Sie wagten immer wieder Neues und begehrten auf gegen den Zeitgeist: in der Kunst mit der Gründung des Dadaismus, als Pazifisten und Kritiker des Militarismus während des Ersten Weltkrieges. Lange Zeit auf der Suche, fanden sie schliesslich ihren Lebenssinn im Katholizismus, den sie konsequent lebten. Durch die Hinwendung zum Glauben bekam das Leben der beiden – neben ihrer Liebe – aber ein Ziel und den lange gesuchten Lebenssinn. Der Glaube wurde zur Basis ihres Zusammenlebens, der sie trug und schwierigste Situationen meistern liess. 1927 starb Hugo Ball mit nur 41 Jahren in San Abbondio im Tessin an Magenkrebs. "Ich finde es unanständig, vorsichtig zu leben, ich kann es nicht", fasste Emmy Hennings ihr Leben zusammen. Für Emmy wurde das Leben mit Hugo Ball, das für sie mit dem Tod innerlich nicht endete, in den folgenden Jahren bis zu ihrem Tod 1948 zum zentralen Thema ihres schriftstellerischen Tuns.

Die Werke von Hugo Ball und Emmy Hennings sind heutzutage weitgehend vergessen. Emmy Hennings gehört zu den bemerkenswerten Schriftstellerinnen der Avantgarde. Ihre Gedichte sind es wert, wieder entdeckt zu werden ebenso wie die autobiografischen Bücher "Blume und Flamme" und "Das flüchtige Spiel". Von der Literaturwissenschaft wird bis heute nur die Bedeutung Balls als Mitbegründer der Dada-Bewegung und als Hesse-Biograf wahrgenommen, sein politischer Kampf gegen Militarismus und Nationalismus ist aber ebenso vergessen wie seine Endeckungen der asketisch-mystischen Tradition des Katholizismus. Balls Bücher sind in einer Gesamtausgabe greifbar, besonders empfehlenswert ist die Biografie über Hesse und sein Tagebuch "Flucht aus der Zeit". Wenn Zürich im nächsten Jahr der Gründung des Dadaismus vor 100 Jahren gedenkt, bleibt zu hoffen, dass auch der Glaubenssuche dieses ungewöhnlichen, katholischen Paares gedacht wird. 

 

 

Alfred Sobel

Alfred Sobel, geboren 1954, Theologe, Bibliothekar und Mediator, arbeitet als Autor und Journalist in Berlin. Er hat u. a. Bücher über Eugen Drewermann, Theodor Storm und den Ratgeber «Pubertät für Anfänger» veröffentlicht, auch kürzlich das Buch über das Paar Hugo Ball und Emmy Hennings mit dem Titel «‹Gute Ehen werden in der Hölle geschlossen› Das wilde Leben des Künstlerpaares Hugo Ball und Emmy Hennings zwischen Dadaismus und Glauben» (FE-Medienverlag Kisslegg 2015, 192 S.).