Fest der Himmelfahrt Christi und der Erhöhung des Menschen

An manchen Orten ist noch der Brauch anzutreffen, an Auffahrt im Rahmen der Liturgie dieses Festtages eine Christusfigur in das Gewölbe der Kirche hinaufzuziehen. Dieser Brauch stammt aus dem Hoch- und Spätmittelalter, einer Zeit, in der es den Gläubigen sehr wichtig war, das jeweilige Festgeheimnis nicht nur in Schriftlesung und Gebet zu erinnern, sondern es regelrecht zu inszenieren.

Nachspiel der Himmelfahrt Christi

Besonders an den Hochfesten des Jahres gab es ein solches Nachspielen der biblischen Botschaft. Auch am Fest Christi Himmelfahrt ging die Liturgie mit einer Nachahmung des biblischen Heilsgeschehens eine ganz eigene Symbiose ein. Die lukanische Erzählung von der Himmelfahrt Christi am 40. Tag nach der Auferstehung bot sich direkt dafür an: Die Auffahrt des erhöhten Herrn konnte sinnlich erfahrbar gemacht werden, indem eine Figur des Auferstandenen den Blicken der Mitfeiernden entzogen wurde. So wie es zu biblischer Zeit die Jünger erfahren hatten. Aber nicht nur der Abschied Jesu wurde nachgeahmt, sondern es wurde auch der Bedeutung dieses Geschehens für die Gläubigen Raum gegeben.

Das gehört noch heute zum Brauch an Auffahrt hinzu: Sobald nämlich die Christusfigur den Blicken der Mitfeiernden entschwunden ist, regnet es aus dem Gewölbehimmel Blumen, die von den Kindern freudig aufgesammelt werden. Früher segelten auch andere Dinge herab, etwa Heiligenbildchen, Rosinen sowie Mandeln oder auch brennendes Werk, das die Feuerzungen des Heiligen Geistes verdeutlichen sollten. Hier hat sich noch erhalten, dass Himmelfahrt und Geistsendung ganz eng miteinander verbunden sind, auch wenn Lukas die Geistsendung erst auf den 50. Tag lokalisiert.

Der Brauch an Auffahrt setzt beim Abschied Jesu an: Der Herr wird entrückt und ist fortan nicht mehr in der Welt. Die mittelalterliche Liturgie unterstrich diesen Akzent noch, wenn sie nach der Verkündigung des Evangeliums die Osterkerze auslöschte. Diese Praxis nahm das Trienter Missale auf und schrieb sie für die ganze Kirche vor. Heute steht die brennende Osterkerze bis Pfingsten in der Nähe des Altars, denn Himmelfahrt ist nicht das Ende der Gegenwart Christi.

Liturgie des Himmelfahrtsfestes im heutigen Messbuch

Himmel und Erde sind eins in Jesus Christus. Im Blick auf das Heil der Menschen bedeutet Himmelfahrt die Öffnung des Weges zum Himmel (Joh 14,2f; Hebr 6,20) und zur ewigen Gemeinschaft mit Christus (1 Thess 4,17; Joh 12,32). Die Präfation von Christi Himmelfahrt II formuliert prägnant: «Vor ihren Augen wurde er zum Himmel erhoben, damit er uns Anteil gebe an seinem göttlichen Leben» (MB 396). Als zur «Rechten Gottes sitzend» ist dieser Auferstandene das Haupt der Kirche, die als sein Leib zwar noch in der Welt steht, aber schon an der Erhöhung teilhat. Im Tagesgebet des Festformulars heisst es sogar: «denn in der Himmelfahrt deines Sohnes hast du den Menschen erhöht» (MB 186). Der Sinn von Auffahrt ist keineswegs die Entrückung des Auferstandenen, sondern die Botschaft, dass der Himmel für alle offensteht. «Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt» (Mt 28,20) preist der Kommunionvers des Messformulars (MB 186). Bei aller Begrenztheit der irdischen Zeit eröffnet sich für die Feiernden nicht nur die Perspektive einer anderen Seinsweise im Himmel nach dem Tod, sondern die Zeit der irdischen Existenz erfährt eine neue veränderte Qualität.

Erhöhung und Himmelfahrt

Die Kirche ist nicht immer der lukanischen Interpretation einer Stufung des Heilsgeschehens Auferstehung – Himmelfahrt (40. Tag) – Geistsendung (50. Tag) gefolgt. Das Neue Testament gibt vielfältig Zeugnis davon, dass Ostern auch Erhöhung bedeutet. Die Auferweckung ist das Geschehen, durch welches sich die Erhöhung bereits vollzogen hat. Der 1. Petrusbrief spricht von Gott, der Christus «von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben» hat (1,21). 1 Tim 3,16 bekennt von Christus, dass er «aufgenommen in die Herrlichkeit» ist. Nach dem Hebräerbrief hat dieser Erhöhte die Himmel durchschritten (Hebr 6,20; 9,12.24).

In den ersten Jahrhunderten wurde das Ostergeschehen als eine Einheit erlebt. Sie umfasst die Hingabe Jesu Christi am Kreuz, seine Auferstehung und die Erhöhung. Die Erhöhung Christi wurde stets mit dem Osterereignis mitgedacht und verbunden mit dem 50. Tag der Osterzeit, so dass Himmelfahrt/Erhöhung und Geistsendung gemeinsam gefeiert wurden. Die «Zeit der 50 Tage», die Pentekoste also, wurde noch nicht als Entfaltung der Stufen der Erhöhung in einem historischen Nacheinander, sondern als eine grosse Oekonomia verstanden. Himmelfahrt war in der ganzen Pentekoste eingeschlossen. Erhöhung war nicht das Ende der Erscheinungen des Auferstandenen, sondern deren Voraussetzung. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts verändert sich dies: Der Chronologie der Apostelgeschichte wird grössere Bedeutung beigemessen. Man wollte nun das Leiden, das Sterben, die Auferstehung und die Verherrlichung des Sohnes Gottes Schritt für Schritt nacherleben und nachvollziehen. So wurde der 50. Tag mit dem Gedenken der Geistausgiessung belegt und der 40. Tag zum Himmelfahrtsfest. Die Einheit von Tod und Erhöhung tritt damit aber in den Hintergrund.

Die «Grundordnung des Kirchenjahres» greift den altkirchlichen Gedanken der 50-tägigen Freudenzeit wieder auf: «Die Zeit der fünfzig Tage vom Sonntag der Auferstehung bis zum Pfingstsonntag wird als ein einziger Festtag gefeiert, als der grosse Tag des Herrn» (GOKJ 20). Die Liturgie gedenkt der Einheit von Himmelfahrt, Wiederkunft Christi und Erhöhung des Menschen.

Heute noch den Brauch von gestern begehen?

Gerade in heutiger Zeit ist es besonders wichtig, Möglichkeiten zu schaffen, durch die das in der Liturgie Gefeierte sinnenhaft erfahrbar werden kann. Dort, wo der Brauch, eine Christusfigur in das Kirchengewölbe hochzuziehen, noch lebendig ist, sollte man nicht darauf verzichten. Doch ist deutlich herauszustellen, dass Auffahrt nicht das Ende der Gegenwart Christi in der Welt von heute bedeutet.

 

Birgit Jeggle-Merz (Bild: unilu.ch)

Birgit Jeggle-Merz

Dr. theol. Birgit Jeggle-Merz ist Ordentliche Professorin für Liturgiewissenschaft an der Theologischen Hochschule Chur und a. o. Professorin in derselben Disziplin an der Universität Luzern.