Franziskus: ein neues Papstbuch – spritzig, klug und tief

Sprechende Zeichen

Niklaus Kuster: Sprechende Zeichen. Ein Papst macht Geschichte(n). (Paulusverlag) Freiburg/Schweiz 2015, 120 S.

In der Überschwemmung von Franziskus-Büchern ragt eine kleine Insel heraus, die Aufmerksamkeit erheischt: Das hier anzuzeigende Buch ist kurz, prägnant, mit weitem Horizont und schürft tiefer, da es nicht Vatikangeschwätz kolporiert oder falsche Hoffnungen weckt, sondern wichtige Zusammenhänge aufdeckt. Schon der Umschlag macht Freude: Ein lachender Papst lässt eine Taube von seiner Hand absetzen. Der Verfasser – er nennt sich Reform-Franziskaner – ist der Kapuzinerbruder Niklaus Kuster, u. a. auch Franz von- Assisi-Spezialist. Anhand der wichtigsten Taten und Worte des Papstes aus den ersten beiden Amtsjahren zeigt der Verfasser auf, welches die Grundanliegen des Pontifex sind: zwischen den verschiedenen Lagern in der Kirche, zwischen Armen und Reichen, zwischen den Ländern und Kontinenten, zwischen Benachteiligten und Bevorzugten Brücken zu bauen. Franziskus weckt die Gewissen auf und rüttelt Ängstliche wach. Er redet oft ganz gewöhnlich wie ein Landpfarrer, und niemand braucht jeden Satz als der Weisheit letzten Schluss mit dem Siegel der Unfehlbarkeit zu versehen, es ist öffnendes Gespräch, nicht abschliessende Weisung; Rundschreiben und Reden zu bestimmten Terminen haben mehr Gewicht. Wie schon Johannes XXIII. (und allzu kurz Johannes Paul I.) eröffnet Franziskus neue Perspektiven, die im Dialog abzuschreiten sind. Aber der Verfasser verschweigt nicht, dass dem Papst vielerorts Widerstand erwächst. Eine ganze Reihe von Kardinälen und Bischöfen, die den beiden letzten Päpsten zu "verdanken" sind, glauben sich im Alleinbesitz der Wahrheit und kämpfen verbissen gegen die "Abweichler". Aber die Kirche ist eben nicht mehr "ein Haus voll Glorie" oder "Felsen Petri", sondern viel eher die "Barke des hl. Petrus" im Meeressturm, lauter Bilder, die einen Aspekt der Kirche aufzeigen, aber nicht alleingültig sind. Schon die erste Erscheinung des Papstes war erfrischend – aber dann auch alle Entscheidungen: die Reise nach Lampedusa, der Besuch in Assisi, die spontanen Telefonate und offenherzigen Interviews, der neue Stil, in dem Reformen angestossen und weitergeführt werden, keine Schönwetterprognosen, sondern Schulaufgaben, die gemeinsam zu lösen sind!

Iso Baumer

Iso Baumer

Dr. Iso Baumer, geboren 1929 in St. Gallen, studierte Sprach- und Literaturwissenschaft und war als Gymnasiallehrer in Bern und Lehrbeauftragter für Ostkirchenkunde an der Universität Freiburg (Schweiz) tätig. Er befasste sich früh mit Theologie und verfasste viele Publikationen zur westlichen und östlichen Kirchengeschichte (religiöse Volkskunde, Ostkirchenkunde).