Familienseelsorge nachhaltig verankern

Die Familienpastoral gehört in vielen Pfarreien zum «Kürbereich», dem etwas Zufälliges anhaftet. Überzeugt von deren Wichtigkeit, fehlt oft ein funktionierendes «Drehbuch» zu ihrer verbindlichen langfristigen Umsetzung.

Ein Wickeltisch im Männer-WC, ein Scooter-Ständer vor dem Pfarreiheim, eine kuschelige Kinder- ecke in der Pfarrkirche. Alles kleine Dinge, die eine familienfreundliche Atmosphäre schaffen und den Familien zeigen: «Ihr seid herzlich willkommen!» Wie eine solche familienfreundliche Seelsorge nachhaltig in einer Pfarrei verankert werden kann, soll nachfolgend aufgezeigt werden. Dabei haben wir von der Fachstelle Partnerschaft-Ehe-Familie* im Bistum St. Gallen bewusst den Fokus auf junge Familien gelegt, weil diese Phase ausschlaggebend dafür ist, ob Familien zu Religion und Kirche einen Zugang finden.

Entschiedenheit für Familienseelsorge

Am Anfang einer familienfreundlichen Pfarrei steht der Entscheid der Leitungsgremien, Familienseelsorge ein besonderes Gewicht zu geben. Dazu empfehlen wir den Dreischritt Sehen- Urteilen-Handeln:

  • Sehen: Welche Familien (Familienformen) leben bei uns? Was beschäftigt sie? Welche Bedürfnisse haben sie? Welche Angebote für Familien – von der Taufpastoral bis «wenn die eigenen Eltern älter werden» – haben wir schon? Welche weissen Flecken haben wir? Wie familienfreundlich ist unsere Pfarrei? Wie sind unsere Angebote und deren Träger miteinander vernetzt?
     
  • Urteilen: Welche Ziele verfolgen wir mit unserer Familienseelsorge? Welche Ressourcen stellen wir zur Verfügung, um diese zu erreichen? Wer wird beauftragt, diese Ziele umzusetzen und wie wird dies nachhaltig begleitet?
     
  • Handeln: Bewährtes (Trau- und Taufpasto- ral, Familiengottesdienste, Religionsunterricht, Kinder- und Jugendarbeit usw.) wertschätzen, unterstützen und vernetzen. Neue Angebote im Verbund mit Bewährtem aufbauen und nachhaltig verankern – und dazu Ressourcen (Räume, Finanzen, Personal) zur Verfügung stellen und unterstützende Strukturen (Leitbild, Arbeitsgruppen) schaffen.

Diesen Dreischritt haben wir in einer Arbeitshilfe ausführlicher beschrieben.1

Tipps für die Praxis

Hat sich eine Pfarrei für eine nachhaltige Familien- seelsorge entschieden, können folgende Punkte hilfreich für eine konkrete Umsetzung sein:

  • Die Entwicklung eines Konzepts, in dem Seelsorgeteammitglieder für die Familienseelsorge beauftragt und mit entsprechenden Ressourcen (Zeit, Finanzen, Räume) aus- gestattet werden. Unterstützend kann ein Team von Hauptamtlichen und Freiwilligen geschaffen werden, in dem auch die Zielgruppe (verschiedene Elterngenerationen) vertreten ist, und das die Familienseelsorge entsprechend der Bedürfnisse der örtlichen Familien begleitet, umsetzt und weiterentwickelt.
     
  • Trau- und Taufpastoral sowie Familienseelsorge arbeiten nach Möglichkeit Hand in Hand. Idealerweise werden durch die Trauung erste Kontakte zu (künftigen) Eltern ge- knüpft. Von der Taufe an werden Eltern auf die Familienangebote in der Pfarrei hingewiesen. Taufseelsorger und Familienseelsorgende ebnen durch Beziehungsarbeit (z.B. Präsenz bei Tauferinnerungsfeiern/Chinderfiire) jungen Familien den Zugang zu pfarreilichen Familienanlässen. Begleitend können Flyer und Website mit Angeboten und Kontaktadressen jungen Familien hilfreiche Informationen bieten.
     
  • Es ist sinnvoll, nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Anbietern in der Familienarbeit zu suchen, z.B. Frauengemeinschaft, verbandliche Jugendarbeit, evangelische Kirche, schulische oder kommunale Organisationen (Elternforen, Väter- und Mütterberatung u.ä.).
     
  • Immer wieder steht auch die Grosselterngeneration im Fokus der Familienseelsorge – im Bewusstsein, dass diese massgeblich an der Begleitung und (religiösen) Erziehung der Grosskinder beteiligt ist.

Diese äusserlichen Punkte bieten einen Rahmen für die nachhaltige Verankerung einer familienfreundlichen Seelsorge. Entscheidend bleibt dabei jedoch die Haltung, die Seelsorgende und freiwillig Engagierte den Familien entgegenbringen: eine Haltung des Hörens und Begleitens, in welcher Pfarrei und Religion als lebensdienlich erlebt werden.

Madeleine Winterhalter und
Matthias Koller Filliger

 

1 Diese 50-seitige Arbeitshilfe kann auf www.pef-sg.ch/typo3/service-material bezogen werden.

*Die Fachstelle PartnerschaftEhe-Familie im Bistum St. Gallen begleitet Frauen und Männer, Mütter und Väter in ihrer Beziehung als Paar und als Familie durch Bildungsangebote und Coaching. Sie unterstützt kirchliche und nichtkirchliche Institutionen durch Beratung und Weiterbildung in der Paar- und Familienseelsorge. Informationen unter www.pef-sg.ch


Madeleine Winterhalter und Matthias Koller Filliger

Madeleine Winterhalter (Jg. 1962) ist Theologin, Pädagogin und Erwachsenenbildnerin. Sie ist Stellenleiterin der Fachstelle Partnerschaft-Ehe-Familie im Bistum St. Gallen.

Matthias Koller Filliger (Jg. 1967) ist Theologe, Erwachsenenbildner und Gewaltberater. Er ist Mitarbeiter in der Fachstelle Partnerschaft-Ehe-Familie im Bistum St. Gallen.