Ermächtigung von Frauen in der Arbeitswelt

Die 61. Session der UN-Frauenrechtskommission (CSW61) vom 13. bis 24. März 2017 in New York stand unter dem Thema «Ermächtigung von Frauen in der sich verändernden Arbeitswelt».

Seit Beginn der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG/2015–2030) kommen vermehrt globale Zusammenhänge ins Spiel, denn nun sind alle UN-Mitgliedsländer gleichermassen zur Umsetzung der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele verpflichtet. In den Vordergrund rückt das alle 17 Themenbereiche durchziehende Kriterium der Gender-Gerechtigkeit, das explizit im Ziel 5 mit «Gender-Gleichstellung» umrissen wird und zugleich in allen thematischen Bereichen reflektiert werden muss.

Spannungsreiche Verhandlungen

Das Eidgenössische Büro für Gleichstellung (EBG) und das EDA luden zur Nachbereitung mit der offiziellen Delegation ein. Laut EBG-Direktorin Sylvie Durrer wurden ihre Anliegen für das Schlussdokument erreicht: Zum Beispiel die Betonung, dass professionelles und privates Leben der Frau in einem Gleichgewicht stehen sollen und die Rolle in der Familie nicht wichtiger sei als das Berufsleben der Frau. Die Verhandlungen in New York verliefen jedoch nicht reibungslos. Für polarisierende Themen wurde die von Schweizer Seite unterstützte Methode von Cluster-Bildung zur besseren gegenseitigen Verständigung angewandt. In der Folge kommt in der Schlussfassung des Dokuments «national realities» nur einmal, statt dreimal, vor. Eine zunehmende Betonung von «nationalen Wirklichkeiten» und die Erwähnung im Dokument steht nicht nur einer gemeinsamen Sprache entgegen, sondern widerspricht dem Verständnis von internationaler Zusammengehörigkeit. Die Befürworter «nationaler Wirklichkeiten» drohten, ohne diese Erwähnung keinem Schlussdokument zuzustimmen. Es ist jedoch Aufgabe der Kommission, einen Konsens im Ausdruck zu finden, der dann verbindlich wird. Das Beispiel zeigt, wie spannungsreich Verhandlungen verlaufen, wie bedeutsam Gespräche vor allem mit Andersgesinnten sind.

Neue Partnerschaften

Auch wenn wieder von einem Backlash der Frauenrechte als Menschenrechte die Rede ist, kommen wirkliche, auch kleine, Öffnungen auf. Entsprechend dem Nachhaltigkeitsziel 17 (Partnerschaften eingehen) bildeten sich Partnerschaften zwischen Organisationen. Und neue entstanden, die sich für Verbindungen mit Glaubensgemeinschaften einsetzen. Ein Beispiel stellte das Side Event «HIV-Aids und das Recht auf Besitz als Barrieren für die Ermächtigung von Frauen» des UNAIDS-Büros dar, das vom ÖRK, der griechisch- orthodoxen Erzdiözese von Amerika, den Salesianern von Don Bosco und der Ständigen Beobachtermission des Heiligen Stuhls bei den Vereinigten Nationen mitorganisiert wurde. Der Vatikan-Vertreter Erzbischof Bernardito Auza zeigte den Zusammenhang von sozialem Stigma durch HIV-Aids-Erkrankung und dem Recht auf Besitz auf. Vielerorts gilt ein Gewohnheitsrecht, das einer nationalen Gesetzgebung widerspricht. Oft werden Frauen daran gehindert zu erben, oder ihr Eigentum wird im Fall ihrer Erkrankung etwa durch Familienmitglieder beschlagnahmt. Die katholische Kirche erwartet deshalb von Regierungen, alles für ein Leben in Würde zu unternehmen. In manchen afrikanischen Staaten steht der Frau (noch) kein Erbe zu. Sie wird als Besitz des Mannes angesehen, daher kann sie nicht über eigenen Besitz verfügen. Glaubensgemeinschaften – Faith Based Organizations (FBO) – können sich für eine entsprechende Verfassungsänderung in ihrem Land einsetzen, damit das Recht der Frauen auf Besitz geschützt wird.

Interreligiös für die Würde und Rechte aller

Die FBOs erhalten auf interreligiöser Ebene immer mehr Bedeutung, wie das Beispiel, die Einführung einer Plattform zu «Gender-Gleichstellung und Religion für die gender-sensitive Umsetzung der 2030 SDG-Agenda» aufzeigt. Den Dialog fördern wollen die Botschaft von Canada, UK-Aid, der Bevölkerungsfonds der UN (UNFPA), die UN-Frauen und «Side by side» als Glaubensbewegung für Gender-Gerechtigkeit sowie PaRD als internationale Partnerschaft für religiöse und nachhaltige Entwicklung. Neben Regierungsvertretern und UN-Missionen nahmen auch religiöse Führungspersönlichkeiten aus dem Hinduismus, Judentum, Islam, Buddhismus, Christentum (u. a. ÖRK) und der Baha’i teil.

Lakshmi Puri (UN-Frauen) ermutigte, kollektive interreligiöse Narrative von Gender- Gleichstellung und Ermächtigung von Frauen zu entwickeln, patriarchale Normen zu dekonstruieren und gemeinsam für progressive Normen einzustehen. ACT-Alliance ist ein solches Beispiel.1 Sie betont die positive Rolle von Glauben und Glaubensgemeinschaften, um Gender-Gerechtigkeit zu erreichen, und setzt sich für Menschenrechte und den Respekt, die Würde als inneren Wert aller Frauen und Männer, Mädchen und Knaben ein. In New York brachte sie eine Erklärung ein zu Gunsten von Gender-Gleichstellung und -Gerechtigkeit in bestehenden internationalen Strukturen, die sich ausspricht für die Konvention zur Eliminierung jeder Form von Diskriminierung gegen Frauen (CEDAW), die Beijing-Plattform und Resolutionen zu Frauen, Frieden und Sicherheit – mit dem Ziel der Gender-Gleichstellung als einem wesentlichen Grundrecht und um nachhaltiges sozioökonomisches Wachstum zu erreichen.

Auch ACT-Alliance hielt fest, dass in vielen Ländern parallele Gesetzessysteme aufgrund von Gewohnheit oder Religion Einfluss haben mit negativer Auswirkung auf die gesetzlichen Rechte von Frauen und ihre ökonomische Ermächtigung. Verheiratung von Kindern und gefährliche Praktiken werden oft durch Gewohnheitsrecht aufrechterhalten und verhindern sowohl Bildung wie auch die sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte von Frauen und Mädchen.

Für sie stellt der «Riss zwischen ihren legalen Rechten und ihrer Fähigkeit, sie als Individuum zu fordern», eine der grössten Herausforderungen für Frauen in vielen Teilen der Welt dar.

Nun ist gerade das Recht auf Gesundheit ein dauernder Diskussionspunkt in den Verhandlungen. Unterschiedliche religiöse Deutungen scheinen sich indirekt anzunähern im gemeinsamen Engagement, soweit es die eigenen Standpunkte erlauben. Das führt zum Abbau von Polarisierung zu Gunsten einer Bestärkung von Glaubensgemeinschaften. Das ist insofern bemerkenswert, als gerade konservative christliche und religiöse Kreise nicht zu dieser Partnerschaft gehören und als konservativ geltende Christ-Innen progressive Engagements eingehen.

Erhalten die Katholikinnen Aufwind?

Ein «parallel event» in einem überfüllten Raum des Church Centers drehte sich um die Frage der Stellung der Frau in der Römisch-katholischen Kirche. Feministische Theologinnen u. a. des Wijngaards Institute, der Women’s Ordination Worldwide Campaign und die Priesterin Gabriella Velardi Ward (Saint Praxedis Catholic Community), die im 2008 mit andern Frauen von einem ungenannten, in der Sukzession stehenden Bischof auf der Donau die Priesterweihe erhielt, äusserten sich: Die Ablehnung der Priesterweihe für Frauen bringen sie mit der Auslegung des Schöpfungsberichts als komplementär gesehener Schöpfungsordnung von Mann und Frau in Verbindung und deren Interpretation als einer Rollenzuteilung, in der die Machtverhältnisse zu Gunsten des Mannes festgelegt sind. Ein solch ungleiches Verständnis von Menschenwürde wird im Gegensatz zu Menschenrechten gesehen: Die so vorgegebene Ordnung lasse nicht zu, dass der Mensch, beziehungsweise die Frau, ein Recht auf Selbstbestimmung beanspruchen kann. 

1 ACT Alliance (seit 2010) ist ein internationales kirchliches Netzwerk und eines der Bündnisse für humanitäre Arbeit und Entwicklungshilfe. ACT steht für «Action by Churches Together» (Kirchen helfen gemeinsam). Die Organisation hat 140 Mitglieder in 144 Ländern. ACT-Alliance betont die positive Rolle von Glauben und Glaubensgemeinschaften, um Gender-Gerechtigkeit zu erreichen. Als eine progressive Stimme des Glaubens und des globalen Einsatzes für Gender-Gerechtigkeit will sie dem Missbrauch von Religion durch gewisse Gruppierungen, die die Rechte von Frauen und Mädchen unterlaufen, entgegentreten.

 

Esther R. Suter

Esther R. Suter

Die evangelisch-reformierte Theologin und Pfarrerin Esther R. Suter ist Fachjournalistin SFJ/ASJ und engagiert sich bei UN Geneva als NGO-Representative for International Alliance of Women, bei UN New York als NGO-Representative for International Association for Religious Freedom und ist Vize-Präsidentin der International Association of Liberal Religious Women.