Fasziniert von der Welt und vom Leben

Bei Filippo Niederer dreht sich alles um Religionspädagogik. Die Begeisterung für den Religionsunterricht und für die grossen Fragen der Welt begleiten ihn schon fast sein ganzes Leben lang.

Filippo Niederer (Jg. 1959) studierte Theologie in Chur und Rom. Nach mehrjähriger Berufstätigkeit als Religionslehrer absolvierte er die Gymnasiallehrerausbildung und zeitgleich ein Philosophiestudium in Freiburg i. Ue. Seit 2016 arbeitet er in der Abteilung Religionspädagogik des Bistums St. Gallen. (Bild: zvg)

 

Filippo Niederer bereitet es grosse Freude, junge Menschen in ihrem Lernen zu begleiten, besonders kritische. Doch in seiner Tätigkeit als Mitarbeiter in der Abteilung Religionspädagogik des Bistums St. Gallen arbeitet er eher im Hintergrund. Er ist an Projekten des Pastoralamts beteiligt, zu dem die Abteilung Religionspädagogik gehört. «Hauptsächlich bin ich aber für die Arbeiten an Lehrplänen und Unterrichtshilfen zuständig», erklärt Niederer. Daneben ist er Ansprechperson für die angestellten Mittelschul-Religionslehrkräfte sowie die Rektoren. «Direkt mit mir in Kontakt kommen Menschen, die gerne an einer Kantonsschule Religion unterrichten möchten.»

Niederschwelliger Religionsunterricht

Es war die Freude am Kontakt mit Menschen, die ihn dazu bewog, nach dem Theologiestudium in Chur und Rom als Religionslehrer zu arbeiten. «Im Religionsunterricht begegne ich Menschen, die religiös an sehr unterschiedlichen Orten stehen. Sie alle sollen aus dem Unterricht etwas für ihr Leben mitnehmen können.» Konkret bedeutete das für ihn, in seinen Erklärungen möglichst wenig Wissen und Glauben vorauszusetzen. «Mein Ideal war ein Unterricht, von dem auch Areligiöse profitieren.» Er erlebte gerade die Gespräche mit den kritischen (Mittel-)Schülerinnen und Schülern als bereichernd. Dieses Interesse an Diskussionen, das Hinterfragen von Ideen gehört zu seiner Persönlichkeit. So verwundert es nicht, dass er acht Jahre nach seinem Theologiestudium noch ein Studium der Philosophie begann. «Philosophie habe ich nicht mit einer bestimmten Absicht studiert, sondern aus lauter Leidenschaft, die an der Kantonsschule geweckt wurde.» Auch während der langen Busfahrten in Rom hatte er viel Zeit, über philosophische Fragen nachzudenken. «Die Beschäftigung mit der Frage, wie es sich mit der Welt und dem Leben verhält, ist für mich Koffein pur. Ich bin überzeugt, dass meine Schülerinnen und Schüler davon profitiert haben.»

Vielfalt der Menschen ernst nehmen

In seiner aktuellen Tätigkeit in der Abteilung Religionspädagogik muss sich Niederer immer wieder mit den Veränderungen in der Welt und der Gesellschaft auseinandersetzen und zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen überlegen, wie eine zeitgemässe Katechese aussehen kann. «Unsere Gesellschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten einen gewaltigen kulturellen Pluralisierungsschub erlebt. In meinem Quartier leben Menschen aus 80 Nationen. Entsprechend gross ist die religiöse Vielfalt. So ist es unumgänglich, dass wir lernen, anderen Bekenntnissen mit Respekt und Achtung zu begegnen», hält Niederer fest. Aus diesem Grund begrüsste er die Einführung des Fachs «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» ERG. So würden alle Kinder grundlegendes Wissen über Religionen erhalten. Die Eltern können wählen, ob sie ihr Kind von einer schulischen oder einer kirchlichen Lehrperson in ERG unterrichten lassen möchten. Das hält er für sinnvoll, haben letztere doch eine grosse Kompetenz in der Vermittlung von religiösen und ethischen Inhalten.

Seine Begeisterung für Religionsunterricht ist ungebrochen. Er sieht aber nicht nur die Chancen des Religionsunterrichts, sondern auch die Gefahren. «Im Religionsunterricht erschliessen Fachlehrkräfte den Kindern die Welt, das Leben und den Glauben. Das ist eine grosse Chance. Doch um Kinder zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf, lautet ein afrikanisches Sprichwort. Der Religionsunterricht kann dazu verleiten, die religiöse Erziehung an die Fachleute zu delegieren, was kaum nachhaltig sein kann.»

Seine Arbeit ist vielfältig und lässt sich nicht mit einem einzigen Begriff festmachen. Dies führte auch zu lustigen Situationen, wie Niederer zu erzählen weiss. «Als meine Tochter im dritten Primarschuljahr von der Lehrerin gefragt wurde, was ich beruflich machen würde, antwortete sie: ‹Mit anderen dick essen gehen und böse Briefe schreiben.›»

Rosmarie Schärer

 

 

Die SKZ veröffentlicht in loser Folge Porträts von kirchlichen Mitarbeitenden, die in der Verwaltung oder Leitung der Diözesen tätig sind und diesen so ein Gesicht geben.