Franziskus – der lockere Stil führt zu Verzerrungen und Spekulationen

Dass Franziskus so erstaunlich viele Sympathien gewinnt, liegt nicht zuletzt an seinem einfachen, lockeren Kommunikationsstil, an seiner Art, oft aus dem Stegreif, also «frei von der Leber weg» zu reden. Doch kurios genug: Gerade diese überwiegend positiv aufgenommene Eigenschaft führt dazu, dass unzählige Un- oder Halbwahrheiten über seine Äusserungen durch die Medien, vor allem durch das Internet geistern. Die Folge? Verschiedentlich schon musste das (von Jesuitenpater Federico Lombardi geleitete) vatikanische Presseamt besorgt eingreifen, abschwächen oder sogar dementieren.

Mitte Januar 2014 etwa verbreitete die offizielle Homepage « News.va » einen langen Appell, in dem es heisst: Man habe erfahren, dass im Internet, auch in verschiedenen Sprachen, allerlei Berichte über angebliche Stellungnahmen von Papst Franziskus zirkulieren. Aus diesem Anlass sei betont, dass gerade über Internet leider viele falsche Geschichten von unbekannten Autoren herumschwirren. «Wir bitten daher all unsere Leser inständig, nur die offiziellen Quellen zu konsultieren.» Nämlich die anschliessend aufgeführten neun Web-Plattformen von www.news.va über www.radiovaticana.va bis zur Twitter-Adresse des Pontifex. «Ein Appell, der geradezu verweifelt klingt», staunte deshalb der prominente Vatikanjournalist Sandro Magister in seinem Blog «Settimo Cielo» (Siebter Himmel). Aber die Grenze zwischen dem, was Franziskus tatsächlich sagt, und dem, was man ihm in den Mund legt, sei eben unklar. Im jetzigen Pontifikat «boomt der Markt mit täuschend echt klingenden Papstworten». Stimmt. Liegt es vielleicht auch daran, dass Franziskus in seinem Reformeifer manchmal Ideen vorträgt, die sich gut und zukunftsträchtig anhören, aber missverständlich sind? Vage Pläne, die wilde Gerüchte auslösen? Diesen Eindruck gewannen römische Beobachter Ende 2013 zumindest bei einem neuerdings vieldiskutierten Thema: der Rolle der Frauen in der katholischen Kirche.

Mehrfach nämlich hatte der Heilige Vater betont: Die Kirche «ist weiblich» – die Frauen in der Kirche sollen nachdrücklich aufgewertet werden, auch durch die Übernahme von Führungspositionen Das bewirkte sogleich Spekulationen. Der Reformerpapst, hiess es, wolle womöglich eine Frau an die Spitze einer Kongregation berufen, also in ein Amt, das traditionell mit dem Kardinalspurpur verbunden ist. Die Konfusion wuchs noch, als eine Vatikan-Mitarbeiterin sagte, theoretisch könnten auch Frauen sehr wohl Kardinäle werden. Im Kirchenrecht ist jedoch festgelegt, dass zum Kardinal Ernannte die Bischofsweihe empfangen sollen, was die Priesterweihe voraussetzt. Da es in der römischkatholischen Kirche nun mal keine «weiblichen Priester » gibt, erklärte Vatikansprecher Pater Lombardi zum Reizthema «Kardinälin» denn auch kategorisch: «Völlig absurd». Gleichwohl brodelte die Gerüchteküche weiter. In einem Interview Ende 2013 mit der Turiner Zeitung «La Stampa» antwortete Franziskus auf die Frage «Werden wir weibliche Kardinäle haben?»: Das sei bloss ein Schlagwort, wer weiss woher es stamme. Die Frauen in der Kirche sollen aufgewertet, aber nicht «klerikalisiert» werden. «Wer an weibliche Kardinäle denkt, der leidet an Klerikalismus. » Durch die inzwischen erfolgte Kardinalskreation von 19 verdienten Klerikern trat dies Thema nun in den Hintergrund.

Medialen Wirbel um den Bergoglio-Papst gibt es ohnehin genug. Denn manche Medien (zumindest in Italien), die umstrittene «progressive» Gesetzespläne fördern, verdrehen gewisse Papstaussagen für ihre Zwecke. Beispiel? Als Franziskus von der neuartigen Pflicht der Kirche sprach, auch Kinder aus «anormalen», sogar homosexuellen Partnerschaften christlich zu erziehen, schrieb die grosse linksliberale Zeitung «La Repubblica» erfreut: Franziskus «befürwortet Homo-Paare». (Woraus die Leser folgerten: Aha, genau wie der sozialdemokratische Parteichef Matteo Renzi.) Der Heilige Stuhl dementierte prompt. Aber Beamte des vatikanischen Presseamtes sagen resignierend: «Bestimmte Kreise versuchen weiterhin, den Papst vor ihren Polit-Karren zu spannen. Leider.»

Zum Kapitel «Papst und Presse» gehört noch ein anderer spektakulärer Fall. Im September 2013 nämlich hatte Franziskus dem Begründer und Leitartikler der «Repubblica», Eugenio Scalfari, einem notorischen Atheisten, ein langes Interview gegeben. Es schien authentisch, weshalb es sogar im Vatikanblatt «Osservatore Romano» nachgedruckt wurde. Aber dann kamen Zweifel an der Verbindlichkeit der Papstaussagen auf. Schliesslich entfernte man das Interview aus der Internetseite des Vatikans – angeblich auf «Befehl» des konservativen Präfekten der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller.

Peinlich, peinlich. Waren der oberste Glaubenshüter und andere hohe Kurienbeamte erbost darüber, dass Franziskus in jenem Interview den vatikanischen Hofstaat als «Lepra des Papstttums» bezeichnete? Will die Kurie den Bergoglio-Papst kräftig bremsen und am liebsten zensieren? Diese Fragen drängen sich auf. Doch das vatikanische Presseamt weicht dazu aus: «Kein Kommentar.»

 

Bernhard Müller-Hülsebusch

Bernhard Müller-Hülsebusch

Dr. Bernhard Müller-Hülsebusch, seit vielen Jahren Korrespondent von deutschen und schweizerischen Medien in Rom und Buchautor, beschäftigt sich vor allem mit Themen rund um den Vatikan